Wohnensemble am Hirtenweg
,
Schweiz
Veröffentlicht am 18. April 2023
Studio Gugger AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2023
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Preisgünstiger Wohnraum wird in Basel immer rarer. Das Projekt am Hirtenweg ist ein erster Baustein des Wohnbauprogramms 1000+ des Kantons Basel-Stadt. Durch die etappierte Erstellung in Holzmodulbauweise konnte sozialverträglich und in kurzer Frist nachhaltiger Wohntraum geschaffen werden.
Ausgangslage
Das Projekt Hirtenweg ist das Resultat eines 2018 vom öffentlichen Bauträger Immobilien Basel-Stadt ausgeschriebenen Gesamtleistungswettbewerbes für preisgünstigen Wohnraum.
Entwurfsidee
Mit den Neubauten am Hirtenweg werden vorgefundene Qualitäten, – wohnlicher Massstab, durchgrüntes Umfeld, nachbarschaftliche Nutzungen – in eine neue, dichtere Struktur überführt und weiterentwickelt. Die Setzung der vier Bauten ergibt sich aus der Überschneidung von Abstandsflächen, dem Erhalt prägender Baumgruppen, optimaler Orientierung der Wohnungen, rationaler Erschliessungstypologie, der Nutzung bestehender Untergeschosse und der notwendigen Etappierung. Dichtes Wohnen verlangt nach einer sorgfältigen Abstimmung von lebendiger Gemeinschaft und privatem Rückzug auf begrenztem Raum. Die Neubauten reagieren auf diesen Anspruch mit der klaren Zuordnung von öffentlichem und privatem Raum, belebten Erschliessungsbereichen und Rückzugsmöglichkeiten im Innen- und Aussenraum. Die lockeren Wiesen der geschützten Böschungen setzen sich zukünftig auf dem Plateau fort. Der Einsatz von einheimischen Stauden, Wildstauden und Sträuchern schafft eine Struktur, die den Raum sowohl in der Höhe als auch in der räumlichen Tiefe gliedert. Baumkronen – möglichst aus dem Bestand, wo baulich notwendig Ersatzpflanzungen – bieten Sichtschutz im verdichteten nachbarschaftlichen Gegenüber und Schatten im Garten. Es wird ein einladender Ort geschaffen, welcher der baulichen Dichte willkommene Rückzugsorte entgegensetzt.
Projektierung
Jedes Gebäude ist durch ein leichtes Hochparterre von der Umgebung abgehoben und wird durch ein offenes Treppenhaus erschlossen, von welchem beidseitig Lauben zu zwei oder vielmehr drei Wohnungen führen. Diese bieten vor den Treppen Flächen für gemeinschaftliche Sitz- oder Spielgelegenheiten, vor den Wohnungseingängen hingegen Raum zur individuellen Aneignung. Über eine Eingangsnische wird die Wohnung im Bereich der Wohnküche betreten. Die Fensterfront an der Laube kann nach Gusto mehr oder minder offen gestaltet werden. Der Einblick von der Laube reicht einzig in die Tiefe dieses ersten Raumes, der eigentliche Wohnbereich mit Loggia ist um eine Achse versetzt angeordnet und damit nicht einsehbar. Diagonale Sichtbeziehungen schaffen trotz der sehr kompakt organisierten Grundrisse räumliche Grosszügigkeit und einen intensiven Austausch mit dem Aussenraum. Die Fassade übersetzt die Gebäudestruktur in ein filigranes und wirtschaftliches Raster. Brettschichtholzstützen tragen die Laubengänge und den schützend auskragenden Dachrand. Die Abrundung der Stützen zeichnet ein Säulenkapitell nach und verleiht den Gebäuden einen klaren Abschluss und im Zusammenspiel mit der kräftigen Farbgebung eine starke Identität.
Realisierung
Für die nachhaltigen und in kurzer Zeit zu erstellenden Gebäude wurde ab Oberkante Kellergeschoss die modulare Massivholzbauweise mit hohem und präzisem Vorfertigungsgrad, gutem Schallschutz und einer sauberen Trennung von Primär-, Sekundär- und Tertiärstruktur gewählt. Die geringe Lärmemission dieser Konstruktionsweise und die kurze Bauzeit sind im Kontext der Bestandsbauten und der etappierten Erstellung von Vorteil. Der erste der drei Bauten wurde von Mai bis Dezember 2020 erstellt und im Februar 2021 bezogen. 2021 wird der zweite, 2022 der dritte Bau fertiggestellt. Durch die etappenweise Bauweise können die Mieter der zu ersetzenden Liegenschaften in die jeweils fertiggestellten Neubauten ziehen und so vor Ort verbleiben.
Besonderheiten
Am Hirtenweg sind die ersten Wohnungen des Wohnbauprogramms 1000+ bezugsbereit. Das Wohnbauprogramm 1000+ ist eine Massnahme zur Umsetzung der Verfassungsinitiative «Recht auf Wohnen» und wird die rund 2000 Wohnungen des Kantons im Finanzvermögen um 1000 Neue ergänzen. Sie werden zu Preisen vermietet, die 15-20 Prozent unter den durchschnittlichen Angebotsmieten (Marktmiete) vergleichbarer Wohnungen liegen. Erreicht werden soll dies durch optimierte und gut konzeptionierte Projekte mit kompakten Wohnungsgrundrissen sowie dem Einsatz des Instruments der Kostenmiete: Der Mietzins richtet sich nicht nach Marktpreisen, sondern nach den Kosten der Vermieterschaft. Um die Wärmebezugsfläche möglichst gering zu halten, sind die Neubauten über Laubengänge mit jeweils einem offenen Treppenhaus erschlossen. Beim ersten Haus sind drei Wohnungen pro Etage angegliedert, während bei den weiteren Häusern fünf Wohnungszugänge auf jedem Geschoss liegen. Die Wohnungen zeichnen sich durch effiziente Grundrisse ohne klassische Verkehrsflächen aus: zum Beispiel sind die 4.5-Zimmer-Wohnungen auf 85 Quadratmeter organisiert. Man betritt die Wohnungen direkt über einen kombinierten Küchen- und Wohnraum. Charakteristisch ist ein versetztes Durchwohnprinzip: Der eigentliche Wohnbereich mit Loggia ist um eine Achse versetzt angeordnet. Alle Module werden im Werk in Stein komplett mit Fenstern und Bädern ausgebaut und per Tieflader auf die Baustelle gebracht. Die bis zu 15 Meter langen, 3.85 bis 4.15 Meter breiten und 13 bis 21 Tonnen schweren Module wurden per Autokran drei Geschosse hoch auf den Ortbetonkeller gestapelt. In nur vier Tagen stand so der erste Neubau aus 18 Modulen. Der Innenausbau dauerte dann noch zweieinhalb Monate. Die kurze Bauzeit und die damit einhergehenden geringeren Lärmemissionen sind ganz im Sinn der Nachbarschaft.
Der Text von Harry Gugger Studio wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2023 eingereicht und von Nina Farhumand redigiert.