Kopfbau Halle 118

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8400 Winterthur,
Schweiz

Veröffentlicht am 07. Oktober 2021
baubüro in situ ag
Teilnahme am Swiss Arc Award 2022

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Lagerplatz, 8400 Winterthur, Schweiz
Fertigstellung
01.2021
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
6 bis 10
Geschossfläche
1534 m²
Nutzfläche
1100 m²
Gebäudevolumen
5809 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
5,3 Mio. CHF

Beschreibung

Auf dem Winterthurer Sulzerareal erstellte die Stiftung Abendrot einen im wiederverwendeten Profilblechkleid rot schimmernden Leuchtturm für klimagerechtes und nachhaltiges Bauen. Die Aufstockung des Kopfbaus der Halle 118 für 12 Ateliers, Denkstuben und ein Tüftler-Labor im Erdgeschoss erfolgte mehrheitlich aus gebrauchtem Baumaterial.

«Alle Dinge, die schon da sind plus Holz, Stroh und Lehm»

Radikal formuliert, stehen für klimagerechte Bauweisen diese Stoffe zur Verfügung. Wegen grosser Fortschritte im Gebäudebetrieb verantwortet die Erstellung heute drei Viertel der Emissionen im Leben eines Gebäudes. Für den K.118 wurde der Fokus auf die Reduktion dieser grauen Energie gelegt: 60 Prozent der Treibhausgas-Emissionen und 500 Tonnen Primärmaterialien konnten im Vergleich zu neuen Bauteilen eingespart werden.

Im Pilotprojekt hat sich schnell gezeigt, dass zirkulär Bauen in Schlaufen zu denken heisst: Ausgehend von verfügbaren Bauteilen dreht sich der Planungsprozess um: Er folgt sich bietenden Gelegenheiten und beginnt mit dem Finden von Material. Auf die Auswahl folgt Katalogisieren: Um Bauteile wiedereinzusetzen, brauchen wir Informationen und eine genaue Vorstellung der Anforderungen und Einbaumöglichkeiten. So entsteht entlang der gewohnten Planungsphasen in einem ständigen Abwägen, Prüfen und Entscheiden der Entwurf:
Ein Stahlskelett, das einst eine Verteilzentrale auf dem Lysbüchelareal in Basel stützte, bildet die Tragstruktur. Beton wurde nur so schlank wie nötig und nur dort eingesetzt, wo es statisch oder für Schall und Brandschutz unvermeidlich ist: Bei Geschossdecken, Kammerbetonstützen und in der Fundation. Erschlossen werden die drei neu auf die Halle aufgesetzten Geschosse durch die Stahlaussentreppe vom abgebrochenen Bürogebäude Orion in Zürich. Die Treppenpodeste geben die Geschosshöhen vor. Vom Gebäude Orion stammen auch die Granitfassaden, welche neu zu Plattenbelägen in Küchen, WC und auf den Balkonlauben umfunktioniert wurden sowie die Mehrzahl der Aluminium-Isolierfenster. Mit dem umgebenden roten Fassadenblech aus Winterthur schützen sie vor der Witterung und zeichnen das Gesicht des Gebäudes. Fassadenblech und die zu Kastenfenstern aufgedoppelten, geschosshohen Industriefenster aus dem benachbarten Sulzer Werk 1 prägen so weiterhin das Winterthurer Stadtbild.

Da Material und projektierte Elemente in keinem geometrischen Zusammenhang stehen, muss notwendiger Spielraum geschaffen werden: Sind Elemente und Funktionen in Schichten entkoppelt, können sie sich überplappen und ihren eigenen Regeln folgen. Die geschuppte Fassade und die sichtbaren Tragstrukturen im K.118 verdeutlichen das. Wiederverwendete mit anpassbaren Materialien zu umgeben, ist ein anderer Weg: In den vorgefertigten Fassadenelementen aus Holz füllt verschnittfreie Gefachdämmung aus Strohballen und Innenverputz aus örtlichem Aushublehm den Raum um die wiedereingebauten Fenster. Mit minimalem Energieaufwand verarbeitet, bleiben diese natürliche «Materiali poveri» kompostierbar und sorgen für ein angenehmes Raumklima. Innenwände aus Holz nehmen wiederverwendente Türen und gebrauchte Dreischichtplatten aus dem Bühnenbau auf und punkten mit ihrer Anpassungsfähigkeit genauso wie Massivholz-Fussböden oder die Dachelemente eines Holzbauprovisoriums. Verleimte Holzwerkstoffe und Elemente eignen sich besonders für mehrmaligen Einsatz oder verlangen danach., Ihre Klimafreundlichkeit zeigt sich wegen Klebstoffen weit weniger positiv, als von Holz erwartet wird.

Während die Kohlendioxid-Emissionen im Bau mehr als halbiert werden konnten, blieben die Kosten im Rahmen des KV für einen gleichartigen Neubau. Mit dem Unterschied, dass der überwiegende Teil der Ausgaben direkt in die Wertschöpfung der beteiligten Handwerksunternehmen floss, weil das günstige Re-Use-Material 2 bis zum Einbau einige Handarbeit und Fachkenntnisse erfordet. Nachhaltigkeit auch für die lokale Wirtschaft.

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