LysP8

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4056 Basel,
Schweiz

Veröffentlicht am 21. Juli 2025
Loeliger Strub Architektur GmbH

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Weinlagerstrasse 33, 4056 Basel, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
02.2025
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
6 bis 10
Anzahl Kellergeschosse
1
Anzahl Wohnungen
27
Grundstücksfläche
686 m²
Geschossfläche
2250 m²
Nutzfläche
1440 m²
Gebäudevolumen
7170 m³

Beschreibung

Ein Quartier im Umbruch
Der neue Stadtteil Volta Nord führt das gewachsene St. Johann-Quartier nach Norden weiter. Die Parzelle 8 ist das letzte noch unbebaute Grundstück auf dem Areal Lysbüchel Süd, das von der Stiftung Habitat mit fünfzehn unabhängig bebaubaren Parzellen in Form eines Blockrandes und einzelnen Solitärbauten entwickelt wurde. Nördlich angrenzend wird die Entwicklung durch den Bebauungsplan VoltaNord geregelt, einzelne Neubauten sind bereits in Planung, andere Wettbewerbsverfahren laufen noch. Direkt vis-à-vis der zu bebauenden Parzelle 8 ist ein neuer Quartierplatz als wichtige Freifläche geplant.
Dem Stiftungszweck der Stiftung Habitat entsprechend wird auf den «Lysbüchel Süd» günstiger, an das bestehende Quartier angebundener Wohnraum in einer lebenswerten Umgebung erstellt. Die Stiftung hat einen Grossteil der Parzellen im Baurecht an Genossenschaften mit einer langfristig nichtkommerziellen oder gemeinnützigen Perspektive abgegeben. Die Liegenschaften sind mittlerweile alle fertiggestellt und bezogen – es ist ein überaus heterogener und bunter neuer Stadtteil entstanden, in den sich das Wohnhaus LysP8 selbstverständlich einfügen soll.

Combo
Eine beschwingte Combo aus einem Punkthaus an der Weinlagerstrasse zum Quartierplatz Volta Nord, einem strassenbegleitenden Langhaus an der Lothringerstrasse und einem verbindenden Erschliessungsgerüst bildet die Antwort auf Städtebau und Programm. In ihrem Zusammenspiel zum Eckhaus bildet diese bauliche Combo je nach Lage zum Platz, zur Strasse und zum Hof individuelle und ganz spezifische Fassaden aus. 
Das gemeinsame Erschliessungsgerüst zeigt sich zum Quartierplatz in seiner ganzen expressiven Geschossigkeit. Hier am Platz verweben sich die vorgesetzten Balkone der grösseren Wohnungen und die auskragenden Podeste des Erschliessungsgerüsts zum zeichenhaften Eingang des neuen Wohnhaus.

Community
Gewohnt wird hier im LysP8 fast wie in einer kleinen Stadt. Drei Treppenstufen führen Besucher*innen vom platzseitigen Eingang zu dem hofseitigen, geschützten Hausplatz und dem Gemeinschaftsraum. Eine grosszügige Sitztreppe aus wiederverwendeten Gitterroststufen, die im Sommer zur Zuschauertribüne für Openairkino oder Pingpongturniere genutzt werden kann, führt vom leicht erhöhten Erdgeschoss in den Garten.
Vom Hausplatz im Erdgeschoss startet das luftige Erschliessungsgerüst aus Holz. Mittels Treppen, Plätzen, Balkonen und Laubengängen verbindet und verwebt diese dreidimensionale Hauspromenade die verschiedenen Wohngeschosse, lädt Bewohner*innen zum Verweilen und zum informellen Austausch ein. Auf der Platzseite vergrössern sich die Treppenpodeste im ersten und dritten Wohngeschoss zur gemeinschaftlich genutzten Balkonen.

Flexibility & Diversity
Die Wohnungen sind aus einem einfachen, zweiseitig orientierten Raummodul aufgebaut. Die einheitlichen hölzernen Module erlauben je nach Bedarf die Nutzung als experimentelle Räume für Singles, Paare, Wohngemeinschaften oder als klassische Familienwohnungen. Je nach Ausrichtung zum Erschliessungsgerüst, Licht und Einblicksituation verändern sich die Grösse und die Ausrichtung der Wohnungen. 
Die kompakten Grundrisse in Kombination mit unterschiedlichen Gemeinschaftsflächen ermöglichen die Einhaltung von 45m² Energiebezugsfläche pro Person, welche auf dem Areal gefordert ist.

