Postfossil Neighbourhoods – «Darf» Ruggell

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9491 Ruggell,
Liechtenstein

Veröffentlicht am 20. Juli 2025
Universität Liechtenstein
Teilnahme am Swiss Arc Award 2025

Dorfplatz mit Markthalle Dorfplatz mit Markthalle Belebung der Strassenräume Situation Ortskern Klimaangepasste Strassenräume Klimaanpassung Dorfstrasse Ruggell Klimaanpassung Dorfstrasse Ruggell Situationsplan Dorfzentrum Vogelperspektive Dorfzentrum Behutsame Ergänzungsbauten im Dorfzentrum Behutsame Ergänzungsbauten im Dorfzentrum Bestand in Wert setzen an der Dorfstrasse Klimaanpassung zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität Sorgfältig gewählte Eingriffe zur ortsbaulichen Klärung Umnutzungen an der Dorfstrasse Situation mit zentralen Orten Masterplan Dorfzentrum Behutsame Ergänzungsbauten im Broggacker Behutsame Ergänzungsbauten im Broggacker Fuss- und Radwege im Wohnquartier Grün-blaues Netzwerk und Nachverdichtungsoptionen Aus Zeitungsartikel im Liechtensteiner Vaterland vom 03. Juli 2025 Debatte zu den Entwurfsansätzen bei der Zwischenkritik mit Vertreterinnen der Gemeinde Seminarreise nach Zürich und Basel: Small plots / High density

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Poststrasse 1, 9491 Ruggell, Liechtenstein
Projekttyp
Entwurfsstudio/Forschungsgruppe
Fertigstellung
05.2025

Beschreibung

Das Entwurfsstudio Postfossil Neighbourhoods – «Darf» Ruggell fand an der Universität Liechtenstein School of Architecture statt. Es wurde im Fachbereich Städtebau und Raumentwicklung unter der Leitung von Prof. Michael Wagner durchgeführt. Begleitet wurde das Studio von Oscar Buson. Folgende Studierende waren am Projekt beteiligt: Maximilian Aicher, Noran Aljebali, Jakob Gabriel Bickel, Stefanie Dünser, Valentina Paola Facey Corti, Peja Josipa Gasparevic, Linda Gasser, Ana Glunchadze, George Gueorguiev, Lucy Kalmarczic, Mariami Mikeltadze, Magdalena Nachbaur, Sarah Veronika Reinbold, Anja Christina Riegger, Regina Riveros, Annika Schlichte, Vakhtang Shaishmelashvili, Konstantine Sukhishvili.

Die Entwurfsstudios widmen sich der Weiterentwicklung bestehender urbaner Strukturen, die im Kontext von Bevölkerungswachstum und tiefgreifender gesellschaftlicher, ökologischer und räumlicher Transformation einen lebendigen und sensiblen Dialog mit dem Klima, der Biodiversität und der lokalen Identität herstellen.

Entwurfsstudio «Darf» Ruggell, Sommersemester 2025
Die Gemeinde Ruggell ist sich unsicher in Bezug auf die zukünftige räumliche Entwicklung ihres historischen Dorfkerns. Dieser besteht noch immer aus Bauernhäusern aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, die strukturell oft fragil, mit niedrigen Raumhöhen und veralteten Grundrissen ausgestattet sind und somit kaum noch heutigen Wohnstandards entsprechen. Auf Wunsch der Gemeindeverantwortlichen wurde das Semesterprojekt als kritische Auseinandersetzung mit den geltenden Bauvorschriften konzipiert, die als zu restriktiv wahrgenommen werden und die aktuelle Verödung des Ortszentrums begünstigen. Das Desinteresse privater Investoren ist allerdings nur das sichtbare Symptom eines viel tiefer liegenden Wandels, der lokale wie globale, soziale und wirtschaftliche Dynamiken widerspiegelt.

Übergeordnete Fragestellungen
Ruggell hat sich in den letzten 25 Jahren markant verändert, sowohl im bebauten als auch im landschaftlichen Gefüge. Es kam zu einer unkoordinierten Verdichtung bestehender Parzellen, zu einer starken Zunahme des motorisierten Verkehrs, zum Rückgang der Artenvielfalt, zum allmählichen Verschwinden landwirtschaftlicher Betriebe sowie zum massiven Wachstum internationaler Firmenstandorte und Arbeitsplätze – etwa 2000 Beschäftigte bei einer Wohnbevölkerung von lediglich 2500 Einwohner*innen.

