Kommen, Gehen und Bleiben
,
Schweiz
Veröffentlicht am 17. April 2023
Jaeger Koechlin BSA SIA
Teilnahme am Swiss Arc Award 2023
Projektdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Eine kleine Hausgemeinschaft, ein offenes Treppenhaus mit aufstrebendem Liftschacht als zentrales gemeinschaftliches Element des Hauses. Dazu anpassungsfähiger Wohnraum: dem Gehen der Kinder folgt das Kommen neuer Bewohner; diejenigen die bleiben können im gewachsenen Wohnumfeld weiterleben.
Ausgangslage
Auf dem ehemaligen Industrieareal Lysbüchel Süd entsteht ein Wohnquartier. Die gewachsene Blockrandstruktur der Stadt trifft hier auf grossmassstäbliche Industriebauten des 20. Jahrhunderts. Im Kontext der verschiedenen historischen Strukturen des Areals nimmt die Parzelle an der Elsässerstrasse 139 in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. Sie markiert einerseits das letzte Glied einer Kette von fünfgeschossigen Wohnbauten, andererseits bildet sie den Abschluss dieser unvollständigen Blockrandstruktur und leitet zu der grossmassstäblichen Bebauung des benachbarten Industrieareals über.
Entwurfsidee
Der Raum als Wohneinheit ist ein wiederkehrendes Thema in der Architektur. Basierend auf reiflichen Überlegungen zu Räumen und ihrem Potenzial, als Ort zum Wohnen und für die Unwägbarkeiten des menschlichen Lebens zu dienen, wird in diesem Entwurf ein genossenschaftliches Wohnkonzept entwickelt. Raumfluchten bilden die Grundstruktur jeder Wohnung. Einige orientieren sich an der Fassade, andere verlaufen in einer leichten Diagonale vom Balkon über die zentrale Küche bis hin zum Wohnzimmer. Ungeachtet der begrenzten Räumlichkeiten stellt jede Wohnung eine abwechslungsreiche Landschaft dar, in der man sich auf verschiedenen Wegen bewegen kann.
So kann jede Wohnung durch Unterteilung in zwei kleinere Wohnungen verwandelt werden, wenn sich die Bedürfnisse der Bewohner im Laufe der Zeit ändern, je nach Alter und Familiengrösse.
Zur Elsässerstrasse hin, nimmt sich das Gebäude sowohl in seiner Grösse als auch in seinem Erscheinungsbild zurück, während es an der Giebelseite, die einer neuen öffentlichen Durchwegung zugewandt ist, eine lebhaftere Gestalt annimmt, als sorgfältige Komposition aus Aufzug, Treppe und gemeinschaftlichem Dachgarten. Diese Erschliessung verbindet sich mit den durchlässigen und offenen Loggien zu einer Fassade, die vom Leben der Bewohner erfüllt ist.
Projektierung
Die Fassade an der Elsässerstrasse bildet die Schauseite des Neubaus. Der zweigeschossige Sockel und die regelmässig angeordneten Fenster artikulieren den Typus des Stadthauses und schaffen einen Bezug zu den benachbarten gründerzeitlichen Wohnhäusern. An der Nordwestseite verdichten sich die verschiedenen stadträumlichen Konditionen der Parzelle und des Areals auf besondere Weise. Im Kontext der neuen Bebauung des Lysbüchelareals, wird diese Brandwand zur dritten Fassade des Hauses und damit zum stirnseitigen Abschluss des Blockrandes. Es ist diese Ambivalenz und Spannung der unterschiedlichen Motive und Anforderungen, die durch die Gestaltung der Nordwestfassade unterstrichen und herausgearbeitet werden. Das offene Treppenhaus mit seinem aufstrebenden Liftschacht hebt sich von diesem Fassadenfragment ab. Es ist das zentrale gemeinschaftliche Element des Hauses. An diesem offenen Begegnungs- und Erschliessungsraum werden alle Wohnungen und Balkone mit dem gemeinschaftlichen Garten und der Dachterrasse verbunden. Dieser öffentlichste Teil des Hauses liegt exponiert und sichtbar an der hofseitigen Ecke der Nordwestfassade. Er wird als begehbare und erlebbare Skulptur inszeniert. Durch die Öffnungen dieses Körpers an den An- und Austritten der Treppe wird das « Kommen, Gehen und Bleiben» im Haus ablesbar und so die Nachbarschaft in das Hofinnere erweitert.
Realisierung
Die Schwierigkeit bestand darin, den unterschiedlichen Seiten gerecht zu werden und gleichzeitig ein Haus zu schaffen, das nicht «auseinanderfällt». Es sollte ein Haus entstehen mit einer gewissen Robustheit, Massivität und genügend Präsenz. Für die Materialisierung wurde darauf geachtet, langlebige Materialien zu verwenden, die schön altern: mineralischer Waschputz in den oberen Geschossen, Zweischalenmauerwerk im Erdgeschoss und auf den Balkonen, das Treppenhaus in Sichtbeton. Die Oberfläche ist dort am feinsten (haptisch) und gleichzeitig am härtesten (robust), wo sie berührt werden kann.
Besonderheiten
Kunst am Bau von Simone Steinegger:
Phoenix Reloaded: https://www.simonesteinegger.com/2022-phoenix-reloaded
Synergy: https://www.simonesteinegger.com/2022-synergy