Schmitti Therwil

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4106 Therwil,
Schweiz

Veröffentlicht am 12. Oktober 2020
Buol & Zünd Architekten
Teilnahme am Swiss Arc Award 2022

Blick auf den Neubau Der grosszügige Laubengang mit Sitzbank in der grossen Fensternische neben dem Wohnungseingang. Rechts die Giebelseite der Taunerhäuser. Dachgeschoss des Taunerhauses mit den freigelegten Balken aus Tanne im Zusammenspiel mit den neuen Riemenböden aus Eschenholz. Blick auf den Neubau mit dem breiten Laubengang zur Nordseite mit grosszügigen Fensteröffnungen. Im Vordergrund die alte Schmitti und rechts angeschnitten die Eingangsfassaden der beiden Taunerhäuser. Stube im Taunerhaus mit altem Kachelofen und Zimmertüren, die den originalen nachempfunden sind. Blick in die Küche mit Schrank und Flur (links). Blick auf das Taunerhaus und den Neubau Grosse 3 1/2-Zimmer-Dachwohnung im Neubau: Blick vom Wohnzimmer  in die grosse Wohnküche (angeschnitten die blaue Küchenzeile) mit geöltem Parkettboden aus Eschenholz.

Projektdaten

Basisdaten

Projektkategorie
Fertigstellung
01.2019
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
3 bis 5
Anzahl Kellergeschosse
1
Anzahl Wohnungen
12
Grundstücksfläche
1464 m²
Geschossfläche
2127 m²
Nutzfläche
1613 m²
Gebäudevolumen
6440 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
6,5 Mio. CHF
Parkplätze
14

Beschreibung

In der Baselbieter Gemeinde Therwil entstand, unter Belassung eines historischen Taunerhauses und in Ergänzung durch einen Neubau mit altersgerechten Wohnungen, ein in die Struktur und Wesen des historischen Dorfkerns eingefügtes Ensemble.

Ausgangslage

Viele Gebäude im gewachsenen Dorfkern entsprechen nicht den heutigen Anforderungen an Wohnungsbauten. Die Gefahr einer Entvölkerung der Kerne und einer unverhältnismässigen Verdichtung der Agglomeration ist im Baselbiet greifbar. Andererseits ist ein gewachsenes Ensemble auch auf überlieferte Zeitschichten angewiesen. Die Frage von Alt und Neu im Zusammenspiel wirft die Frage nach Brüchen und lokaler Bautradition auf. Unser Projekt beschäftigt sich daher nicht mit einer Reproduktion eines imaginären historischen Baus, sondern interpretiert lokale Bautradition auf zeitgemässe Art und Weise.

Entwurfsidee

Unter der Grundannahme des Schutzes des baufälligen Taunerhauses als Zeuge der ursprünglichen Bebauung wird ein geknickter, in Habitus und Gestalt zu den Volumen der Bauernhäuser affiner Baukörper in die Situation eingegossen. Die dort vorgesehenen altersgerechten Wohnungen sollen für eingesessene Gemeindebewohner als Alternative zum zu gross gewordenen Einfamilienhaus stehen. Die altersgerecht konzipierten Wohnungen werden über eine Wohnküche vom Aussenraum her betreten. Von hier entwickelt sich die kompakt organisierte Wohnung nach Südwesten und erschliesst über eine offene Raumdisposition mit angegliedertem Bad zwei bzw. drei grosszügige Zimmer. Diese differieren nur leicht in ihrer Grösse und lassen so verschiedene Konfigurationen von Wohn- und Schlafräumen zu. Diese einfache, klar gegliederte Grundrisstypologie referiert nicht nur auf typische Baselbieter Bauernhäuser, sondern bleibt aufgrund ihrer Kompakt- und Vertrautheit noch sehr lange von älteren Menschen handhabbar.
Der Bestand des Taunerhauses wird in seiner baulichen Struktur akzeptiert und zu zwei angebauten Häuser entwickelt. Die ehemalige zweigeschossige Tenne wird zur neuen Erschliessung und die ehemalige räumliche Struktur kann so belassen und ergänzt werden, was den Charme und die Raumeinteilung belässt und integral schützt.

