Tagung: Identität der Architektur

 

Veröffentlicht am 13. Juni 2022 von
Nina Farhumand

Thesendiskussion anhand realisierter Projekte

Unter wechselnden Themen stellt die jährliche Tagung die grundlegende Frage nach der Identität der Architektur – eine Frage, die das Selbstverständnis der Disziplin angeht und sich zuerst an ihre massgeblichen Vertreter richtet, an die Architekt*innen. Moderiert wird die Thesendiskussion von Jørg Himmelreich, der als Redaktor bei der Docu Media das Magazin Arc Mag leitet.

Dass sich die Architektur in Deutschland nicht mehr Schulen zuordnen lässt, zeichnete sich bereits im ausgehenden letzten Jahrhundert ab. Vor dem Hintergrund verblassender Traditionslinien hat die disziplinäre Orientierung eine Spiegelung erfahren. An die Stelle gemeinsamer und gemeinschaftlicher Vorstellungen von Architektur und Stadt, von der Disziplin, sind vermehrt vereinzelte und scheinbar rückhaltlose Absichten getreten. Die einhergehende erhöhte Aufmerksamkeit für das «Neue» stellt sich in einer globalisierten medialen Präsenz der Bilder dar.

Der Wandel äusserer Interessen und die Anforderungen, die an die Architektur aus Politik, Gesellschaft, Industrie und Medien herangetragen werden, gewinnen zunehmend an Einfluss: Klimawandel, Migration, veränderte Arbeitswelten und erneuerte Lebensentwürfe geben Anlass zu kurzfristigen, praktikablen und anpassungsfähigen Lösungen und lassen dagegen zugleich andere baukulturelle Anforderungen, beispielshalber nach dem Ortsbezug der Architektur, in den Hintergrund treten. Entgegen anderer Behauptungen führen diese Entwicklungen jedoch nicht zu erweiterten Handlungsfeldern innerhalb der Disziplin, vielmehr leisten die immer komplizierteren und oft widersprüchlichen Rahmenbedingungen einer Spezialisierung Vorschub, die dem überkommenen generalistischen Anspruch der Architektur entgegensteht. Die Tendenz das Bauen als Addition spezialisierter Kompetenzen und nicht mehr als ein Ganzes zu sehen, birgt die Gefahr, dass Architekten zunehmend aus dem konkreten Planungs- und Bauprozess verdrängt und auf die Rolle des Gestalters von Bildern und Oberflächen beschränkt werden.

Gleich einer Inventur hinterfragt und erforscht die Tagung zur «Identität der Architektur» den gegenwärtigen Bestand der Disziplin, gemeint ist der Bestand an verbindlichen Grundlagen, Techniken, Prinzipien, Methoden, Begriffen, Referenzen und Vorstellungen, die Entwurf und Bau von Architektur und Stadt betreffen. Mit der Feststellung des Inventars verfolgt die Tagung das Ziel, die Beiträge zur «inneren» Bestimmung der Disziplin für den Diskurs über Architektur und als Publikationsvorhaben für Praxis, Lehre und Forschung bereitzustellen. Die Aufnahme erfolgt in jährlichen Tagungen unter den jeweils vorgegebenen und zu verhandelnden Themen. Teilnehmer der Tagung sind in erster Linie Architekten, die einen relevanten, baulichen Beitrag unter dem jeweiligen Thema der Tagung vorgelegt haben.

Positionen der Bedeutung des Raums in der Architektur

Unter den grundlegenden Begriffen gehört der des «Raums» gegenwärtig vielleicht zu den umstrittensten, vielleicht auch nur missverständlichsten innerhalb der Disziplin, aber woran liegt das? Hatte man in den vorausgehenden Zeitläuften mit dem Anspruch philosophisch-physikalischer Hoheit über die begrifflichinhaltliche Bestimmung des «Raums» gestritten, so kam es im Verlauf des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts zu einer Überstellung des Diskurses an verschiedene Disziplinen, beispielshalber an die Kunstgeschichte, die Soziologie, die Phänomenologie und die Psychologie, vor allem aber an die Naturwissenschaft. Was der Begriff des Raums beinhaltet und welches theoretische Modell ihm zugrunde liegt wird auch heute noch innerhalb der Disziplinen unterschiedlich verhandelt und behauptet.

Räume der Architektur erscheinen als ortgebundene Innenräume, die wesentlich von ihren baulichen Grenzen her bewirkt werden. Dass wir uns in einem Gebäude durch verschiedene Räume bewegen können, die durch Öffnungen miteinander verbunden sind, entspricht wohl unserer alltäglichen Erfahrung und Wahrnehmung. Aber schon mit dieser einfachen Beschreibung des Phänomens als wahrgenommenem Ereignis heben wir das hier angenommene architektonische Raumverständnis etwa vom mathematischen Raum oder auch anderen relationalen Raumvorstellungen ab. Wir würden daher auch nicht von «dem» Raum sprechen, der etwa ein Gebäude oder auch die Stadt durchwaltete, sondern differenziert nach ihrem Erscheinen von den Räumen des Gebäudes und in gleicher Weise auch von den Räumen der Stadt.

Diesen Fragen will die 5. Aachener Tagung in gewohnter Weise in Thesendiskussionen anhand realisierter Projekte nachgehen. Denn erst am konkreten Bespiel erweist sich, ob eine räumliche Lösung im Kontext einer spezifischen Aufgabenstellung und einer individuellen architektonischen Konzeption zwangsläufig auch sinnvoll ist.

Identität der Architektur

5. Aachener Tagung

Datum: 23. bis 24. Juni 2022

Ort: Fakultät der Architektur, RWTH Aachen

Weitere Informationen finden Sie unter: ida.rwth-aachen.de

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