Before And After Sand – ein Rohstoff im Fokus
Was kostet uns der Sand unter unseren Füssen? Die Ausstellung – zu sehen bis zum 28. August 2025 im Gewerbemuseum Winterthur – hinterfragt die Rolle eines unscheinbaren Materials, das längst zum globalen Konfliktstoff geworden ist. Jährlich werden weltweit über fünfzig Milliarden Tonnen Sand und Kies verbaut – mit weitreichenden Folgen für Ökosysteme, Landschaften und gesellschaftliche Strukturen.

Sand ist zum zweitmeist verbrauchten Rohstoff der Welt geworden – mit drastischen Folgen. | Foto © Material Cultures
Kuratorisches Konzept
Die Ausstellung Before and After Sand zeigt, wie stark unser Alltag vom Material Sand abhängt – und wie blind wir oft mit ihm umgehen. Sie fragt nach Herkunft, Abbau und Alternativen. Sie legt offen, woher der Sand stammt, wer ihn gewinnt und wer davon profitiert. Besucher"innen begegnen Flusssand, Quarzsand, Wüstensand, Recyclingsand – und erkennen: Sand ist nicht gleich Sand.
Das Werkstoffarchiv Sitterwerk und das Architekt*innenkollektiv Material Cultures haben die Ausstellung kuratiert. Sie führen ins englische Tyttenhanger, wo ein aktiver Sandsteinbruch seit Jahrzehnten die Region prägt. Ihre Untersuchung verknüpft Geologie mit Bauwirtschaft, Umweltfolgen mit politischen Fragen. Das Gewerbemuseum erweitert diesen Blick um Exponate aus Technik, Industrie und Forschung.

Jährlich verbaut die Bauindustrie weltweit über fünfzig Milliarden Tonnen Sand und Kies. | Foto © Material Cultures
Sand sehen, Sand verstehen
Künstlerische Arbeiten wie «Liquid Territories» von Monica Ursina Jäger machen die geopolitischen und ökologischen Spannungen sichtbar. Das Studio Eidola zeigt, wie sich vermeintliche Abfälle aus dem Sandabbau als Baumaterial nutzen lassen. Rückstände werden zu Ressourcen. Die Ausstellung denkt Stoffkreisläufe neu.
Der weltweite Sandabbau hat Folgen: Er zerstört Fluss- und Küstenökosysteme, lässt Grundwasserspiegel sinken und beschleunigt die Erosion ganzer Landstriche. In vielen Regionen floriert der illegale Handel mit Sand – oft verbunden mit Ausbeutung, Korruption und Gewalt. Lokale Gemeinschaften verlieren ihre Lebensgrundlage, während der globale Bau- und Technologiesektor immer mehr Nachschub verlangt. Die Schau macht diese Zusammenhänge sichtbar – und rückt eine unterschätzte Krise ins Zentrum der architektonischen Debatte.
Before and After Sand stellt nicht aus, es fordert heraus. Es fragt, wie Architektur mit Ressourcen umgehen will. Es zeigt, dass Gestaltung immer auch Verantwortung bedeutet. Wer hier durch die Räume geht, denkt anders über Material, Raum und Landschaft. Wer baut, muss wissen, was er verbaut.

Führung zur Mittagszeit – Geschichten von Sandnutzung und Sandraub
Kuratorisches Konzept mit Tiefgang
Die Ausstellung verzichtet auf einfache Antworten. Stattdessen verbindet sie Forschung, Gestaltung und künstlerische Praxis zu einem offenen Denkraum. Sie zwingt zum Hinschauen: auf die Spuren des Abbaus, auf die Lasten der Produktion, auf die Folgen des Verbrauchs. Architektur erscheint hier nicht als fertiges Objekt, sondern als Prozess – gebunden an Stoffe, Menschen und Territorien.
Neben den filmischen und installativen Arbeiten von Monica Ursina Jäger und dem Studio Eidola präsentiert die Ausstellung auch konkrete Materialbeispiele. Unter dem Mikroskop lassen sich Strukturen von Wüsten-, Fluss- und Bausand vergleichen. Natursand offenbart Holzreste, Muschelsplitter oder Mikroplastik. Auch der Einsatz von Sand in Mikroelektronik, Glas und Fräswerkzeugen wird sichtbar. Verfahren wie Sandstrahlen, Wasserstrahlschneiden oder Gussformen machen deutlich, wie tief der Stoff in industrielle Prozesse eingreift.
Before and After Sand trifft einen Nerv. Aus Sicht der Swiss-Arc-Redaktion setzt die Ausstellung ein starkes Zeichen: Sie macht den Umgang mit Material greifbar und politisch. Wer entwirft, plant oder baut, kann sich dieser Auseinandersetzung nicht entziehen.
Gewerbemuseum Winterthur
Before and After Sand
Ausstellung: Bis 24. August 2025
Ort: Kirchplatz 14, Winterthur
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10–17, Donnerstag 10–20 Uhr