Schulhausplatz Baden

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5400 Baden,
Schweiz

Veröffentlicht am 31. August 2020
Schoop De Santis Architekten

Schulhausplatz Baden Heutiger Blick auf die Verkehrsebene des neuen Schulhausplatzes. Vor  dem Falkengebäude im Hintergrund verlief ab  1847 das Trassee der Spanisch-Brötli Bahn  durch den Schlossberg. Schulhausplatz zirka 1960: Vorstadt / Mellingerstrasse, Falkenbarriere Das ablesbare Triangulationssystem  der Anordnung der  Stützen ist sichtbar in  der Deckenbeleuchtung  und in der Verlegeart  der Gubersteine sowie  der Basalteinlagen. Die Wände, welche die Passage begrenzen, sind mit Glasmosaik in mehrheitlich hellen Grüntönen und  mit Graffitischutz belegt. Über rollstuhl- und fahrradtaugliche fliessende Rampen sowie über breite Stufen, die auch als Sitzgelegenheit genutzt werden, gelangt man von  der Weiten Gasse in die Passage. Beim Ausgang zum Ländlischulhaus werden die Schüler heute sicher aus  der Passage geführt. Links der Blick  in die darunter liegende Busrampe. Kunst am Bau von Kilian Rüthemann: Gummischeiben gestapelt als ruhender Pol  und gleichzeitig als Erinnerung  an den Verkehr Im Bereich vor der Cordulapassage wird wie beim Löwenplatz  vor der Weiten Gasse eine Bogenpflästerung eingesetzt. Die Wahl des Musters aus verschiedenen Grüntönen an den Wänden soll die Sprayer abhalten.

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Schulhausplatz, 5400 Baden, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
08.2018

Gebäudedaten nach SIA 416

Anzahl Kellergeschosse
2
Geschossfläche
3370 m²
Gebäudekosten (BKP 2)
100,0 Mio. CHF

Beschreibung

Und plötzlich diese Übersicht

Die Bäderstadt hat Grund zum Feiern. Nach zwanzig Jahren Beharrlichkeit ist Baden mit dem Wakkerpreis 2020 ausgezeichnet worden. Einer der Stadträume, der in der Würdigung gelobt wird, ist der Schulhausplatz mit der darunterliegenden neu gestalteten Cordulapassage.

Seit der Zeit der Völkerwanderungen schätzte man den Ort wegen seiner verkehrstechnisch günstigen Lage in der Limmatklus.
Im mittelalterlichen Städtchen, das flussaufwärts im 13. Jahrhundert gegründet wurde, fanden während dreihundert Jahren die Tagsatzungen der Eidgenossen statt. Die Infrastruktur, eine gewachsene Kultur und das Badevergnügen boten beste Voraussetzungen. Baden entwickelte sich zur Kongressdestination. Heftige Konfessionskriege beutelten die Stadt jedoch ebenso. Damit erlebte sie schliesslich ein trübes 18. Jahrhundert.
Licht ins Dunkel sollte die Spanisch-Brötli-Bahn bringen. Sie fuhr 1847 auf der ersten Bahnlinie der Schweiz von der Handelsstadt Zürich nach Baden als Touristendestination in einem Tunnel durch den Schlossberg.

Baden fährt
Verkehrsüberlastungen prägten daraufhin das zwanzigste Jahrhundert. Der gesamte motorisierte Verkehr drängte sich durch die enge Altstadt. Früh suchte man nach Lösungen, um mit dem bis zu drei Kilometer langen Stau umzugehen, der sich auf beiden Seiten des Schlossbergs vor den Bahnbarrieren bildete. Tausende Velofahrer warteten mehrmals täglich gemeinsam mit Autos und Postautos, um aus dem Industriegebiet in die umliegenden Gemeinden zu fahren. Die Barrieren wurden in den sechziger Jahren endlich aufgehoben, nachdem die Bahnlinie in den Untergrund verlegt und darüber ein breiter Autotunnel realisiert wurde.
Die mehrspurige Strassenkreuzung vor dem Tunnelausgang im Süden wurde nach dem angrenzenden ersten Schulhaus der Stadt benannt. Sie nahm eine so grosse Fläche ein, dass seither irreführend sogar von einem Platz die Rede war, dem Schulhausplatz.
Im Norden von Baden, jenseits der Bahnlinie drohte in den neunziger Jahren das Industrieareal brach zu liegen. Folglich sollte es mit grossem Engagement der Stadt zum veritablen dritten Stadtteil umgenutzt werden. Als prioritäre Massnahmen wurden in diesem Prozess vorerst im Bereich des Bahnhofs verbindende Projekte realisiert. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs stand dabei für die regionale Zentrumsstadt im Vordergrund. Anschliessend war es dringend nötig, auch die Altstadt wieder Stück für Stück den Fussgängern zurückzugeben.
Insbesondere Eppler Maraini Architekten legten immer wieder beharrlich den Finger auf verschiedene Wunden und rangen um die qualitätsbewusste Umsetzung von Stadtreparaturen. Das Büro setzte sich auch 2003 bei einem Wettbewerb durch, in dessen Programm die obere Altstadt einheitlich neugestaltet werden sollte. In einem ersten Teil der Umsetzung wertete man 2009 den Schlossbergplatz vor dem Stadttor zu einem begehrten Begegnungsort auf, 2012 folgte die Sanierung der Weiten Gasse, der Hauptachse der Altstadt.

