Ersatzneubau Blauenstrasse

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4054 Basel,
Schweiz

Veröffentlicht am 07. Oktober 2020
Raeto Studer Architekten GmbH
Teilnahme am Swiss Arc Award 2021

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Blauenstrasse 56, 4054 Basel, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
08.2018

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
6 bis 10
Anzahl Kellergeschosse
1
Anzahl Wohnungen
3
Grundstücksfläche
187 m²
Geschossfläche
555 m²
Gebäudevolumen
1630 m³

Beschreibung

Vertikale Verdichtung innerhalb einer blockrandigen Mehrfamilienhäuserzeile in Basel. Der Ersatzneubau organisiert in der städtischen Baulücke ein ausgeklügeltes Wohngefüge mit differenziert agierenden Raumschichten. 

Ausgangslage

Das Gotthelfquartier ist seit Langem eines der beliebtesten Wohnquartiere in Basel. Ab Ende des 19. respektive anfangs des 20. Jahrhunderts wurde an der Allschwilerstrasse und der Ahornstrasse so rege gebaut, dass diese bald von geschlossenen Häuserzeilen gesäumt wurden.
Die Attraktivität dieses Quartiers liegt in der ausserordentlichen Lebens- und Wohnqualität. Diese zeichnet sich durch die ausgezeichneten Schulen, den polysportiven Anlagen, den Parkanlagen, einem vielseitigen Angebot an Läden sowie den guten Anbindungen ans Zentrum, ÖV-Netz, zum Bahnhof SBB/SNCF sowie zum Flughafen aus.

Entwurfsidee

Die Blauenstrasse ist eine nordsüdorientierte Strasse, an welcher zweigeschossige Reihenhäuser aus der Gründerzeit sowie neuzeitliche Mehrfamilienhäuser liegen. Das Grundstück erwies sich als grosse Herausforderung in Bezug auf eine erwünschte effektive Verdichtung innerhalb der zweigeschossigen Wohnzone, stets unter den Prämissen des Bauens für die Generation der Golden-Agers, des Baurechtes, der rechtsgültigen Normen und Vorschriften, dem Verwenden von ökologischen Baustoffen ohne eine mehrstellige Rendite generieren zu müssen.
Die Konklusion aus diesen Parametern beschrieb einen Ersatzneubau: ein vielschichtiges Wohngefüge, welches über eine Kapazität von insgesamt drei Maisonette-Wohnungen verfügt. Der Ersatzneubau nutzt die Baulücke so dass sie den neuen Wohnraum vertikal verdichtet und die Situation dadurch raumplanerisch optimiert. Ein zusätzliches Untergeschoss organisiert die benötigten Kellerräume. Dadurch funktioniert die ursprünglich unterste Ebene neu wie ein Sockelgeschoss, welches die hofseitige Terrainabsenkung und mithin zusätzliche Möglichkeiten bei der Raumgestaltung zulässt.

Projektierung

Das neue Mehrfamilienhaus zeigt sich kontextuell und nachhallend im Erscheinen. Durch seine prägnante aussergewöhnliche Gestalt hebt es sich optisch von den Nachbarbauten ab und bildet einen wohlwollenden Kontrast zur hier vorherrschenden Quartiersarchitektur der späten Gründerzeit. Dass der Bau, was er innen an Raumgefüge akribisch und streng auslotet, aussen in einem verspielten und leicht schwebend anmutenden Stil ausdrückt, ist das Wundersame an diesem Gebäude.
Bis der vielschichtige Wohnkörper realisiert werden konnte, standen sich unterschiedliche Lösungsvorschläge gegenüber. Die möglichen Szenarien reichten von der Pinselsanierung bis zum Abbruch der bestehenden Liegenschaft. Während der intensiven Auseinandersetzung stellte sich immer mehr heraus, dass die Wohnungen letztlich mehr Wertigkeit generieren, wenn sie das Besondere bieten. Hinzu kam, dass baurechtliche Bestimmungen und strategische Überlegungen die Lösung eines Ersatzneubaus begünstigten. Das vorgeschlagene Konzept erlaubte eine Substanz, welche die Baulücke so nutzt, dass sie den neuen Wohnraum vertikal verdichtet und die Situation dadurch raumplanerisch optimiert – mithin eine Intention, die bei den Behörden von Beginn weg auf offene Ohren stiess.
Mit einer Kapazität von insgesamt drei Maisonette-Wohnungen verortet sich der Neubau an der Strasse. Vorhandene Alleen und das Grün der Vorgärten und Innenhöfe verstärken die ruhige Erscheinung dieser beliebten Wohngegend.

