Interview: Areal-Transformation

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Veröffentlicht am 16. Mai 2023

V-Zug entwickelt und produziert ihre Produkte in der Schweiz. Der Hauptsitz in Zug ist mitsamt den grössten Produktions- und Logistikanlagen Teil des Grossprojekts «Tech Cluster Zug». Die V-Zug AG zieht sich in den kommenden Jahren auf circa 40 Prozent der bisher genutzten Fläche zurück, beziehungsweise verlagert die Produktion in die Vertikale. Die frei werdenden Flächen sollen Industrieunternehmen, Start-ups, technischen Schulen sowie kleineren Dienstleistungs- und Gewerbefirmen zunutze kommen. Zudem entsteht attraktiver Wohnraum.

Markus Estermann ist Head of Industrial Engineering bei der V-Zug AG.

Markus Estermann ist Head of Industrial Engineering bei der V-Zug AG.

Markus Estermann ist Head of Industrial Engineering bei der V-Zug AG.

Herr Estermann, das Areal der V-Zug befindet sich mitten in einer umfangreichen Arealtransformation. Was genau wird entstehen?

Das Gelände in Zug wird komplett transformiert, damit wir für die Zukunft gerüstet sind. Dabei setzen wir stark auf Nachhaltigkeit: Zum einen durch die komplette Neukonzeption ganzer Produktionsanlagen — Stichwort vertikale Fabrik — zugunsten der Effizienz und zum anderen durch die Verbauung innovativer, möglichst ökologischer Baustoffe.

V-Zug hat in der Schweiz zwei Produktionsstandorte: den Hauptsitz in Zug und das Kühlschrankwerk im thurgauischen Sulgen. Wieso produzieren Sie in der Schweiz?

In Sulgen steht das modernste Kühlschrankwerk Europas, das wir anfangs 2022 in Betrieb genommen haben. Sämtliche V-Zug-Kühlschränke werden dort hergestellt und in die ganze Welt verkauft. In Zug produzieren wir Geräte für Küchen und Waschräume. Indem wir den grössten Teil der Arbeitsschritte von der Entwicklung bis zur Fertigung in der Schweiz behalten, bekennen wir uns zum Industrie- und Wirtschaftsstandort Schweiz. Dies bringt mehrere Vorteile mit sich, die vor allem nachhaltiger Natur sind. Die Produktionswege sind kurz. Das ermöglicht uns, unseren ökologischen Fussabdruck kleinzuhalten. Damit sich das auch ökonomisch rechnet, erneuern und optimieren wir unsere Prozesse ständig. Unser Produktionsstandort ist von diesen Innovationen nicht ausgeschlossen. Wir verlagern aktuell ganze Produktionsschritte in die Vertikale und machen so Platz für anderes Gewerbe. Einige Neubauten konnten bereits fertiggestellt werden, weitere befinden sich im Bau respektive in Planung. Für die V-Zug AG ist die Arealtransformation voraussichtlich 2027 abgeschlossen.

Mit dem Tech Cluster Zug wird in den nächsten 15 bis 20 Jahren aus dem geschlossenen Industrieareal der V-Zug ein offenes, innovatives Stück Stadt. Foto: Philippe Hubler / überlagert mit einem Rendering von Hosoya Schaefer Architects - Alexander Kneer

Mit dem Tech Cluster Zug wird in den nächsten 15 bis 20 Jahren aus dem geschlossenen Industrieareal der V-Zug ein offenes, innovatives Stück Stadt. Foto: Philippe Hubler / überlagert mit einem Rendering von Hosoya Schaefer Architects - Alexander Kneer

Mit dem Tech Cluster Zug wird in den nächsten 15 bis 20 Jahren aus dem geschlossenen Industrieareal der V-Zug ein offenes, innovatives Stück Stadt. Foto: Philippe Hubler / überlagert mit einem Rendering von Hosoya Schaefer Architects - Alexander Kneer

Gebäude ersetzen ist selten nachhaltig. Können Sie etwas zur Konstruktion der Ersatzneubauten sagen?

