Hot Questions. Cold Storage – wenn die Sammlung zu fragen beginnt

 

Veröffentlicht am 25. November 2025 von
Nina Farhumand

Was kann Architektur – und was kann eine Sammlung? Die Dauerausstellung untersucht das Verhältnis zwischen gebauter Umwelt und gesellschaftlicher Verantwortung. Sieben Fragen bilden den Rahmen für eine kritische Sicht auf die österreichische Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts – als offenes Archiv, das sich mit neuen Perspektiven fortlaufend erweitert. So wird das Museum zu einem Ort des Nachdenkens über Architektur im Wandel der Zeit.

Nina Farhumand

Die Ausstellung verknüpft österreichische Architektur mit Fragen zu Stadt, Gesellschaft und Klima. | Foto: Nina Farhumand

Die Ausstellung verknüpft österreichische Architektur mit Fragen zu Stadt, Gesellschaft und Klima. | Foto: Nina Farhumand

Das Archiv fragt zurück

Bei unserem Besuch in Wien wird deutlich, wie das Architekturzentrum seine Sammlung als Werkzeug des Fragens nutzt – und damit den Blick zurück auf die Disziplin selbst richtet. Das Az W ist das einzige Museum in Österreich, das ausschliesslich der Architektur gewidmet ist. Mit Hot Questions. Cold Storage ersetzt es die frühere Dauerausstellung a_schau (2004–2021), die das österreichische Baugeschehen chronologisch erzählte. Nun öffnet sich die Perspektive: Statt einer linearen Geschichte entsteht eine räumliche Erzählung, die sich aus Fragmenten zusammensetzt – aus Plänen, Modellen, Fotografien, Textilien, Möbeln und Filmausschnitten. Die Objekte stehen nicht isoliert, sondern treten in Dialog miteinander. Sie bilden einen Denkraum, der Architektur als gesellschaftlichen Prozess begreift.

Kuratiert wurde die Schau von Angelika Fitz und Monika Platzer. Sie rücken die Sammlung ins Zentrum und öffnen mit dem Cold Storage ein Fenster zum sonst verborgenen Depot – als Teil einer Praxis, die das Sammeln als fortlaufendes Denken versteht.

Im Themenfeld «Wie überleben wir?» verknüpft die Schau ökologische Verantwortung mit neuen Formen des Bauens. | Foto: Nina Farhumand
Blick in den Themenbereich «Kapital» der Schausammlung. Die Frage «Who shapes the city?» verknüpft ökonomische und politische Perspektiven mit räumlichen Prozessen. | Foto: Nina Farhumand

Architekturgeschichte im Fluss

Jedes Kapitel folgt einer eigenen Darstellung. Manche Zonen wirken konzentriert und archivarisch, andere offen und dialogisch. In «Kapital» verdichten sich ökonomische Zusammenhänge und stadtpolitische Spannungen, während «Gemeinwohl» soziale Wohnformen, partizipative Modelle und Selbstorganisation thematisiert. «Selbstschau» beleuchtet nationale Identität und kulturelle Selbstbilder, «Bausteine» untersucht die Produktionsbedingungen von Architektur – vom Werkzeug über den Entwurfsprozess bis zu den Materialien. Die letzte Frage, «Wie überleben wir?», richtet den Blick auf ökologische Verantwortung und die Zukunft des Bauens.

Der Cold Storage im Architekturzentrum Wien: Ein offenes Regalsystem zeigt Modelle und Pläne aus der Sammlung und macht den Prozess des Sammelns zum Teil der Ausstellung. | Foto: Lisa Rastl

Der Cold Storage im Architekturzentrum Wien: Ein offenes Regalsystem zeigt Modelle und Pläne aus der Sammlung und macht den Prozess des Sammelns zum Teil der Ausstellung. | Foto: Lisa Rastl

Der Cold Storage im Architekturzentrum Wien: Ein offenes Regalsystem zeigt Modelle und Pläne aus der Sammlung und macht den Prozess des Sammelns zum Teil der Ausstellung. | Foto: Lisa Rastl