Realisierung

Wie der Vorgängerbau auch übernimmt der neue Baukörper strassenseitig die Blockrandflucht der beiden Nachbarbauten. Er darf sich sogar mit seiner Sichtbetonfassade respektive Konstruktionsschicht um die Stärke der Innendämmung vor die angrenzenden Fassaden, also vor die Baulinie setzen.
Ein weiteres Novum ist das zusätzliche Untergeschoss, das sich in den Bereich der Unterfangungen einschreibt und den benötigten Platz für weitere Kellerräume bietet. Dadurch funktioniert die ursprünglich unterste Ebene neu wie ein Sockelgeschoss, welches die hofseitige Terrainabsenkung zulässt. Es eröffnen sich so zusätzliche Möglichkeiten bei der Raumgestaltung. Insbesondere ergibt es dem Schlafbereich einen dem Hof anliegenden Vorbereich mit eigener Qualität und – wie dem Treppenhaus – natürliches Licht. Dieses eingefangene ruhige Hoflicht, welches dafür sorgt, dass die Äste der Bäume den Ankommenden schon mal – je nach Tages- und Jahreszeit – bläulich durchs Glas entgegenschimmern.
Überhaupt herrscht hier eine sakrale, kontemplative Atmosphäre auf dem Gang, der das gesamte Gebäude durchsticht. Das fängt mit dem unscheinbar angelegten Zutritt an, mit dem hohen und schmalen Eingangsportal, hinter dem der lange Gang auf das Fenster am anderen Ende zuhält. Auf dem Weg durchs Gebäude ist die gesamte Anlage spürbar und die Raumschichtung – sowohl das Bestehende als auch das Neue – haptisch erlebbar.

Besonderheiten

So steht der Baukörper etwas konstruktiv entkoppelt von den Nachbarbauten auf roh belassenen Stützen, welche vor den stehengelassenen, nun verputzten Brandwänden die Lasten abfangen, auch im Treppenhaus. Die dort zum Einsatz kommende viertelgewendelte Treppe trotzt den reduzierten Platzverhältnissen und reizt die gesetzlichen Bestimmungen aus. Das Projekt beinhaltet viele solcher akribisch ausformulierten Teile, die allesamt von der beharrlichen Auseinandersetzung mit dem Ort, der baurechtlichen Situation und mit den Bedürfnissen des Bauherrn erzählen. Ein Grund auch, weshalb die drei Maisonette-Einheiten über unterschiedliche Qualitäten und Eigenheiten verfügen.
Die internen Treppen passen sich jeweils mit unterschiedlichen Positionen in die angelegten Grundrisse ein. Die Haupträume verhalten sich differenziert gegenüber beiden Seiten, der Hof- und der Strassenseite. So mäandriert etwa die Wohnflucht strassenseitig mittels Erker. Diese vorspringenden Elemente beleben die städtische Kante des Blockrandes und lassen einzelne Wohnpunkte bewusst in den Dialog mit dem Strassenraum treten.
Die Gartenwohnung partizipiert mit dem Hof mittels Zugängen vom Ess- wie auch darunter liegenden Schlafbereich. Durch die Abgrabung erhält dieser einen Vorplatz, ausgestattet mit Pflanzenstufen hinauf in den Hofraum und zu einer Kiesfläche. Ein sinnlicher meditativer Anblick, der dem Zimmer zusätzlich Ruhe und Geborgenheit verleiht. Das schmale Volumen wirkt wie ein beinahe kindlich durcheinander modifizierter, bearbeiteter Monolith. Eine verspielte Komposition aus Einschnitten, geschlossenen und offenen Flächen, scheinbar expressionistisch wie eine Collage, in der sich entfaltet, was sich innen an vertikal verdichtetem Raum aufstapelt. Ein Haus, das von einem tiefgründigen architektonischen Bewusstsein zeugt, mit viel Gespür und Beharrlichkeit für das Ausloten des möglichen Raumgefüges und der konsequenten Bearbeitung der daran anknüpfenden Details.

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