Blut und Staub – Reststoffe werden zu neuen Werkstoffen

 

Veröffentlicht am 26. Juni 2024 von
Nina Farhumand

Können Reststoff aus der Bauindustrie, der Lebensmittelverarbeitung, der Textilproduktion oder der Tierhaltung Ressourcen der Zukunft sein? Und könnten sogar Stoffe wie Exkremente und Haare, Kohlendioxid und Feinstaub wiederverwertet werden? Die Ausstellung geht diesen Fragen nach und beleuchtet die Potenziale verschiedener Materialien im Kontext mehrerer Industriezweige. Sie zeigt auf, welche Abfälle, Reste und Nebenprodukte bei den Produktionen entstehen. Eine inspirierende Schau, die zum Nachdenken anregt.

Recycling zum Anfassen | Foto: Hans Schürmann

Recycling zum Anfassen | Foto: Hans Schürmann

Recycling zum Anfassen | Foto: Hans Schürmann
Alte Jeans zu Reissfasern verarbeitet mit 20 Prozent Anteil Neubaumwolle zu Garn versponnen .| Forschungsprojekt Texcircle Hochschule Luzern
Pulver und Schuhsohle: Altreifen zu Pulver zerkleinert und zu thermoplastischem Elastomer (TPE) verarbeitet. | Fotos: Nina Farhumand

Von Pfui zu Hui – neue Wege der Materialnutzung

Oft werden diese Materialien nicht wiederverwendet, sondern stattdessen verbrannt oder deponiert. Die Schau, kuratiert von Mario Pellin, stellt Recherchen, Hochschulprojekte und Herstellungsmethoden dar, die den Sprung in die Industrieproduktion geschafft haben. Ein Fokus liegt dabei auf Stoffen, die kulturell mit Ekel behaftet sind, und soll Akzeptanz für einen kreativen Umgang mit ihnen erreichen. Die Ausstellung präsentiert nicht nur Lösungsansätze für wiederverwendbare Materialien, sondern regt auch dazu an, das eigene Verhalten zu überdenken und zu hinterfragen, welche Materialien und Rohstoffe tatsächlich benötigt werden. Beton, Zement, Asphalt und Bauschutt können ebenfalls wiederverwendet werden. Die Begriffe aus dem Titel der Ausstellung: «Blut» steht für Abfälle aus der Lebensmittelindustrie und «Staub» für Bauschutt oder Industrieabfälle.

Porträt Kaiserin Eugéne de Montijo aus Bois Durci, Rinderblut und Edelholzspäne, circa 1859 | Foto: Nina Farhumand

Porträt Kaiserin Eugéne de Montijo aus Bois Durci, Rinderblut und Edelholzspäne, circa 1859 | Foto: Nina Farhumand

Porträt Kaiserin Eugéne de Montijo aus Bois Durci, Rinderblut und Edelholzspäne, circa 1859 | Foto: Nina Farhumand

Den Auftakt der Schau bildet ein Porträt der französischen Kaiserin Eugénie de Montijo, gefertigt aus Abfallprodukten der Fleisch- und Holzindustrie. Diese Abfälle wurden zu Bois Durci verarbeitet, einem im 19. Jahrhundert entwickelten Bio-Polymer. Bois Durci, französisch für gehärtetes Holz, besteht aus Rinderblut und Palisanderholzstaub. Dieses Material galt damals als innovativ, da es aus Reststoffen ein hochwertiges Produkt schuf.

Themen der Sonderschau

Tierische Abfälle: von Taschen bis Steckdosen

Abfälle der Lebensmittelindustrie: von Besteck bis Hocker

Bauschutt und Industrieabfälle: von Glasuren bis Isolationssteinen

Rohstoffe von lebenden Tieren: von Dämmstoffen bis Verbundwerkstoffen

Unsichtbare Stoffe, Umweltbelastung: von 3D-Druck-Filamenten bis Autoreifen

Ekel und Befremden: von Vasen bis Ölbindematten

Innovation und Forschung: von Kunststoffbeschichtungen bis Textilien und Klebstoff

Innovation und Forschung | Foto: Hans Schürmann

Innovation und Forschung | Foto: Hans Schürmann

Innovation und Forschung | Foto: Hans Schürmann
Geschirr: Kuhmist, Agrarabfälle und Lehm werden im Keramikofen gebrannt.
| Fotos: Nina Farhumand
Jedes Jahr werden weltweit 30 Millionen Tonnen Haare verbrannt. | Foto: Nina Farhumand

Jedes Jahr werden weltweit 30 Millionen Tonnen Haare verbrannt. | Foto: Nina Farhumand

Jedes Jahr werden weltweit 30 Millionen Tonnen Haare verbrannt. | Foto: Nina Farhumand

Es sieht aus wie ein Büschelhaar, ist aber eine innovative Dämmplatte für die Wand. Haare vom Hairstylisten sollen nun nachhaltig recycelt werden. Die Platte und weitere nachhaltige Ideen sind in der Sonderschau zu sehen. Jährlich werden bis zu 30 Millionen Kilogramm Haare verbrannt. Haare sind ein natürlicher CO2-Speicher. Bei der Verbrennung wird pro Tonne Haar eine Tonne CO2 freigesetzt. Auch können Haare auch für Ölbindematten in Autos verwendet werden, da Menschenhaar im Gegensatz zu Tierhaar Öl gut absorbiert. Das Projekt «Recup Hair» sammelt bei 600 Coiffeursalons monatlich rund eine Tonne Haare für die Weiterverarbeitung zu Matten ein.

Recycling zum Anfassen

Die Ausstellung ist ein faszinierendes Erlebnis für Jung und Alt. Sie lädt dazu ein, sich mit Themen zu beschäftigen, die oft im Alltag übersehen werden. Besonders beeindruckend ist der kreative und innovative Ansatz, vermeintliche Abfälle in wertvolle Ressourcen umzuwandeln. Die Exponate und Informationstafeln regen dazu an, die eigenen Vorstellungen von Abfall und Recycling zu überdenken und Möglichkeiten für eine nachhaltigere Zukunft zu erkennen. Im grosszügigen Atelier des Materiallabors können Besucher*innen selbst basteln, werkeln und experimentieren.

Die Schau zeigt eine wertschätzende Nutzung von Abfallstoffen – sind dies die Rohstoffe von morgen?
Atelier des Materiallabors | Fotos: Nina Farhumand
Blick in die Ausstellung | Video: Nina Farhumand

Gewerbemuseum Winterthur

Blut und Staub – Reststoffe werden zu neuen Rohstoffen

Ausstellung: Bis 1. September 2024

Ort: Kirchplatz 14, Winterthur

Öffnungszeiten: Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr

Weitere Informationen
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