Baden geht zu Fuss
Das Nachfolgerbüro Schoop De Santis Architekten konnte sich 2013 als Subplaner eines Generalerteams für die Neugestaltung des Schulhausplatzes qualifizieren. Der Verkehrsknotenpunkt galt mit einer Frequentierung von rund 50 000 Fahrzeugen pro Tag als die am stärksten befahrene Kreuzung der Schweiz. Fussgänger mussten hier lange unten durch. Insbesondere die Schulkinder gelangten nur durch zwei dunkle und in die Jahre gekommene Unterführungen zur Schule, vorbei an schummrig beleuchteten Schaufenstern und einer unübersichtlichen Toilettenanlage.
Die engen Platzverhältnisse vor dem Schlossberg und zu steile Anfahrtsrampen verunmöglichten es, den Strassenverkehr unterirdisch zu führen und den Fussgängern an der Oberfläche eine echte Platzgestaltung anzubieten. Deswegen entschied man sich, bei der Neugestaltung die Untergrundpassagen zu einen übersichtlichen Raum für die Fussgänger und Fahrradfahrer zu weiten.
Seit 2018 ist die Operation «am offenen Herzen» abgeschlossen. Über fünfzig Stützen tragen heute die oberirdische Verkehrs-
ebene. Sie lassen viel Licht in die darunter liegende Passage und erlauben grösstmögliche Übersicht. Von jedem Zugang aus sind nun die verschiedenen Ausgänge durch den Einfall des Tageslichts ersichtlich. Durch die grüne Glaskeramikverkleidung der Seitenwände entstand ironischerweise eine «grüne Lunge» unter der Verkehrsebene. Dank den kleinformatigen Plättchen konnten die unterschiedlichen Radien der Wände, inklusive den runden Stützen, zweckmässig verkleidet werden. Die vielen Stützen, welche aus statischen Gründen unregelmässig platziert werden mussten, wurden mit einem Triangulationsnetz in eine ablesbare Ordnung gebracht. Dieses Netz an Bezugslinien zeigt sich im Bodenbelag durch unterschiedliche Materialien in Guber-Granit und Basaltsteinen, sowie in der Wahl und in der Anordnung der stabförmigen Beleuchtung an der weiss verputzten Decke.

«Baden ist»
Nach zwei Jahrzehnten ist mit der Neugestaltung eines Verkehrsknotenpunktes die Aufwertung der oberen Altstadt um einen weiteren Bereich ergänzt worden. Baden ist seinem Slogan «Baden ist Lebensqualität» ein Stück nähergekommen. Eine zusätzliche Busführung konnte durch zwei neue stadtauswärts führende Tunnels geschaffen werden. Damit wurde die Altstadt vom Busverkehr entlastet.
So konnte für die Stadt ein neuer urbaner Platz geschaffen werden. Die Wahl des Bodenbelages in Guber, gepflastert oder in grossformatigen Platten verlegt, unterstützt die Kontinuität. Der Naturstein wurde bereits für die Sanierung der Weiten Gasse fünf Jahre zuvor verwendet. Als eine grosse, schräge Ebene leitet sie unmerklich in die gedeckte Passage hinein. Dieser Vorplatz der Passage kann auch als Tribüne genutzt werden. Sitzstufen bei den stärker geneigten Stellen bilden eine natürliche Arena als Ort der Begegnung. Alle Zugänge sind rollstuhl- und fahrradtauglich in Rampenform ausgebildet.
Die grosse Halle wurde nicht zuletzt auch zur sozialen Kontrolle mit Ladenblöcken «möbliert». Ein grösserer Block in der Mitte enthält drei Läden, und ein kleinerer am Rande wird als Café und gleichzeitig als Coiffeur betrieben. Rundherum können die Räume teilweise auch im gedeckten Aussenbereich bestuhlt werden.
Der «Stack», ein Kautschuk-Stapel von Kilian Rüthemann reagiert als Kunst am Bau projekt-ironisch auf den Verkehr als eigentliche Nutzung des Schulhausplatzes, wirkt aber auch gleichzeitig weich und ruhend als Ort zum Anlehnen.

Architekten Manuel Schoop, Maurizio de Santis, Schoop de Santis Architekten:
«Als Bodenbelag wurde Guber gewählt, um dasselbe Material zu verwenden wie in der Weiten Gasse. Die Einlagen in Basalt übernehmen die ablesbare Ordnung des Triangulationsnetzes und übernehmen Anschlüsse für Wasserrinnen oder zu den Ladeneinbauten.»

Architekten Manuel Schoop, Maurizio de Santis, Schoop de Santis Architekten:
«Die Wahl des Musters aus verschiedenen Grüntönen an den Wänden soll die Sprayer abhalten. Die Stützen sind uni im dunkelsten Grün der Wand gehalten.»

Text: Claudia Frigo Mallien

Erstveröffentlichung: Magazin der Schweizer Baudokumentation 2020 - 5

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