Hobelwerk Haus D

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8404 Winterthur,
Schweiz

Veröffentlicht am 04. April 2024
Pascal Flammer Architekten AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2024

Ansicht Ansicht Innenansicht Innenansicht Innenansicht Innenansicht Innenansicht Innenansicht Balkonansicht Balkonansicht mit Treppe Treppe Balkonansicht Treppendetail

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Hobelwerkweg / 45, 8404 Winterthur, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
08.2023
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
3 bis 5
Anzahl Wohnungen
14
Geschossfläche
2337 m²
Gebäudevolumen
8654 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
8,4 Mio. CHF
Anzahl Arbeitsplätze
20

Beschreibung

Geplant wurde ein Wohnbau, der mit sozialen, integrativen, innovativen Wohnformen neue Möglichkeiten und eine individuelle Anpassbarkeit erlaubt. Das genossenschaftliche Projekt wurde von Pascal Flammer Architekten entwickelt. Ein zentrales Element bei der Planung und Umsetzung war die Verbauung von möglicht vielen Re-Use Bauelementen ohne Sonderstatus.

Ausgangslage
Das Hobelwerk ist das zweite Bauprojekt von «mehr als wohnen» und liegt auf dem Areal der ehemaligen Kälin & Co. AG in Oberwinterthur. Dieses befindet sich direkt beim Bahnhof und bietet sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen Lebensraum. Wie es zur DNA von «mehr als wohnen» gehört, gestalten die Bewohnenden im Rahmen von Partizipationsworkshops aktiv mit. Im Hobelwerk leben und arbeiten über 400 Menschen.

Entwurfsidee
Mit dem Projekt Hobelwerk hat die Baugenossenschaft «mehr als wohnen» ein wegweisendes Arealprojekt realisiert, welches folgende Ansätze erprobt: Innovative Wohnformen inklusive «Wohnen und Arbeiten», barrierefreie Partizipation mit dem Ziel, auch «partizipationsferne» Personen einzubeziehen, Regenwassermanagement mit Schwammstadt-Elementen, klimaregulierende Vegetation, maximale Reduktion des Betonverbrauchs – so wurde bei Haus D auf Untergeschosse verzichtet und die Fundamente aufs Minimum reduziert. Radikaler Holzbau: Schon in der Ausschreibung wurden die Treibhausgasemissionen berechnet und als Zuschlagskriterium bemessen, wie zum Beispiel der Anfahrtsweg der Konstruktionsfirma, der Ursprung des Holzes, Brandschutzmassnahmen, Bodenaufbauten mit geringen Treibhausgasemissionen. Eine CO₂ gesteuerte Abluftanlage und die Verbauung von Re-Use Bauelementen ohne Sonderstatus. Das heisst, wiederverwendete Bauteile wie zum Beispiel Fenster oder Fassadenelemente wurden in den regulären Bauprozess integriert – möglichst ohne Kompromisse bei Komfort und Mehrkosten. Im Gegensatz zu früheren Re-Use-Vorhaben wird hier ein pragmatischer Ansatz verfolgt, der auch im Rahmen von konventionellen Bauprojekten umsetzbar ist.