Wenn man Gebäude ersetzt, wird zwangsläufig CO2 freigesetzt. Man kann aber durch die Wahl innovativer Materialien und Konstruktionen grosse Unterschiede zu den bislang üblichen Systemen erzielen. Mit dem Neubau «Zephyr Ost» nehmen wir Anfang nächsten Jahres unser drittes Produktionsgebäude in Betrieb. Es handelt sich um das bislang grösste Bauprojekt, bei dem CO2-angereicherter Beton zum Einsatz kommt. Diese neue Technik wurde von einem ETH-Spin-off entwickelt. Der verwendete Recyclingbeton besteht neben ressourcenschonendem Zement aus aufbereitetem Mischgranulat sowie rezyklierter Gesteinskörnung. Diese wird mittels eines innovativen Trockenverfahrens karbonatisiert, wobei CO2 aus einer Abwasserreinigungsanlage dauerhaft im Zuschlag gespeichert wird. Auf unserem Areal wird dieser klimafreundliche Beton zu einem viergeschossigen Bau verarbeitet, in dem künftig die Fertigung und Montage, ein automatisiertes Lager sowie Büro- und Aufenthaltsräume untergebracht werden.

Das Kühlschrankwerk der V-Zug in Sulgen ist die modernste Fertigungsanlage ihrer Art in Europa. Foto: Roger Oberholzer

Das Kühlschrankwerk der V-Zug in Sulgen ist die modernste Fertigungsanlage ihrer Art in Europa. Foto: Roger Oberholzer

Das Kühlschrankwerk der V-Zug in Sulgen ist die modernste Fertigungsanlage ihrer Art in Europa. Foto: Roger Oberholzer

Sie haben zudem innovative Konstruktionsmethoden angesprochen. Erzählen Sie bitte mehr darüber.

Dank eines optimierten Tragwerksystems und dem Verbau von 500 Quadratmetern Hohlkörpereinlagen konnten rund 1200 Tonnen Beton eingespart werden. Mit dem Einsatz von 4200 Kubikmetern Recyclingbeton und dessen CO2-Bindung werden im Vergleich zu einer konventionellen Bauweise insgesamt 71 Tonnen Kohlendioxid weniger ausgestossen. Bereits das 2019 fertiggestellte Produktionsgebäude «Zephyr Hangar» wurde aus nachhaltigen Materialien gebaut. Insgesamt wurden im fussballfeldgrossen Gebäude 1300 Kubikmeter lokalen Holzes verbaut. Einerseits verursacht dieses Baumaterial 66 Prozent weniger Treibhausgasemissionen, verglichen zu Bauten aus Stahl, Stein und Beton, andererseits verblüfft es mit der unglaublich schnellen Erneuerung: Die verbaute Menge Holz wächst in nur 1 Stunde 45 Minuten in den Schweizer Wäldern nach.

Welchen Beitrag leistet die Arealtransformation dazu, dass V-Zug sich ihren Nachhaltigkeitszielen nähert?

Dank der optimalen Kombination aus sorgfältiger Planung, neuen Anlagen, Effizienzsteigerung und Kompensationsmassnahmen sind unsere Produktionsanlagen bereits seit 2020 CO2-neutral. Neu übernehmen wir auch die Verantwortung für die indirekten Emissionen in der Wertschöpfungskette. Dies sind beispielsweise Emissionen, die durch die Nutzung der Geräte oder eingekaufte Güter entstehen. Bis 2023 sollen auch diese Emissionen um 30 Prozent gesenkt werden. Seit Ende 2022 haben Endkund*innen zudem die Möglichkeit, die Emissionen, die bei der Nutzung ihrer Geräte anfallen, im neuen V-Zug-Webshop zu kompensieren. Die eingenommenen Beiträge fliessen in das Aufforstungsprojekt V-Forest. Ergänzend beziehen wir einen immer grösseren Anteil unserer Energie aus erneuerbaren Quellen. So werden beispielsweise alle unsere Gebäude schrittweise an den Multi Energy Hub angebunden. Dieser versorgt das Areal mit erneuerbarer Energie aus Fotovoltaik, Prozessabwärme, Grund- und Seewasser.

Baustelle des im Bau befindlichen Gebäudes «Zephyr Ost», bei dem CO2-angereicherter Beton eingesetzt wird. Foto: Philipppe Hubler

Baustelle des im Bau befindlichen Gebäudes «Zephyr Ost», bei dem CO2-angereicherter Beton eingesetzt wird. Foto: Philipppe Hubler

Baustelle des im Bau befindlichen Gebäudes «Zephyr Ost», bei dem CO2-angereicherter Beton eingesetzt wird. Foto: Philipppe Hubler

Das Interview entstand in Zusammenarbeit mit V-Zug.

Erste Veröffentlichung im Arc Mag 3.2023

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