Interview: Mikromobilität – Potenziale und Herausforderungen

Sven Vock
Mikromobilität sowie die dazu passende Infrastruktur gewinnen in Städten und Gemeinden zunehmend an Bedeutung – als Schlüssel für nachhaltige, flexible und zukunftsorientierte Mobilitätslösungen. Besonders Grossparkieranlagen und moderne Velostationen spielen dabei eine zentrale Rolle, um dieser Entwicklung gerecht zu werden. Sichere Abstellanlagen, Lademöglichkeiten für E-Bikes oder intelligente Zugangs- und Leitsysteme fördern den Umstieg auf das Velo. Welche Potenziale und gleichzeitige Herausforderungen bei Grossprojekten zu berücksichtigen sind, erklärt Sven Vock von Velopa.
Herr Vock, können Sie den Begriff Mikromobilität umreissen? Welche Ziele sollen dadurch erreicht werden?
Mikromobilität bezieht sich auf die Nutzung von kleinen, leichten Fahrzeugen für den Personenverkehr, insbesondere in städtischen Umgebungen. Wir zählen Velos, E-Bikes, E-Scooter und ähnliche Fortbewegungsmittel dazu, die für kurze Strecken im urbanen Raum genutzt werden. Ziel ist es, eine flexible, umweltfreundliche und effiziente Alternative zum Auto zu bieten. Im Idealfall reduziert die Mikromobilität die Verkehrsbelastung in der Stadt und senkt die CO2-Emissionen.

Effiziente Infrastruktur zur Förderung der Mikromobilität im urbanen Aussenbereich: Velounterstände mit integrierten Parkiersystemen | Foto © Velopa AG
Welche Rolle spielen dabei Grossparkieranlagen und Velostationen?
Diese sind Puzzleteile der Mikromobilität, da sie eine sichere, komfortable und gut organisierte Infrastruktur zum Abstellen von Velos, E-Bikes und E-Scootern bieten und den Umstieg auf den öffentlichen Nah- und Fernverkehr ermöglichen. Wer diese nutzt, möchte sicher sein, dass ihr oder sein Velo diebstahlsicher parkiert werden kann und auch noch nach der Rückkehr dort steht. Zusätzliche Services wie Reparaturdienstleistungen, Velopumpen oder Ladestationen für E-Bikes erhöhen die Attraktivität. Der Umstieg vom Auto aufs Velo – gerade für Kurzstrecken in der Stadt – gelingt aber nur, wenn das Angebot attraktiv ist. Gute, einfach zu bedienende Veloparkieranlagen, mit ausreichender Beleuchtung für das subjektive Sicherheitsempfinden sind essentiell. Ein Leitsystem bei grösseren Anlagen, wie sie in Autoparkgaragen völlig normal sind und welche die Suche nach einem freien Parkplatz effizient gestalten, helfen zusätzlich, die Attraktivität fürs Velofahren im urbanen Raum zu erhöhen und den Umstieg vom Auto aufs Velo zu vollziehen.
Der neue Velotunnel unter dem Hauptbahnhof Zürich hindurch ist sicher ein Meilenstein für die Zukunft der Mikromobilität. Können Sie beschreiben, welchen Beitrag Velopa geleistet hat und was die Herausforderungen waren?
Das Projekt des Stadttunnels in Zürich ist in der Tat ein echter Meilenstein und ein gelungenes Infrastrukturprojekt. Wir konnten einerseits unser Doppelstock Parkiersystem Etage’2’ einbringen, teilweise mit Lademöglichkeit für E-Bikes, und sind im Moment noch damit beschäftigt, ein Leitsystem zu installieren. Damit sehen Velofahrende bereits bei der Einfahrt, in welchem Bereich der Velostation freie Plätze verfügbar sind. Man verliert so keine Zeit mit der Parkplatzsuche.
Herausforderungen gibt es bei der Montage von Grossparkieranlagen fast immer. In diesem Fall war es sicherlich das Gefälle im Tunnel. Und die Deckenhöhe machte die Montage der Detektion beziehungsweise des Leitsystems zu einer Herausforderung. Zeitpläne sind meistens eng. Aber wenn das Zusammenspiel mit allen Beteiligten vor Ort gut funktioniert, lässt sich für jede Herausforderung eine Lösung finden – so auch hier. Mit den Projektpartnern konnten wir so ein innovatives Konzept realisieren, das den Anforderungen an Funktionalität, Sicherheit und Ästhetik optimal entspricht.

Für die Velostation im Stadttunnel Zürich hat Velopa rund 1060 Veloabstellplätze realisiert − mit direktem Anschluss an den Hauptbahnhof. | Foto © Velopa AG
Mit welchen Entscheidungsträger*innen und Planenden hatte Velopa beim Projekt Stadttunnel Zürich zu tun?
Es waren vielfältige Ansprechpartner. Allen voran Huggenberger Fries Architekten und B3 Brühwiler, welche die Bauleitung gemacht haben. Aber auch mit Vertreter*innen der Stadt Zürich aus dem Tiefbauamt hatten wir einen regen Austausch. Bei derartigen Projekten ist es immer wieder faszinierend, wie unterschiedliche Disziplinen ineinandergreifen und am Ende etwas Tolles – oder eben ein echter Meilenstein – entsteht. So auch im Fall vom Stadttunnel.
Auch wenn der Tunnel erst im Mai dieses Jahres eröffnet wurde: Gibt es bereits Rückmeldungen oder Erfahrungswerte, wie er von den Velofahrenden angenommen wird?
Sehr gut. Es gibt permanent einen regen Betrieb. Zudem haben wir zahlreiche positive Rückmeldungen zu den Parkiermöglichkeiten erhalten, was uns natürlich sehr freut. Der Hauptbahnhof ist für den Individualverkeht seit Jahrzehnten ein Nadelöhr. Jetzt ist es zumindest mit dem Velo einfach, das Gleisfeld zu unterqueren.
Würde es Sinn machen auch in anderen Städten an Verkehrsknoten Velotunnels zu bauen?
Davon bin ich überzeugt. Das Konzept des Stadttunnels Zürich ist jedoch speziell, weil dafür ein seit den 1980er-Jahren brachliegender Autobahntunnel auf geniale Art und Weise umgenutzt werden konnte. Ich bin nicht sicher, ob man ein solches Projekt durchbekommt, wenn es neu gebaut werden müsste.
Zudem muss, wie beschrieben, das Abstellen der Velos immer mitgedacht werden. Wenn dafür kein Angebot da ist, wuchert das Wildparkieren, andere Verkehrsteilnehmende werden behindert oder Verkehrswege blockiert. Es braucht also durchdachte Lösungen.
Aber die Diskussionen müssen geführt werden und zwar möglichst bald, denn tragfähige Lösungen brauchen Zeit. In anderen Städten ist vielleicht eher das Umnutzen von Autoparkgaragen ein Thema. Entscheidend ist, dass etwas hinsichtlich der Mikromobilitätsförderung geht und konkrete Schritte unternommen werden. In den Städten ist eine Verkehrswende notwendig – zugunsten von attraktiveren Aussenräumen und weniger Staus und Verkehrschaos. Davon profitieren am Ende alle.
Das Interview entstand in Zusammenarbeit mit der Velopa AG.