Projektierung
Im Rahmen des BFE Projekts «Skalierbare Lösungen für den Weg zu Netto-Null» wurde der Prozess laufend wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. So konnten in diesem Projekt durch die Wiederverwendung von Bauteilen 34 Tonnen CO₂-Äquivalente eingespart werden. Die 3,60 Meter hohen Wohnateliers im Erdgeschoss eignen sich für kleine Gewerbetreibende, da Wohnraum und Gewerberaum eng ineinander verwoben sind. So teilen sich beispielsweise vier kleine Wohnungen einen gemeinsamen Gewerberaum. In den drei Obergeschossen befinden sich sechs achter Zimmer Clusterwohnungen, die bei Bedarf auch als drei 16-Zimmer Einheiten bewohnt werden können. Die Grundrisse der Clusterwohnungen mit unterschiedlichen Clustereinheiten eignen sich für unterschiedliche Nutzertypen: mit oder ohne Bad, eins, zwei oder drei Zimmer. So kann auf unterschiedliche Bedürfnisse und Wohnbudgets eingegangen werden. Eine Studentin bevorzugt eventuell eine günstige Miete ohne eigenes Bad, ein Senior lieber mit eigenem Bad oder eine kleine Familie sucht ein drei Zimmer-Cluster mit Anschluss an die grossen Gemeinschaftsräume. Alle Zimmer liegen im Nordosten, alle gemeinschaftlichen Räume sind nach Süd-Westen ausgerichtet und der Balkon hat Sichtbezug zum Wohnareal. Eine minimale Erschliessungszone und eine hohe Repetition erhöhen die Wirtschaftlichkeit.

Realisierung
Das Gebäude wurde funktional ausgeschrieben mit der Absicht, die Konstruktion möglichst auf pragmatische und praktische Anforderungen zu reduzieren. So ist ein Innenausbau nahezu absent. Als Konsequenz sind unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheiten und verschiedene Handschriften der Handwerker*innen vorzufinden; Neues liegt neben Re-Use-Elementen. Die Heterogenität der Bauteile wurde als Charakter akzeptiert – und doch mit einem konzeptionellen Akt homogenisiert: Alles wurden mit einer dünnen Schicht weisser Farbe gestrichen. So erscheint das Gebäude von fern als einheitlicher weisser Neubau und beim näher Herantreten wird ein Festival diverse Akteure sichtbar: Neu und Wiederverwendet, glatte und rohe Materialien, verschiedene Ausführungspräzisionen, unterschiedliche Elemente, Handwerkliches auf industriell Gefertigtes. Re-Use Architektur wurde bis anhin vor allem als «Patch-work-Architektur» verstanden. Hier wurde durch das Vereinheitlichen mit der weissen Farbe eine weitere mögliche Re-Use Ästhetik hinzugefügt.

Besonderheiten
Es wurde eine maximale Widerverwendung von Bauelementen (Re-Use) ohne Sonderstatus angestrebt, sprich die Gesamtkosten der wiederverbauten Bauteile dürfen die Neubaukosten des funktional gleichen Bauteils nicht überschreiten. Es wurden circa 50 Bauteile auf den Sonderstatus überprüft. Die folgenden 22 Bauelemente konnten verbaut werden: Aluminium Wellblech (155 m², Coop Grüze), Balkonfenster (12 St. Eisenbahngenossenschaft, Basel), Zimmerfenster (48 St., Eisenbahngenossenschaft, Basel), Fenster (2 St., Schule Manegg, Zürich), Gitterroste (17 m², Polizeigefängnis, Zürich), Granitplatten (30 m², ZKB Dübendorf), Holzrost (270 m², EFH Erlenbach), Fensterläden (53 St. Eisenbahngenossenschaft Basel), Storen zu Fenster (2 St. Schule Manegg, Zürich), Keramikplatten (446 m², Restposten, Herkunft divers), Türblätter (63 St. ZKB Dübendorf), Waschtisch (10 St. Europaallee G, Zürich), Spiegelschrank (15 St. Europaallee G, Zürich), Dusch-WC (1 St. Europaallee G, Zürich), Ausguss und Armatur (1 St. Europaallee G, Zürich), Haltegriff WC klappbar (1 St. Europaallee G, Zürich), Haltegriff WC klein (1 St. Europaallee G, Zürich), Handtuchhalter (11 St. Europaallee G, Zürich), Handtuchstangen (23 St. Europaallee G, Zürich), Schiebetüren (16 St. Europaallee G, Zürich), Briefkästen (4 St. MFH Seebach), Wandtafelflügel (10 St. Schulhaus Buttikon)

Das Projekt von Pascal Flammer Architekten wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2024 eingereicht und von Sabrina Hobi publiziert.

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