Interview: Geschichte will gefeiert werden

Das Unternehmen HG Commerciale ist seit langem auf dem Schweizer Baumarkt etabliert und feiert dieses Jahr einen besonderen Geburtstag. Die Redaktion sprach mit Martin Tobler über die Geschichte der Firma und seine Erwartungen für die Zukunft.

2024 ist für die HGC ein besonderes Jahr. Warum, Herr Tobler?

Wir feiern das 125-jährige Bestehen der HGC und schauen gerade mit etwas Stolz zurück auf unsere langjährige bewegte Geschichte. Angefangen hat alles Ende Mai 1899, als zehn Zürcher Baumeister die Genossenschaft Baumaterialienfabrik Giesshübel gründeten und noch selbentags im gleichnamigen Zürcher Industriequartier eine Zementfabrik kauften.

Wenn Sie auf die gesamte Geschichte der HGC zurückblicken, was waren die wichtigsten Meilensteine in der Unternehmensentwicklung?

Ich bin beeindruckt von der Innovationskraft und dem unternehmerischen Weitblick der Gründergeneration. Wichtig war auch die stete Nähe zum Markt: Die Mitglieder, also die Besitzer*innen der HGC, waren und sind seit je kleinere und grössere Unternehmen aus der Baubranche. Gemeinsam hat man innerhalb von nur einem Jahrhundert zwei Weltkriege und drei Baurevolutionen erlebt und erfolgreich durchgestanden: die industrielle Fertigung von Baumaterialien, die Eröffnung neuer Möglichkeiten durch den Stahlbau sowie der Durchbruch des Stahlbetons. Ebenfalls zentral für den Erfolg der HGC war die enge und seit vielen Jahrzehnten andauernde Verbundenheit mit der Bau(chemischen)-Industrie. Und nicht vergessen möchte ich in diesem Zusammenhang die Expansion in weitere Branchensegmente wie die Gebäudehülle, den Holzbau und die Innenraumgestaltung.

Die erste Verkaufsstelle der HGC im Zürcher Industriequartier Giesshübel.

Die erste Verkaufsstelle der HGC im Zürcher Industriequartier Giesshübel.

Die erste Verkaufsstelle der HGC im Zürcher Industriequartier Giesshübel.

Was waren Ihre persönlichen Highlights, seit Sie Teil der Geschäftsführung der HGC sind?

Ich bin 2018 zur HGC gekommen, anfänglich als Verkaufsdirektor, seit Ende 2019 bin ich CEO. In dieser Zeit haben wir eine neue Strategie erarbeitet und eine Reihe von grösseren Projekten durchgezogen, wie jetzt gerade das «Skylab4», die Ablösung unseres bestehenden Betriebssystems von SAP durch ein gänzlich neues Produkt. Eine Herkulesaufgabe. Wir haben uns auch die Erneuerung unserer Standorte auf die Fahne geschrieben, genauso die Ergänzung und Optimierung unseres bestehenden Sortiments. Zudem sind wir daran, die «weissen» Flächen auf der Landkarte, wo wir noch wenig präsent sind, zu füllen. Unser klares Ziel ist es, die Nummer eins im Schweizer Baustoffhandel zu werden und langfristig zu bleiben. Wie das gehen kann, wissen wir ja von unseren Kolleg*innen, welche die HGC im Lauf der letzten 125 Jahre zu dem gemacht haben, was sie heute ist.

Blick ins Innere der Verkaufsstelle, wo die Kund*innen die gerüstete Ware anfangs mit dem Pferdefuhrwerk und später mit dem Lastwagen abholen konnten.

Blick ins Innere der Verkaufsstelle, wo die Kund*innen die gerüstete Ware anfangs mit dem Pferdefuhrwerk und später mit dem Lastwagen abholen konnten.

Blick ins Innere der Verkaufsstelle, wo die Kund*innen die gerüstete Ware anfangs mit dem Pferdefuhrwerk und später mit dem Lastwagen abholen konnten.

Die Grosswetterlage auf dem helvetischen Markt hat sich geändert. Heute weht ein rauerer Wind auf den Schweizer Baustellen und durch die Baumärkte. Wie geht es der HGC in diesem Umfeld?

