Zollanlage und Tram-Endhaltestelle Burgfelden Grenze

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4055 Basel,
Schweiz

Veröffentlicht am 21. Dezember 2020
nord gmbh Architekten BSA SIA

Zollanlage und Tram-Endhaltestelle Burgfelden Grenze Das neue Dach überspannt zwei Fahrspuren, die durch einen Parkplatz für Autos und LKWs zur Erledigung der Zollformalitäten getrennt sind. Die Tramlinie und das Trottoir verlaufen entlang der Gesamtanlage. Durch ihre Ausführung in poliertem Aluminium und Spiegelglas wirkt  die Zollstelle wie ein minimalistisches Kunstwerk. Die bahnsteigseitige Fassade des Infrastrukturgebäudes wird durch drei zirka  zehn Zentimeter tiefe Einrückungen zwischen  den Pfeilern aufgebrochen, sodass drei Nischen entstehen. Im BVB-Pausenraum geniessen die Tramfahrer den  Blick auf die Kleingartenanlage Basel West. Die Pfeiler  wurden im Bodenbereich  mit Stahlplatten verstärkt,  um den Tragwiderstand gegen Anprall schwerer Fahrzeuge  zu erhöhen. Auch Rohre  für Strom und Regenwasser sind darin untergebracht. Zollanlage und Tram-Endhaltestelle Burgfelden Grenze

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Burgfelden Grenze, 4055 Basel, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
01.2017

Gebäudedaten nach SIA 416

Gebäudekosten (BKP 2)
1,8 Mio. CHF

Beschreibung

Gemeinsame Grenze

Der von Nord GmbH Architekten im Jahr 2015 gewonnene geladene Wettbewerb für die Erneuerung der Fahrbahnüberdachung des Zolls Basel Burgfelden Grenze und den Bau einer neuen Tramstation für die länderverbindende Tramlinie mit Endhaltestelle auf der Schweizer Seite zeigt, wie sehr die Region zusammengewachsen ist.

Es ist früher sonniger Herbstnachmittag, einige wenige Autos nähern sich der Zollstelle Basel Burgfelden Grenze. Einige Autofahrer überqueren die Grenze wie gewohnt, andere wiederum bremsen beim Betrachten der beeindruckenden Überdachung, die über der Fahrbahn schwebt. Wie so viele stadtnahe Grenzübergänge ist auch dieser Zollposten nur sporadisch von Mitarbeitenden der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) besetzt. Noch ist es zu früh für die Autokolonne der Grenzgänger, die nach der Arbeit nach Hause fahren. Es ist ruhig am Zoll, lediglich eine Ampel regelt im Sekundentakt die Einreise auf französisches Gebiet. Wenige Fussgänger und eine Strassenbahn überqueren die Grenze, die es nur noch auf dem Papier zu geben scheint. Eine Stunde später finden stichprobenartige Zollkontrollen statt, und die EZV-Mitarbeitenden versuchen effizient im Takt der Ampel zu arbeiten. Kein Warentransport ist in Sicht. Die Autos, die kontrolliert werden, müssen wegen der zur Sicherung des Bauwerks erforderlichen Arbeiten noch auf der nicht überdachten Haltespur zwischen den Fahrbahnen halten. Nachdem die Architekten einen Riss beim Dachfirst feststellten, entschieden sie sich dazu, Zugstangen aus rostfreiem Chromstahl zwischen die Pfosten zu spannen, was das Bauwerk nun ein wenig wie einen Dachstuhl aussehen lässt. Was könnte passender für eine Überdachung sein?

Elegante Überspannung
Ein helles Betondach überspannt die Burgfelderstrasse: Es ist ein Werk des Basler Büros Nord GmbH Architekten in Zusammenarbeit mit WAM Planer und Ingenieure. Es steht inmitten einer offenen Landschaft, oberhalb des Gesundheitscampus des Bürgerspitals und oberhalb des weiter unten liegenden grossen Rehab-Zentrums (Herzog & De Meuron, 2002) und den Familiengärten Basel West. Angesichts des heterogenen städtischen Kontexts ist die Kontinuität zwischen Basel und St-Louis, der französischen Nachbarstadt, besonders bemerkenswert.
Das Faltdach öffnet sich nach allen Seiten hin. Obwohl das neue Bauwerk direkt vor dem bestehenden Zollgebäude steht, ist es schon allein aufgrund seiner Abmessungen weit mehr als ein Vordach. Es wirkt auf den ersten Blick überhaupt nicht wie eine Zollstation, wenn da nicht die filigranen Buchstaben aus gebogenem Metall wären, mit der Aufschrift «Zoll Basel Burgfelderstrasse».

