Umnutzung Kabelwerke Brugg

 
5210 Windisch,
Schweiz

Veröffentlicht am 27. Februar 2024
Tschudin Urech Bolt AG Architektur- und Planungsbüro
Teilnahme am Swiss Arc Award 2024

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
5210 Windisch, Schweiz
Fertigstellung
03.2023
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
6 bis 10
Geschossfläche
3300 m²
Nutzfläche
2934 m²
Gebäudevolumen
10'609 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
7,8 Mio. CHF

Beschreibung

Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Kabelwerke Brugg AG hat eine langjährige Geschichte. Seiner exemplarischen Substanz einer typischen «1950er-Jahre-Hochhausarchitektur» hat das Architekturbüro Tschudin Urech Bolt aus Brugg zu neuem Glanz verholfen. Durch den baulichen Eingriff – ein sublimes, ausgewogenes Verhältnis zwischen Bewahren und Erneuern – gewinnt das Gebäude, das als Kulturgut von regionaler Bedeutung und als eines der schönsten der frühen Hochhäuser im Kanton gilt, an raumbelebenden Anpassungen, erhält durchgängig technische Erneuerungen und betont zugleich seinen historischen Wert. Die umgenutzten Räumlichkeiten lassen eine moderne Arbeitswelt für den Verein Lernwerk entstehen, der die Menschen bei der Arbeitsmarktintegration unterstützt.

Ausgangslage

Das wohlproportionierte Hochhaus mit klarem Grundrisskonzept und überzeugender Detailgestaltung entstand während der Hochkonjunkturphase der Nachkriegszeit. Der Bau zeugt ebenso wie das nahe gelegene Fachhochschulgebäude der ehemaligen HTL von den Boomjahren der damals stark auf die Metall- und Maschinenindustrie ausgerichteten aargauischen Wirtschaft. Die Umnutzung kommt der Forderung an eine Verdichtung und Begrünung des Areals nach. Die darin integrierte Sanierung umfasst zusätzlich bauphysikalische Optimierungsmassnahmen und die Modernisierung der Haustechnik.

Entwurfsidee

Dem Vereinsstandort ging eine Machbarkeitsstudie voraus, die das ideale Unterbringen der benötigten Arbeitsplätze und Kursräume für die Berufsintegration als auch für die Verwaltung bestätigte. «Die Bauherrschaft hat uns sehr viele Freiheiten gegeben, um das Gebäude dem Bestand entsprechend zu erneuern», so Tschudin. Auf der anderen Seite bedurfte das unter Schutz gestellte Gebäude von Anfang an einer präzisen Auslotung der Eingriffstiefe, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bewahren und Erneuern erreichen zu können. Dies gelang mit der den Entwurf leitenden Prämisse: «alles Behaltbare zu behalten – alles Anpassbare anzupassen» – dazu Architekt Tschudin: «Trotz den Eingriffen wahrt das Erscheinungsbild seinen originalen, seinen eleganten und eigenständigen Ausdruck – darin liegt das Schöne an diesem Projekt.»

Projektierung

Die Repetition der Grundrisse und Gebäudebauteile wie Fenster, Marmor, Brüstung und Türen, die auf ein von der Industrialisierung beeinflusstes Konzept verweisen, gaben das klare Innere vor, auf dem innerhalb des Umbaus die reduzierte Transformation basiert. In den beidseitigen Bürotrakten erlaubte der einheitliche Fensterachsenabstand mit einem Minimum an baulichen Veränderungen eine flexible Raumteilung. Diese nutzungsvariable Vorberücksichtigung bei der Planung der ursprünglichen Substanz half der jetzigen Umnutzung, die bestehende Struktur optimal für eine neue Bürolandschaft umzugestalten, ohne das Volumen in seiner Grundstruktur, seinem Gebilde, in seinem Inneren Gefüge zu verändern.

Realisierung

Der auf dem stark ansteigenden Geländedreieck in einer Strassengabelung realisierte Hochbau hat acht Vollgeschosse, einen Dachaufbau und zwei Kellergeschosse. Die acht Vollgeschosse des Eisenbetonbaus teilen sich in ein gestalterisch klar abgesetztes Sockelgeschoss mit Erschliessungsbereich und zwei siebenstöckige Bürotrakte mit einer dazwischenliegenden, eingezogenen Treppen- und Korridorhalle. Grosse Fensterflächen begrenzen das Treppenhaus nach Norden und Süden und sorgen für natürliche Belichtung. Das äussere Erscheinungsbild dieses Geschäftshauses der Nachkriegsmoderne prägen die vier zur Hauptachse verwendeten Materialien: Beton, Glas, Aluminium und Natursteinverkleidungen. Die topographischen Gegebenheiten gleicht ein westseitiger offener Unterbau mit breiter, vorgelagerter Terrasse aus.
Mit dem historischen Wissen und Bewusstsein zum und für das Gebäude und der daraus entstandenen Sensibilität sind die gewünschten Veränderungen umgesetzt und das Gebäude an die heutigen räumlichen, technischen und materiellen Bedürfnisse angepasst worden.

Besonderheiten

Eingesetzte Trennwände, welche die einzelnen Bereiche der Büroflügel definieren, platzieren sich auf den vorhandenen Fensterachsen, verweisen mitunter auf die Originalstruktur und avancieren damit zum historischen Element. Das Gewesene sublim revitalisieren – dies berücksichtigt auch das Konzept der neuen Raumgestaltung. Den ursprünglichen Charme holen etwa vormalige, entsprechend frisch- und übergestrichene Farbtöne zurück. Vereinzelte, mit Bedacht in die bestehende Substanz eingesetzte Erneuerungen beleben die Nutzung – so im Erdgeschoss der direkte Ausgang für die Lobby oder deren eingebaute Küche.
Zu seiner Zeit war das Gebäude technisch sehr fortgeschritten und die architektonischen Überlegungen all der vorhandenen Details sind dadurch klar ersichtlich; darauf gehen auch die Eingriffe minutiös ein – sei es bei der Erhöhung bestehender Geländer im Treppenhaus oder im Attikageschoss – sowohl im Einarbeiten neuer Bauteile wie auch in der Wiederherstellung der ursprünglichen Erscheinung oder der zurückhaltend wirkenden Neugestaltung. Die Trapezform des Treppenhauses geben die Geländerpfosten, Heizkörper und Sockelleisten wieder.

Das Projekt von Tschudin Urech Bolt wurde im Rahmen des Swiss Arc Awards 2024 eingereicht und von Marianne Kürsteiner publiziert.

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