Minimaler Wohnflächenverbrauch
Das kleinste Modul wird mittels einer mittig angeordneten Nasszelle in einen multifunktionalen und kommunikativen Eingangsraum und einen ruhigen, zurückgezogenen Schlaf- oder Wohnraum unterteilt. Raumhohe Flügeltüren ermöglichen im geöffneten Zustand die Nutzung einer grossen, hindernis- und altersfreundlichen Nasszelle. Im geschlossenen Zustand wird die Nasszelle zusammen mit dem Schrank zum Einbaumobiliar, das einen Durchgang zwischen den beiden angrenzenden Räumen flankiert. Die Doppelnutzung des Durchgangsbereichs ermöglicht im Vergleich zu einer herkömmlichen Anordnung eines Korridors neben der Nasszelle eine bessere Nutzung der Fläche – jede Kleinwohnung gewinnt Platz für Stauraum.

Raumbildende Tragstruktur
Entlang dem Laubengang wird der Wohnungsspiegel mit Doppelmodulen ergänzt, welche durch das Zusammenschliessen zweier Raummodule eine Dreizimmerwohnung ergeben. Die privateren Zimmer zur Strasse werden durch die Mittelzone mit Nasszelle und Nische, welche auf unterschiedliche Art bespielt und möbliert werden kann, mit dem Wohnbereich zur gemeinschaftlichen Erschliessung hin verbunden. Die Tragstruktur aus Stützen und Unterzügen in Holz kann durch das Zusammenlegen freigespielt werden und dient der räumlichen Gliederung des Wohnbereichs.

Bauteiltrennung und Re-Use
Die Tragstruktur und alle Verkleidungen sind nach dem Prinzip des «Design for Disassembly» konstruiert. Alle Elemente sind sichtbar geschraubt, sauber demontierbar und somit sowohl in der Erstellung als auch im Unterhalt maximal ressourcenschonend. Sie können im Bedarfsfall einfach ausgewechselt oder einer weiteren Nutzung zugeführt werden.
Die Wiederverwendung von Bauteilen war von Anfang durch die Bauauftraggeberschaft gefordert. Zusammen mit Zirkular wurden Bauteile, die sich für Re-Use eigneten, evaluiert und in die Planung integriert. Potentielle Bauteile wurden während den unterschiedlichen Projektphasen im laufenden Austausch zwischen Architektur, Bauauftraggeberschaft, Baumanagement, Fachplanenden und Zirkular beurteilt und bezüglich unterschiedlichen Aspekten wie Gestaltung, Demontage, Logistik, Lagerung und Budget (Materialkosten Neu = Kostendach Re-Use) ausgewertet. 

Auswertung und Rückfallebenen
Insgesamt konnten 30 Bauteile im Projekt LysP8 wiederverwendet werden. Dies entspricht einer Einsparung von 132 Tonnen CO₂ durch die Re-Use-Bauteile.
Da die Bauweise nach dem Prinzip des Zirkulären Bauens von der Verfügbarkeit bestehender Bauteile abhängig ist, musste für jedes Element auch ein Konzept für eine Rückfallebene entwickelt werden, die beim Zeitpunkt X (abhängig vom Bauteil und den dazugehörigen Abhängigkeiten in der Ausführung) zur Anwendung kommt. 
Neben der Wiederverwendung ist eine Reduzierung der Grauen Energie bei der Erstellung eines Neubaus durch den Einsatz von biobasierten, natürlichen und nachwachsenden Materialien auf organischer Basis erstrebenswert. Hierfür werden Materialien wie Holz oder Lehm, welche auch gegen Ende ihres Lebenszyklus eine umweltfreundliche Verwendung finden, sei dies entweder durch Recycling oder Kompostierung.

Anwendungsversuch Giesslehm
Konkret wurde im LysP8 ein Anwendungsversuch mit einem geschliffenen Unterlagsboden aus Giesslehm umgesetzt. Bei drei unterschiedliche Nutzungen (Wohnen, Gemeinschaftsraum und Gewerbe) wurden mit unterschiedlichen Bodenaufbauten das Produkt «Oxacrete Nossim» von Oxara ausgeführt und mittels Schallmessungen ausgewertet. Die Messung vom Aufbau auf der Holzdecke hat erstaunliche Resultate ergeben: der Giesslehm übertrifft den Anhydrit mit 10–12 dB besseren Trittschallwerten.

Das Projekt wurde von Loeliger Strub Architektur eingereicht und von Jeannine Bürgi publiziert.

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