Interview: Gips - Nachhaltigkeit in neuer Dimension

Jean-Yves Boudot ist Verkaufsdirektor Schweiz der Knauf AG.
Laut Statistik verbringt der Mensch etwa 90 Prozent seiner Zeit in geschlossenen Räumen. Sei es in Firmengebäuden, Schulen oder den eigenen vier Wänden – die Qualität der Raumluft, die Temperatur und die Akustik müssen stimmen, damit man sich wohlfühlt. Der Baustoff Gips kann bei diesen Parametern sehr gute Werte vorweisen. Dazu, und wie es um die Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit von Gipsbauteilen bestellt ist, gab uns Jean-Yves Boudot, Verkaufsdirektor der Knauf AG, Auskunft.
Wie schafft es das mineralische Bindemittel Gips, das Wohnraumklima zu beeinflussen?
Als Naturmaterial schafft Gips ganz allgemein ein positives Wohnraumklima. Gips ist pH-neutral und ein schadstofffreier Baustoff. Dank ihrer hochporösen Oberfläche sind Gipsbaustoffen in der Lage, grössere Mengen an Feuchtigkeit aus der Raumluft aufzunehmen respektive wieder abzugeben und so eine regulierende Wirkung auf das Raumklima zu schaffen.
Welche Gestaltungsmöglichkeitenbieten heutige Gipsbauteile?
Bei Neubau und Sanierungen sind Trockenbauwände und -decken sowie Gipsböden sehr flexibel einsetzbar. Damit lassen sich Bauprojekte schnell umsetzen, mit besten Brandschutz-, Schallschutz- und statischen Eigenschaften. Erdbebensicherheit gewinnt in der Schweiz an Bedeutung. Wir beraten unsere Planer*innen und Generalunternehmer bei Objekten, um die Vorgaben des erdbebensicheren Bauens einzuhalten, und ermöglichen gleichzeitig grosse Gestaltungsfreiheiten. Denn Gips lässt sich schneiden, fräsen und biegen. Wir können massgenau zugeschnittene, individuelle Formteile für Wände und Decken liefern. Um diesen Markt noch besser beliefern zu können, haben wir ab August eine eigene Produktion in der Schweiz aufgebaut.
Zudem lassen sich mit Gips vielfältige Decken-Systeme ausführen, die verschiedene Anforderungen an Brandschutz, Schallabsorption und Design erfüllen. In die aus Gipsfaserplatten hergestellten Trockenböden, Hohlraumböden und Doppelbodensysteme von Knauf kann zum Beispiel Kühl- oder Heiztechnik verlegt werden. Bei Umnutzung oder Umgestaltung der Räume lassen sich die Böden mit wenig Aufwand verändern.
Rold12 wurde kürzlich als Knauf-Neuentwicklung vorgestellt. Worum handelt es sich dabei?
Rold12 wurde Ende 2022 als zusätzliche Variante der Knauf-Kassettendecken auf den Schweizer Markt gebracht. Das Besondere an dieser Platte ist ihre Dreidimensionalität. Vom skandinavischen Design beeinflusst, entsteht durch die aufgebrachten Lamellen in Holzoptik eine 3D-Deckenoberfläche, welche sich auch sehr günstig auf die Raumakustik auswirkt. Weiterhin können Beleuchtungskomponenten in die Decke integriert werden. Mit einem hohen Recyclinganteil ist Rold12 auch ein Beispiel für die Nachhaltigkeit von Knauf-Produkten.

Rold12-Decken sind zugleich funktional und ästhetisch. | © Knauf AG
Rold12 ist demontierbar. Welchen Nutzen hat das?
Jede Platte ist zugänglich. Dadurch entsteht eine Decke mit einer vollwertigen Revisionsfläche – jeder Punkt der Unterkonstruktion ist somit erreichbar, sollten nachträgliche Arbeiten an Installationen und so weiter nötig sein. Ein grosser Vorteil bei der späteren Instandhaltung.
Müssen sich Planende und Verarbeiter*innen auf andere Rastermasse oder Besonderheiten der Unterkonstruktion einstellen?
Nein, der Aufbau der T-Profil Unterkonstruktion basiert auf dem bekannten Standard T24-Raster. Diese bewährte Technik spart Zeit bei der Planung und ist jedem Installateur und Trockenbauer vertraut.
Apropos Planer*innen: Welche Mittel gibt Knauf den Architekt*innen an die Hand, um die passenden Produkte zum jeweiligen Bauvorhaben zu finden?
Ganz konkret zwei Planungstools: Erstens unsere BIM Planner Suite, zweitens «kdevis», unser Ausschreibungstool. Mit diesen beiden Programmen lassen sich systemspezifische Anleitungen für Knauf-Systeme für Wand, Decke und Boden aufrufen. Zudem können alle erforderlichen technischen Anforderungen an das Bauprojekt berücksichtigt werden. Mit dem kdevis haben Architekt*innen und Planende die Möglichkeit, eine saubere Devisierungsgrundlage zu erstellen, damit die Verarbeiter die richtigen Systeme einbauen. Neben der digitalen Unterstützung ist aber auch die persönliche Beratung wichtig. Unser Team aus technischen Berater*innen unterstützt Planende und Architekt*innen in ihren Bauprojekten.

Knauf Hohl- und Doppelbodensysteme – flexibel und belastbar | © Knauf AG
Nachverdichtung und Aufstockungen sind wichtige Massnahmen, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Was können die Knauf-Systeme dazu beisteuern?
Unser Cocoon-Stahlleichtbau-System ist für Aufstockungen, Sanierungen und Raum-in-Raum-Anwendungen konzipiert. Es wird als vorgefertigter Bausatz konfektioniert und auf die Baustelle geliefert. Durch den geringen Lasteintrag sind in der Regel keine oder nur geringe Massnahmen zur Ertüchtigung der Gebäudestatik notwendig. Das System ist zu 100 Prozent kompatibel zu allen anderen Knauf-Systemen wie Fassaden, Verglasungen oder Wärmedämmung. Dadurch kann eine komplette Gebäudeaufstockung mit Knauf-Produkten ausgeführt werden – alles aus einer Hand.
Wie steht es bei Trockenbausystemen um den Brandschutz?
Mit unseren Trockenbau-Systemen können wir alle Brandschutzanforderungen erfüllen. Dazu sind die nötigen Zertifikate der VKF vorhanden.
Zur Nachhaltigkeit gehört immer auch der Materialkreislauf. Zu welchen Teilen sind die Gipsprodukte von Knauf wiederverwendbar?
Grundsätzlich ist Gips zu 100 Prozent wiederverwertbar. Dass das funktioniert, zeigt Knauf in Dänemark. Dort recycelt Knauf Danoline im grossen Massstab Gipsanteile aus dem Rückbau. In der Schweiz ist der Umgang mit Fremdstoffen in rückgebauten Materialien aktuell die grösste Herausforderung. Wir sehen im Konzern die Dringlichkeit des Themas und arbeiten daran, gute Lösungen zu finden und ein nachhaltiges Recyclingkonzept für die Wiederverwertung der Gipsprodukte zu erstellen.
Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit ist daneben auch, Transportwege möglichst kurz zu halten und wo möglich Schiene statt Strasse zu nutzen. Hier ist Knauf in der Schweiz mit grenznahen Produktionsstätten gut aufgestellt. Die Eco- und Minergie-Zertifikate unserer Produkte geben Planer*innen natürlich auch eine gewisse Sicherheit in Bezug auf Nachhaltigkeitsfaktoren.
Das Interview entstand in Zusammenarbeit mit Knauf AG.