Anbau Doppeleinfamilienhaus unter Denkmalpflege in Bern

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3006 Bern,
Schweiz

Veröffentlicht am 06. August 2019
MAKA Architektur Atelier Matthias Kammler
Teilnahme am Swiss Arc Award 2021

Haus mit Garten im Frühling Anbau Südwest Seite Anbau Südost Seite Eingang mit Sitzbank und Einbauschrank Bad Bad mit Vorhang gezogen Büro im Untergeschoss Modell des Anbaus ausgeführt in Holzbau Versetzen des Moduls Küche im Hauptbau

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Industrieweg / 10, 3006 Bern, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
04.2011

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
2
Anzahl Kellergeschosse
1
Anzahl Wohnungen
1
Grundstücksfläche
246 m²

Beschreibung

Anbau an ein Doppeleinfamilienhaus unter Denkmalpflege. Als Modul mit Einbauten versehen, im Schuler Holzbausystem (Blockholzplatten) in einer Zimmerei vorgefertigt und vor Ort eingekleidet mit Holzschindeln.

Ausgangslage

Unmittelbar neben der namengebenden Fabrik der Firma Zent erbaute der bekannte Berner Architekt Paul Lindt um 1900 eine idyllische Arbeitersiedlung. Ein neuer Anbau in dem der Eingang, Bad und im UG das Büro untergebracht sind ersetzt eine Laube, welche ursprünglich Plumpsklo, Hauseingang und Veranda aufgenommen hatte. Zudem wurde der Garten wieder instand gesetzt und den aktuellen Bedürfnissen angepasst.

Entwurfsidee

Der neue Anbau ist geringfügig grösser, hat aber eine ähnliche Funktion: Er dient als Entrée mit seitlicher Metalltreppe zum Hochparterreniveau, als Garderobe, als Durchreiche zum Garten in Form eines grossen Klappfensters und nimmt ein Badezimmer auf. Hinzugekommen ist der ausgebaute Kellerraum, der über eine Serie ornamental wirkender Rundöffnungen im eingezogenen Betonsockel belichtet wird. Der neue Anbau ist massvoll dimensioniert, damit er den Fluss des Gartens rings um das Haus nicht stört.

Der neue Anbau ist Visitenkarte und Herzstück der Liegenschaft. Mit ihm kommt der Prozess einer umfassenden Gebäuderenovation zur Synthese, zum Abschluss und zur Kulmination. Im Verlauf dieser Renovation ist das in die Jahre gekommene Haus schrittweise instand gestellt und modernisiert worden. Der Anbau kann zwar durchaus als autonomes Objekt betrachtet werden. Aber eigentlich liegt seine besondere Qualität darin, dass er die bescheidenen, aber prägenden Charakterzüge des Hauses weiter entwickelt und in Beziehung zum Äussern, zum Garten, zum Quartier setzt. (Text: Christoph Schlappi)

Projektierung

Dies wird vor allem auf drei Ebenen vollzogen: am offensichtlichsten jener der Farbgebung. Die vorherrschenden Grüntöne sind aus der freigelegten ursprünglichen Fassung des frühen 20. Jahrhunderts im Hausinnern hergeleitet. Am Gebäudeäussern spielen sie unterschwellig auf das berühmte lokale Baumaterial, den Ostermundiger Sandstein an. Die Bezugnahme auf den Altbau findet auch auf der Ebene der Materialität statt, indem die Holzsorten des Altbaus verwendet werden. Schliesslich die Ebene des Formalen und der Detailgestaltung, welche die Liegenschaft mit Respekt und Eleganz in der Gegenwart ankommen lässt. Das Resultat ist eine zeitgenössische Formel für die Tugenden des ursprünglichen Kleinbürgerhauses: Bescheidenheit, organisatorische Effizienz, Solidität, Autarkie, Stolz. (Text: Christoph Schlappi)

Besonderheiten

Konstruktiv ist der Anbau zunächst eine vorgefertigte, am Stück gelieferte und versetzte Box nach dem Holzbausystem Schuler. Dieses arbeitet mit Abfallholz aus Fichte, welches zu Blöcken verleimt und anschliessend in Plattenformate bis zu 9 x 3 m mit unterschiedlicher stärke verarbeitet wird, die ihrerseits zu Kastenelementen kombiniert werden können. Die von der 3.5 cm innen liegenden Blockholzplatte aufgenommene Last wird durch aufgeleimte Holzrippen ausgesteift. Die Statik des Holzbausystems ermöglicht es, dass die 3.5cm starke Blockholzplatte auf dem Betonsockel steht während die aussteifenden Holzrippen mit dazwischen liegender Wärmedämmung über den Sockel vorspringen. Die im Keller in Erscheinung tretenden Rippen entlang der bestehenden Hauswand korrespondieren mit den Rippen der Box. So tritt die unsichtbare Statik hier unten in einer bis an die Grenzen des Möglichen reduzierten Dimensionierung an die Oberfläche.
Das Potenzial der Box wird über die raumbildende Qualität der Statik hinaus ausgelotet – ist der Anbau doch gleichermassen ein kleines Haus wie ein grosses Möbel. So wird jeder Hohlraum zentimetergenau ausgenutzt: als Schrankelement, als „Garage“ für die Filzvorhänge, als Nische. Der farbige Anstrich hebt die hochwertige Glätte der Fichtenelemente hervor, während in den Hohlräumen die Epidermis des gleichen Baumaterials unbehandelt zutage tritt. Das Motiv erinnert an die Einbauschränke des Altbaus. Die sichtbaren Holzelemente (Boden, Fensterbank, Fensterrahmen) sind aus warm getöntem Eichenholz gefertigt. Der Boden des Arbeitsraums im Kellersockel ist konsequenter Weise bescheidener, mit Fichtenriemen belegt. Zum Kanon der Oberflächen und Materialien gesellen sich u. a. das Scobalit der Auskleidung im Bereich der Badewanne und der erdfarbene Filz der mit einem Metallklammersystem plissierten Vorhänge. (Text: Christoph Schlappi)

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