Napoli Super Modern

 

Veröffentlicht am 24. Mai 2022 von
Nina Farhumand

Das S AM Schweizerisches Architekturmuseum zeigt die Ausstellung «Napoli Super Modern». In der Ausstellung wird der Blick auf eine Serie von modernen Gebäuden Neapels gelenkt, die im heterogenen urbanen Kontext Neapels häufig übersehen werden.

Hochhaus der Società Cattolica Assicurazioni aus der Bildserie zu Neapel ©Cyrille Weiner

Hochhaus der Società Cattolica Assicurazioni aus der Bildserie zu Neapel ©Cyrille Weiner

Hochhaus der Società Cattolica Assicurazioni aus der Bildserie zu Neapel ©Cyrille Weiner

Moderne Gebäude Neapels aus dem Zeitraum 1930-1960

Alle scheinen Neapel zu kennen, auch diejenigen, die noch nie dort gewesen sind: ihre Lage, ihre Geräusche, ihre Menschen, ihre Geschmäcker, ihre Informalität und nicht zuletzt die Geschichten, die von der Leidenschaft der Bewohner*innen dieser Stadt geprägt sind. So zahlreich, wie diese Narrative in Literatur, Musik oder Film aufscheinen, überlagern sich auch in der Architektur der Stadt unzählige Geschichten über Epochen, Baustile und Nutzungen. Um nicht verleitet zu werden, sich Stereotypen hinzugeben, braucht es Erzähler*innen, die diese reizvolle Kakofonie entschlüsseln helfen.

Bild aus dem Film «Homo Urbanus Neapolitanus» ©Bêka & Lemoine

Bild aus dem Film «Homo Urbanus Neapolitanus» ©Bêka & Lemoine

Bild aus dem Film «Homo Urbanus Neapolitanus» ©Bêka & Lemoine

Diese Aufgabe hat in der Ausstellung «Napoli Super Modern» das Pariser Büro LAN (Benoit Jallon und Umberto Napolitano) übernommen. In der gleichnamigen Recherche lenken sie und der Fotograf Cyrille Weiner den Blick auf eine Serie von modernen Gebäuden, die im heterogenen urbanen Kontext Neapels häufig übersehen werden. Projekte aus dem Zeitraum 1930-1960, einer Epoche, die zwar geprägt ist von Faschismus und dem Wiederaufbau der Nachkriegszeit, aber gerade in Neapel auch eine stark auf den Kontext reagierende Form der Moderne hervorgebracht hat.

S AM Ausstellungsfoto © Tom Bisig

S AM Ausstellungsfoto © Tom Bisig

S AM Ausstellungsfoto © Tom Bisig

Was zeigt die Ausstellung?

Ausgehend von der Recherchearbeit die das Büro LAN zu «Napoli Super Modern» (Park Books, 2020) geführt hat, werden die Erkenntnisse der Publikation aufgearbeitet mit der Absicht, die architektonischen und städtebaulichen Aspekte der Metropole Napoli einem breiten Publikum zu vermitteln. Ergänzt werden sie durch bildhafte und publikumsnahe Medien. Im Zentrum stehen dabei nicht nur die reichhaltigen Illustrationen des Pariser Architekturbüros LAN, sondern auch die analytische Bildserie die der Fotograf Cyrille Weiner erstellt hat. Das S AM vertraut seine Besucher*innen diesen besonderen «Stadtführer*innen» an. Die von LAN ausgesuchten Projekte sind nicht nur solche, die das Büro beeinflusst haben, sondern auch Gebäude, die man bei einem Neapelbesuch leicht übersehen könnte.

S AM Ausstellungsfoto © Tom Bisig

S AM Ausstellungsfoto © Tom Bisig

S AM Ausstellungsfoto © Tom Bisig

Die Ausstellung wird in Raum 1 mit einer Einführung in die Geschichte der Stadt von 1930-1960 eingeleitet, um den gesellschaftlichen und ökonomischen Kontext dieser Zeitepoche zu vermittelt. Vis-à-vis davon hebt eine grosse Karte die Bautätigkeit dieser Epoche im grösseren Kontext Neapels hervor. Einen wichtigen Part der Ausstellung nimmt zudem der italienische Film «Le mani sulla città» (Hände über der Stadt) von Francesco Rosi aus dem Jahr 1963 ein. Der im S AM gezeigte Ausschnitt denunziert die politische Korruption und die Immobilienspekulation im Neapel der Nachkriegszeit.

Fünf thematische Gruppen – Form, Sprache, Begrenzung, Funktion und Natur

Die Ausstellung ordnet diese Projekte fünf thematischen Gruppen zu – das Fortbestehen der Stadt bezüglich Form, Sprache, Begrenzung, Funktion, Natur. Durch diesen Schlüssel werden wichtige Aspekte und gemeinsamen Nenner der ausgewählten Projekte vermittelt.

50-minütige Film «Homo Urbanus Neapolitanus» ©Bêka & Lemoine

50-minütige Film «Homo Urbanus Neapolitanus» ©Bêka & Lemoine

50-minütige Film «Homo Urbanus Neapolitanus» ©Bêka & Lemoine

Ein Zusammenspiel aus Illustration und Fotografie

Die Szenografie unterteilt diesen Bereich der Ausstellung in Räume. Dies nicht durch statische Wände, sondern durch das Einziehen von textilen Elementen. So entsteht eine «enfilade», die den Gang durch die Ausstellung, ähnlich wie in einem neapolitanischen Palazzo, gliedert. Durch ihre Leichtigkeit sind diese Vorhänge ständig leicht in Bewegung, was auf die mediterane Stimmung in Neapel anspielt. Vollflächige Drucke auf den Vorderseiten der Textilien zeigen den Kontext der Gebäude und somit eine Serie von Stadtbildern, die uns wie bei einem Besuch der realen Stadt in Empfang nehmen. Innerhalb dieser Räume liegt der Fokus auf einem Zusammenspiel aus Illustration und der Fotografie von Cyrille Weiner. Die Ausstellung experimentiert zudem mit Architekturmodellen: diese bilden nicht als freistehende Objekte ihr Original gesamthaft nach, sondern geben die Fassaden der einzelnen Gebäude plastisch als eine Art Relief wieder.

Diese Sequenz an Stadträumen verdichtet sich zunehmend – unter anderem auch akustisch – und führt die Besucher*innen schliesslich in die Mitte einer urbanen Kakofonie in Raum 4. Dort leitet der 50-minütige Film «Homo Urbanus Neapolitanus» des französischen Duos Bêka & Lemoine den Betrachtenden von der Strandpromenade über die engen Gassen der Altstadt bis auf den Vesuv und vermittelt somit den intensiv gelebten öffentlichen Raum zwischen der in der Ausstellung präsentierten Architektur und ihrer unerwarteten Nutzung. Die eindrucksreichen Stadtportraits in diesem Film ermöglichen es den Besuchenden auf ihrem Rückweg die Projekte und Themen der Ausstellung aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen.

S AM Schweizerisches Architekturmuseum

«Napoli Super Modern»

Ausstellung vom 12. Mai bis 21. August 2022

Ausstellungsort: Steinenberg 7, 4051 Basel

Öffnungszeiten: Di/Mi/Fr 11–18 Uhr, Do 11–20:30 Uhr, Sa/So 11–17 Uhr

Weitere Informationen finden Sie unter: sam-basel.org

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