Scheinbare Einfachheit
Das neue Dach erhält seine Eleganz aus einer scheinbaren Leichtigkeit, die das Ergebnis des Zusammenspiels zwischen Dimensionierung und formal umgesetzter statischer Logik ist. So erwog auch Gottfried Semper (1803–1879) schon die Möglichkeit, die Optik und Beschaffenheit bestimmter Materialien nachzuahmen – wie hier beim Beton, der durch die Faltung wie Papier erscheint. Am Dachfirst versteift eine in den Beton eingelassene Zugstange die Dachplatten in Längsrichtung. Die in der Unterkonstruktion eingesetzten diagonalen Querverstrebungen werden zu Stützen und ähneln den Rippen der Gewölbe gotischer Kirchen. Angesichts der Länge der Stützen sowie der besonderen statischen Anforderungen mussten die Planer verschiedene konstruktive Lösungen kombinieren: Jede Stütze besteht aus zwei Stahlprofilen, die mit Beton ausgegossen und ummantelt wurden – Aussparungen in den Profilen sorgen wie Klebepunkte dafür, dass der Beton haftet. Ein auf halber Höhe integriertes Vordach schützt auf der einen Seite den Eingang des bestehenden Zollgebäudes und auf der anderen Seite eine kleine Abfertigungskabine aus Stahl und Spiegelglas. Die millimetergenaue, funktionale Tektonik der Abfertigungskabine steht im Kontrast zu der monolithischen Grosszügigkeit und Offenheit des Daches und zeugt von einer klaren Hierarchie.

Ein weiterer Pavillon und drei Funktionen
Am westlichen Rand der Gesamtanlage, in der Verlängerung einer Tankstelle, sticht ein kleines Gebäude gleichen Typs hervor. Auch dieses verfügt über ein Dach, das sich mimetisch in Material und Form zur Überdachung der Zollstelle verhält. Die Verwandtschaft ist nicht zu leugnen und verleiht dem Ensemble mehr Präsenz. Zwei «gotische Hangars» an der städtischen Peripherie lassen einen nicht unberührt.
Projektbestandteil war nämlich nebst der Überdachung auch der Bau einer neuen Tramstation für die länderverbindende Tramlinie 3 in Richtung Bahnhof St-Louis, ein von der IBA Basel 2020 «labelisiertes» Projekt mit dem suggestiven Motto «Grenzen überschreiten». Die Verlegung der ehemaligen Endhaltestelle nach Frankreich führte zur Schaffung einer Wendeschlaufe um die Zollanlage. Die Trams, die nicht nach St-Louis fahren, können dort wenden, und die Fahrer eine Pause einlegen – vor einem kleinen Infrastrukturgebäude, das die Architekten geschickt mit der Tramstation verbunden haben. Die Holzkonstruktion schiebt sich zwischen die beiden Dachpfostenreihen und ist mit einfachen, dreischichtigen Paneelen verkleidet. So wie die Abfertigungskabine zeugt auch dieses kleine Gebäude von einer meisterhaften Umsetzung der programmatischen Dichte. Es gibt drei Nutzergruppen: Die Fahrer der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) haben einen Pausenraum und sanitäre Einrichtungen. Die Tram-Fahrgäste haben Zugang zu öffentlichen Toiletten, während den Mitgliedern der angrenzenden Familiengärten sanitäre Einrichtungen und ein Lagerraum zur Verfügung gestellt werden.

Formgeschichte
Schade ist, dass die im Wettbewerbsprogramm angesprochene «Möglichkeit, der Grenze eine Form zu geben» nicht abstrakter aufgefasst wurde: Angesichts der grossen Durchlässigkeit der Grenze in Höhe des Burgfelderparks und seiner unmittelbaren Umgebung – ein Gebiet, das sich leider ausserhalb des Projektperimeters befand – hätte die Zollanlage Burgfelden Grenze statt eines einfachen Grenzübergangs vielmehr ein kleiner, einladender grenzüberschreitender öffentlicher Platz werden können.

Projektleiter Boris Haberthür, Architekt bei Nord GmbH Architekten BSA SIA, zur 3-Schicht-Lärchenholzplatte mit Anti-Graffiti-Beschichtung:
Die vorgeschlagene Holzfassade war wegen der Gefahr von Vandalismus ein grosses Thema bei der BVB. Unser Argument, dass Holzplatten auch mit Graffitischutz behandelt werden können, hat die Bauherrschaft überzeugt.

Projektleiter Boris Haberthür, Architekt bei Nord GmbH Architekten BSA SIA, zum Isolierglas (gepanzert und beschichtet mit Einwegspiegelfolie):
Aufgrund des Gewichts ist der Einsatz von zwei- oder dreifach gepanzertem Glas wesentlich komplizierter als bei einer herkömmlichen
Verglasung. Für das Unternehmen war dieses Projekt eine grosse Herausforderung, sowohl in statischer als auch in ästhetischer Hinsicht.

Text: François Esquivié

Erstmals veröffentlicht im Magazin der Schweizer Baudokumentation 2021 - 1

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