Wir sind generell gut aufgestellt. Trotz gesunkener Preise bei den Baustoffen und sich verringernder Volumina im Bausektor konnten wir den Umsatz aus dem sehr guten 2022 praktisch halten und unsere Marktposition nicht nur behaupten, sondern sogar noch etwas ausbauen. Unter dem Strich haben wir das für die Schweizer Bauwirtschaft herausfordernde Jahr 2023 gut gemeistert und mit einem leichten Plus abgeschlossen. Geholfen hat uns sicherlich, dass wir seit längerem eine klare Strategie verfolgen und stark in unsere eigene Unternehmung investieren. Gerade in Phasen wie der jetzigen sind solche Investitionen in die eigene Zukunft unerlässlich, tragen sie doch dazu bei, dass das Unternehmen gut aufgestellt ist und bleibt.

Verlassen wir die Gegenwart und gehen ein bisschen auf die Zukunft der HGC ein. Was sind die grösseren Projekte in nächster Zeit?

Zuerst kommt die grosse Jubiläumsfeier, bei der wir zusammen mit unseren Partnern und Freunden aus der Schweizer Bauwirtschaft sowie unserem gesamten Team ein grosses Fest feiern. Was unsere betriebliche Zukunft angeht, da denke ich an unsere neue Struktur, die unsere Mitglieder an der Generalversammlung im vergangenen November gutgeheissen haben und die uns als Genossenschaft künftig etwas mehr geschäftlichen Spielraum lässt. Und wie gesagt, werden wir den Ausbau und die Modernisierung unseres Vertriebsnetzes sowie die Digitalisierung weiter vorantreiben.

Wie sehen Sie die künftige Entwicklung des Schweizer Bausektors? Müssen wir uns wärmer anziehen oder sind die aktuellen Turbulenzen nur vorübergehender Natur?

Ich werfe nicht gerne einen Blick in die Kristallkugel. Ich denke aber, dass uns der Arbeits- und Fachkräftemangel – gerade auch infolge der vielen altersbedingten Pensionierungen der Babyboomer-Generation – noch eine Weile beschäftigen wird. Ausserdem wird unsere Zukunft immer stärker geprägt durch technologische Veränderungen wie beispielsweise BIM, Robotik oder künstliche Intelligenz. Auch die Umweltproblematik wird uns weiterhin und sicher noch stärker als bis anhin beschäftigen.

Möchten Sie zum Schluss noch etwas ansprechen, was bisher nicht erwähnt wurde?

Ja, das sind zwei Sachen: Ein gutes und zufriedenes Team ist Garant für den Erfolg eines jeden Unternehmens. Deshalb macht es meine Kollegen aus der Direktion und mich stolz, dass unsere erste Mitarbeiter*innenbefragung, die wir letzten Herbst durchgeführt haben, ein sehr hohes Zugehörigkeitsgefühl und einen sensationellen Weiterempfehlungswert belegt hat. Freude macht uns derzeit auch unser neues Mietgeschäft. Die HGC ist bekannt dafür, dass man bei ihr Produkte kauft. Gerade bei teuren Werkzeugen, die selten zum Einsatz kommen, macht eine Anschaffung aber nicht immer Sinn. Deshalb haben wir in der Deutschschweiz angefangen, Spezialgeräte zu vermieten. Ähnlich erfolgreich ist unser neuer Baustellen-Service, bei dem wir unseren Kund*innen einen mit Verbrauchsmaterial gefüllten Container direkt auf die Baustelle stellen. Da wir das Material laufend auffüllen, spart der Baumeister Weg und Zeit in unsere Abhollager. Der Response auf dieses neue Angebot ist sensationell.

Der 1929 erstellte, 1955 bezogene und 1979 mit einer Metallfassade versehene Hauptsitz der HGC am Stauffacherquai in Zürich.

Der 1929 erstellte, 1955 bezogene und 1979 mit einer Metallfassade versehene Hauptsitz der HGC am Stauffacherquai in Zürich.

Der 1929 erstellte, 1955 bezogene und 1979 mit einer Metallfassade versehene Hauptsitz der HGC am Stauffacherquai in Zürich.

Das Interview entstand in Zusammenarbeit mit HG Commerciale.

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