Szenografie als offenes System

Die Szenografie der Büros tracing spaces und seite zwei lässt Raum für Bewegung und Denken. Zwischen Gerüsten, Farbflächen und Schichtungen entsteht kein dekorativer Rahmen, sondern ein System von Beziehungen. Wege kreuzen sich, Blickachsen öffnen neue Bezüge zwischen Objekten und Themen. Die Materialien – Stahl, Stoff, transluzente Flächen – wirken funktional und zugleich bewusst provisorisch, als wolle die Ausstellung den eigenen Prozess sichtbar machen. Nichts wirkt abgeschlossen; die Räume bleiben in Spannung. Das Gewölbe der ehemaligen Industriehalle antwortet auf diese Offenheit. Es trägt die Szenografie, ohne sie zu dominieren, und verleiht ihr jene Tiefe, die den Diskursraum der Ausstellung erweitert. So wird das Museum selbst zu einem Medium, das fragt, verknüpft und weiterschreibt.

«Bausteine» zeigt Werkzeuge, Materialien und Denkprozesse, die der Architektur zugrunde liegen.
Im Themenfeld «Selbstschau» geht es um Identität und Repräsentation in der Architektur.

Raum als Denkfigur

Bei unserem Rundgang fällt auf, wie eng die räumliche Dramaturgie mit der inhaltlichen Gliederung verknüpft ist. Jede Farbe steht für ein Thema, ohne plakativ zu wirken: leuchtendes Rot für «Kapital», tiefes Blau für «Gemeinwohl», kräftiges Gelb für «Bausteine». Diese visuelle Ordnung schafft Orientierung, ohne Eindeutigkeit zu behaupten. Über den Köpfen schweben neonfarbene Fragen – «Wer macht Stadt?», «Wie überleben wir?» – als Leitsätze, die sich durch alle Räume ziehen und das Denken im Gehen begleiten.

Die Lichtführung bleibt zurückhaltend, fast sachlich; nichts lenkt von den Exponaten ab, und doch entsteht eine dichte Atmosphäre. In der Kombination aus Struktur und Offenheit, Farbe und Zurückhaltung liegt die eigentliche Stärke dieser Gestaltung: Sie macht das räumliche Erleben selbst zum Teil der Argumentation. Der Raum vermittelt nicht bloss Inhalte, er denkt mit – als physische Figur des Fragens. Für uns als Redaktion wird hier spürbar, wie das Az W Gestaltung als Teil seines Denkraums begreift.

gaupenraub +/–, VinziRast am Land, Alland, Niederösterreich, 2019–2022 | Foto: Alexander Hagner © gaupenraub +/–

gaupenraub +/–, VinziRast am Land, Alland, Niederösterreich, 2019–2022 | Foto: Alexander Hagner © gaupenraub +/–

gaupenraub +/–, VinziRast am Land, Alland, Niederösterreich, 2019–2022 | Foto: Alexander Hagner © gaupenraub +/–
Architektin Anna Heringer, Birth Room, 2020, Grundriss, Linolschnitt | Plan © Architekturzentrum Wien, Sammlung
Architekten Adolf Krischanitz, Otto Steidle, Herzog & de Meuron, Wohnsiedlung Pilotengasse, Wien, 1987–1992, Modell Bauteil Krischanitz | Modell © Architekturzentrum Wien, Sammlung

Für uns als Redaktion wird hier spürbar, wie das Az W Gestaltung als Teil seines Denkraums begreift – nicht als ästhetische Veredelung, sondern als Argument. Man bewegt sich nicht durch eine Abfolge von Räumen, sondern durch eine Serie von Fragen, die das Denken über Architektur permanent in Bewegung halten.

Architekturzentrum Wien

Hot Questions. Cold Storage

Ausstellung: Dauerausstellung

Ort: Museumsplatz 1, Wien

Öffnungszeiten: Täglich 10–19 Uhr

Weitere Informationen
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