Gelegen zwischen der Schweiz und Österreich, ist Ruggell heute ein exemplarisches Beispiel für die Auswirkungen globaler Dynamiken auf ehemals ländliche Räume. Die räumliche Entkopplung von historischem Zentrum und Gewerbezonen, die soziale Fragmentierung zwischen Wohnbevölkerung und Pendlern, die Überformung des Ortsgefüges, architektonischer Eklektizismus und mangelnde Qualität in öffentlichen (Zwischen-)Räumen verdeutlichen die Herausforderungen einer nicht gesteuerten Urbanisierung.

Vorgehensweise und Methodik
Vor diesem Hintergrund entwickelte die Fachgruppe für Städtebau und Raumentwicklung der Liechtenstein School of Architecture in Kooperation mit der Gemeinde Ruggell eine Semesteraufgabe im Rahmen ihrer Entwurfsstudioreihe «Postfossil Neighbourhoods». Die Studierenden konnten sich in einem realen und engagierten Kontext mit aktuellen ortsbaulichen Herausforderungen auseinandersetzen. Das Projekt ist Teil des Programms WTT – Wissens- und Technologietransfer der Universität Liechtenstein, das auf innovative Weise Forschung, Lehre und kommunale Praxis miteinander verbindet.

In diesem Prozess erarbeiteten die Studierenden visionäre Zukunftsszenarien auf der Grundlage konkreter Problemstellungen. Die Gemeinde erhielt wertvolle Impulse zur Weiterentwicklung ihres Territoriums, und die Universität verankerte ihre Lehre in einem lebendigen sozialpolitischen Umfeld.

Den Abschluss des Semesters bildete im Juli 2025 eine öffentliche Ausstellung in Ruggell, die über 100 Besuch*innen anzog. Die Rückmeldungen waren zahlreich, wertschätzend und ermutigend. Die Zusammenarbeit hat deutlich gezeigt, wie das Interesse der Gemeinden und der Bevölkerung an partizipativer angewandter Forschung wächst – und wie tragfähig die Brücke zwischen Theorie und Praxis, Lehre und Beruf, Gegenwart und Zukunft sein kann.

Ergebnisse und Fazit
Die Projekte sind das Ergebnis intensiver Arbeit im Zeitraum von Februar bis Mai 2025. Trotz unterschiedlicher Herangehensweisen greifen alle Projekte zentrale Zukunftsfragen auf, die weit über das Thema Innenverdichtung hinausgehen. Im Zentrum standen der urbane Klimaschutz, die Aufwertung grüner Freiräume und die Entwicklung neuer Synergien zwischen gebautem Raum und produktiven Landschaften wie etwa Obstgärten. Die Studierenden setzten sich nicht nur mit quantitativen Aspekten auseinander, sondern legten besonderes Augenmerk auf qualitative Kriterien – etwa in der architektonischen Gestaltung, der Verwendung biobasierter Materialien oder dem Verzicht auf Untergeschosse zur Schonung des Grundwassers.

Sie konnten eindrucksvoll zeigen, dass Frugalität nicht Verzicht bedeutet, sondern als kraftvolles Instrument urbaner Transformation dienen kann. Nicht durch das ständige Hinzufügen neuer Infrastrukturen, sondern durch die Schaffung von Sinn, Kohärenz und räumlicher Qualität.

In einem Dorf, das sich zunehmend in eine Agglomeration verwandelt, aber in dem sich die Menschen noch mit einem herzlichen «Hoi!» begrüssen, eröffnen diese Projekte konkrete Perspektiven für eine nachhaltige, sorgfältige und zutiefst menschliche Zukunft.

Im Sommersemester 2025 nahmen 20 Studierende am Advanced Studio teil. Sie kamen aus Liechtenstein, Österreich, Deutschland sowie aus weiteren Ländern wie Ägypten, Grossbritannien, Georgien, Rumänien und Mexiko. Die internationale Zusammensetzung förderte den interkulturellen Austausch im Studio und spiegelte sich in der Vielfalt der entwickelten Szenarien wider.

Das Projekt der Universität Liechtenstein School of Architecture wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2025 in der Kategorie Next Generation eingereicht und von Nina Farhumand publiziert.

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