Die Umnutzung eines ehemaligen Industriestandorts zu einem Verwaltungszentrum des Kantons Genf ist ein vielschichtiges Projekt, das von François Baud & Thomas Früh SA getragen und mit einem konsequent nachhaltigen Ansatz realisiert wurde. Vier bestehende Gebäude mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen wurden individuell transformiert, wobei Nüchternheit, Energieeffizienz und Wiederverwendung als gemeinsame Leitlinien dienten. Die baulichen und energetischen Massnahmen, differenziert nach HPE- und THPE-Standards, reichten dabei von punktuellen Eingriffen bis hin zu einer vollständigen Erneuerung der Gebäudehülle – wie beim Turm, dessen neue Fassade mehr als 1'000 m² integrierte Photovoltaikmodule sowie elektrochrome Verglasungen für dynamischen Sonnenschutz umfasst.
Die Eingriffe folgen einem Low-Tech-Prinzip, das auf natürliche und mechanische Belüftung setzt, unterstützt durch sichtbar belassene Bauteile, deren thermische Masse zur Stabilisierung des Innenraumklimas genutzt wird. Die Reduktion auf einfache Systeme ermöglicht eine hohe Energieeffizienz bei gleichzeitig reduziertem technischen Aufwand. Über die architektonische Arbeit hinaus wurde auch eine systematische Wiederverwendung von Materialien verfolgt: In Zusammenarbeit mit der Genfer Ressourcerie Materiuum konnten über drei Tonnen Bauteile und Möbel weitervermittelt werden. Asphalt aus dem ehemaligen Parkhaus wurde zu Trittplatten, alte Steinverkleidungen zu Bodenbelägen im Aussenbereich und Terrazzo im Innenraum verarbeitet. Selbst Bauteile wie Zwischendecken, Türen oder Laboreinrichtungen erhielten vor Ort eine zweite Nutzung – mit handwerklich anspruchsvollen Anpassungen.
Individuelle Strategien für unterschiedliche Gebäudetypen
Das Gebäude PPN 105 wurde umfassend saniert: Ehemalige Chemielabore wichen grosszügigen, lichtdurchfluteten Arbeitsbereichen. Die Steinfassaden blieben als charakterprägendes Element erhalten und wurden zur Erreichung des HPE-Standards innenseitig gedämmt. Neue Balkonstrukturen schaffen Aufenthaltsqualitäten und öffnen sich zur neu gestalteten Hoflandschaft. Die Innenräume folgen dem Prinzip des Smart Office mit flexiblen Raumtypen, ruhigen Rückzugsorten, offenen Zonen und kreativen Gruppenbereichen. Materialien wie Holz, Lehmziegel und rohe Oberflächen unterstützen eine warme, sinnliche Arbeitsumgebung. Im Gebäude PPN 115 wurde die Struktur der ehemaligen Schuppenhallen verstärkt, um grossflächige Räume für eine neue Vespa-Station zu ermöglichen. Bei den Gebäuden PPN 101 und 102 wurde die bestehende Laborstruktur rückgebaut und durch offene Verwaltungsflächen ersetzt, ergänzt durch ein zentrales Atrium und gemeinschaftliche Einrichtungen wie Cafeteria und Konferenzräume. Die oberste Etage ist für modulare Nutzungen vorgesehen. Der Turm PPN 107 wurde im Rahmen eines Wettbewerbs vollständig neu eingekleidet und bildet den gestalterischen Höhepunkt der Anlage. Seine neue Fassade in Blautönen integriert PV-Module als gestalterisches und energetisches Element, produziert 30 Prozent des Strombedarfs und filtert über elektrochrome Gläser das Sonnenlicht – mit gleichbleibender Transparenz nach aussen. Der Umbau wurde eingebettet in ein städtebauliches Entwicklungsgebiet im Rahmen des Genfer Masterplans für das PAV-Areal. Das Gelände am Ufer der Arve, zwischen Fluss und Hügel, wurde landschaftlich geöffnet, entsiegelt und mit vielfältiger Vegetation, Regenwassermanagement und neuen Aufenthaltsflächen aufgewertet. In Zusammenarbeit mit Vimade entstand ein zukunftsgerichteter Freiraum, der Natur, Nutzung und Klimakomfort miteinander verbindet. Besonders sichtbar wird das beim «Place des Alluvions», dem neuen Zentrum des Areals, das durch grossflächige Pflanzungen und schattenspendende Strukturen Aufenthaltsqualitäten bietet. Auch die Tierwelt wurde in das Konzept eingebunden. Am Turm wurden gezielt Nistplätze für den geschützten Mauersegler integriert – eine kollektive Leistung von Ingenieuren, Handwerkern und Naturschutzorganisationen, die aus einem einfachen Vorschlag heraus eine aufwendige, baulich integrierte Lösung schufen. Das Projekt als Ganzes steht für eine Form von Architektur, die Wiederverwendung nicht nur als Ressourcenschonung versteht, sondern als gestalterische und funktionale Strategie im Dienste einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung.
Das Projekt von François Baud & Thomas Früh SA wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2025 eingereicht und von Sabrina Hobi publiziert.