Interview: Neue Gestaltungsfreiheiten

Mirko Bachmann ist Marketing Manager Schweiz bei Forbo-Giubiasco.
Wenn man die Entwicklung der Forbo-Produktpalette über Jahre hinweg reflektiert, wird sichtbar, dass es ein ständiges Bestreben in der Firma gibt, Design und Funktionalität mit gleicher Intensität voranzutreiben.
Die Schweizer Architektur hat für mehrere Jahrzehnte einen ästhetischen Minimalismus gepflegt. Textile Bodenbeläge wurden vorrangig in unscheinbaren Farben ausgewählt und traten gestalterisch in den Hintergrund. Schaut man aktuelle Referenzobjekte von Forbo an, beziehungsweise allgemeine Trends beispielsweise im Bereich Hospitality, dann scheint (wieder) mehr Mut zu Farben, geometrischen Figuren oder gar Mustern aufgekommen zu sein.
Mittlerweile ist es möglich, textile Bodenbeläge nach eigenen Vorstellungen individuell zu gestalten. Wie funktioniert die Herstellung der Flotex-Flockbeläge technisch, Herr Bachmann, und welches neue Potenzial hat dies für die Gestaltung von Innenräumen?
Flotex ist ein leistungsstarker und einzigartiger Bodenbelag. Er kombiniert textilen Komfort mit der Strapazierfähigkeit und Pflegeleichtigkeit eines elastischen Bodenbelags. Dank seinen sehr dicht geflockten «Nylon 6.6»-Fasern können wir ihn mit 300 dpi digital bedrucken, dies ermöglicht eine schier grenzenlose Gestaltungsfreiheit. Ob bestehende Designs oder Kundenwünsche: Alles ist möglich.
Auf der jüngsten Stockholmer Furniture Fair hat Forbo unter anderem Möbel gezeigt, die mit Linoleum bezogen waren. Sollten Architekt*innen bezüglich Oberflächenmaterialien im Innenraum die klassische Trennung von Boden und anderen Oberflächen überdenken?
Es geht darum, ein Zusammenspiel zu finden. Furniture-Linoleum ist ein natürliches, pflegeleichtes, leicht elastisches Material mit einer unverwechselbaren, angenehmen Haptik. Durch seine Anpassung an die jeweilige Umgebungstemperatur ist es im direkten Hautkontakt warm und wohltuend. Zudem ist es ein sehr hygienisches Material. Dies dank seiner natürlichen Zusammensetzung aus Leinöl, Harzen, Holz- und Kalksteinmehl. Aufgrund dieser Rezeptur verfügt Möbellinoleum von Natur aus über antistatische Eigenschaften und muss nicht - wie andere Produkte - chemisch nachgerüstet werden. Und es gibt ein weiteres Plus: Fingerabdrücke bleiben weitgehend unsichtbar.

Furniture-Linoleum wurde speziell für die Applikation auf den Oberflächen von Objekten entwickelt.
Kommen wir zum Thema Funktionalität: Die Frage nach der grauen Energie von Baustoffen wird im Angesicht der Klimaerwärmung immer lauter gestellt. Wie steht es um den CO2-Ausstoss bei der Herstellung der Forbo-Bodenbeläge?
Forbo Flooring hat als weltweit führender Bodenbelagshersteller schon frühzeitig die Weichen in Richtung Nachhaltigkeit gestellt. Das Unternehmen setzt bereits seit Jahren konsequent auf die Nutzung erneuerbarer Energien bei der Herstellung seiner elastischen und textilen Bodenbeläge sowie auf eine Null-Abfall-Strategie in sämtlichen Werken.
Ein besonderes Highlight im Portfolio stellt das umfangreiche Linoleumprogramm dar, das komplett CO2-neutral hergestellt wird, Gewinnung und Transport der Rohstoffe eingerechnet. Forbo-Linoleum der Marke «Marmoleum» besteht aus bis zu 98 Prozent natürlichen Rohstoffen wie Leinöl, Jute, Holz- und Kalksteinmehl sowie Naturharzen. Der überwiegende Teil - 73 Prozent - wächst schnell nach. Allen voran das Leinöl, das aus den reifen Samen der Flachspflanze gewonnen wird. Gleiches gilt für das Holzmehl, die Baumharze sowie die Jute, deren Fasern als Trägermaterial zum Einsatz kommen. Diese schnell nachwachsenden Rohstoffe binden während ihres Wachstums durch Fotosynthese mehr klimaschädliches Kohlendioxid als bei der Weiterverarbeitung inklusive Ernte und Transport entstehen.

Philippe Starck hat für Forbo eine faszinierend flexible Flotex-Textilbodenkollektion gestaltet. Das Foto zeigt sie im Palais d'léna in Paris.
Nachhaltigkeitslabels sind für die Nutzer oft verwirrend und die Berechnungen mitunter schwer nachvollziehbar. Wie funktioniert das Life Cycle Assessment, nachdem Forbo die Umweltbilanz ihrer Produkte ermitteln lässt?
Forbo legt insgesamt grossen Wert auf Transparenz im Hinblick auf den ökologischen Fussabdruck der angebotenen Produkte und veröffentlicht alle umweltrelevanten Daten zu jedem einzelnen Produkt auf der Website. In sogenannten Umweltproduktdeklarationen EPD sind die jeweiligen Lebenszyklusanalysen – kurz LCA – sämtlicher Bodenbeläge dokumentiert. In einer Lebenszyklus-Analyse wird die gesamte Lebensdauer des Gebäudes berücksichtigt, von der Bauphase über die Nutzungsphase inklusive möglicher Umnutzungen bis hin zum Abriss und zur Entsorgung. Somit kann jeder einschätzen, wie nachhaltig ein Produkt über die gesamte Lebensdauer ist. Für eine Beratung stehen wir natürlich jederzeit zur Verfügung.

Im Schulhaus Collège du Vigner in Saint-Blaise sorgt Linoleum in den Gängen und Treppenhäusern für belebende Farbakzente.
Auf der Suche nach nachhaltigen und schadstofffreien Baustoffen schauen die Expert*innen immer häufiger zurück. Die Linoleumböden von Forbo werden seit über einem Jahrhundert aus natürlichen Rohstoffen hergestellt. Liegt die Zukunft der Bauteilindustrie in der Vergangenheit?
Durchaus schaut die Bauindustrie bei der Suche nach nachhaltigen Alternativen in die Vergangenheit. Bei vielen Materialien ist man mit der Zeit zum Beispiel aus praktischen oder aus Kostengründen auf Kunststoff ausgewichen. Heute greift man getrieben vom Wunsch nachhaltiger zu bauen, wieder auf altbewährte Stoffe zurück. Linoleum-Bodenbeläge werden, das habe ich bereits aufzeigen können, seit über 150 Jahren mit den gleichen natürlichen Rohstoffen hergestellt. Somit ist für uns die Vergangenheit auch gleichzeitig die Zukunft.
Das Interview entstand in Zusammenarbeit mit Forbo-Giubiasco.