Projektierung

Die Ausformung der entwerferischen Intensionen führen zu einem Spiel von Verwandtem und Neuem. So etwa wird das grosse Volumen des neuen Hauses mit einer Dachwohnung ausgestattet, die über die gemeinsame Laube erschlossen wird, welche gleichzeitig als Aussenräume für die Wohnungen dienen. Die ruhige und strukturierte Fassade ist mit vertikal angeordneten, sägerohen Holzbrettern bekleidet und anschliessend mit einer Schwedenfarbe gestrichen. Seine Differenz als Zeichen für die Nutzung als Wohnhaus schöpft sie aus einer leichten, einbeschriebenen, tektonischen Struktur die das Ganze gliedert und es als Volumen in der Situation verständlich macht. Diese Verfeinerung der bäuerischen Holzfassade leitet ihr Colorit aus den Farben der umgebenden Häuser ab.
Der Leitgedanke zur Entwicklung der Umbauten der Taunerhäuser stützt sich auf herkömmlichen und tradierten Bauweisen ab, die im Zusammenhang mit dem Bestand zu einem einzigartigen, zusammenhängenden Raumgefühl gefügt werden. Neben der handwerklichen Affinität zum Bestand wird konsequent eine Raumstimmung gesucht, welche die Atmosphäre des Bestandes stützt. So wird etwa die Küche nicht als Zeile ausgebildet, sondern in einzelnen Möbeln, die mit eingestellten Buffets verwandt sind, geformt.

Realisierung

In der Realisierung wird das neue Haus in Schottenbauweise erstellt und dann mit einer Holzfassade eingekleidet. Diese Bauweise sucht einen Bezug zur strukturellen Logik der aufgereihten Nutzungsschichten der Baselbieter Bauernhäuser und zeugt in subtiler Weise vom Willen, in Gleichzeitigkeit durch die gestrichene Holzfassade von seiner Verankerung in der heutigen Zeit zu erzählen. Bei aller Andersartigkeit von Bestand und Neuem wird über die Farbe und die Detaillierung Differenzen aber auch Gemeinsames zu einer Ergänzung des Dorfkerns gefügt.
Die Taunerhäuser waren in ihrer Substanz arg gefährdet und zum Abriss freigegeben. Eine bauhistorische Untersuchung stützte die Vermutung des historischen Wertes, da es sich um die älteste noch vorhandene Bebauung Therwils handelt. Erst das stoische Beharren auf deren Qualitäten im städtebaulichen Kontext führte zur Möglichkeit, nicht ohne geringen Aufwand stadträumliche Konstanten zu halten und zu stärken. Der Umbau will ganz im denkmalpflegerischen Sinn Bestand bewahren, ihn aber auch für künftige Generationen brauchbar machen. Eine handwerkliche Ergänzung wird so wo nötig mit zeitgemässen Ertüchtigungen, die aus der handwerklichen Tradition abgeleitet sind, ergänzt. So etwa kommt für den Schutz vor Kälte ein Dämmputz zum Einsatz, der die ursprüngliche Erscheinung hält, bei gleichzeitigem Wärmeschutz.

Besonderheiten

Das vorgeschlagene Weiterbauen im Dorfkern braucht bei aller Erneuerung einen gewissen Bestand, um an Ort Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zu formulieren. Erst durch dieses Spiel werden Orte und darüber hinaus Stimmungen gebildet, die dem Neuen als auch dem Bestand gerecht werden können. Diese Suche ist eine andauernde und vertiefte, welche den konzeptionellen Entscheiden eine atmosphärische Dichte einzuschreiben vermag, die uns zu einer charaktervollen und stimmigen Ergänzung des historischen Dorfkerns geführt haben.

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