Musikpavillon Sihlhölzli

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8003 Zürich,
Schweiz

Veröffentlicht am 27. März 2025
Camponovo Baumgartner GmbH
Teilnahme am Swiss Arc Award 2025

Innenansicht der Umkleideräume Frontalansicht des Musikpavillons Bau von Herter und Maillart um 1931 Gestrichene Stahltüren der Duschkabinen Bodenbelag aus Gummigranulat Sportgeräte wie Instrumente Restaurierte Charrierung Eingang zu den Umkleideräumen Neue maßgeschneiderte Leuchte Splitterspiegel am Fenster Sportaktivität im Gegenlicht

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Manessestrasse 19, 8003 Zürich, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
07.2024
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
1
Anzahl Kellergeschosse
1
Grundstücksfläche
59'000 m²
Geschossfläche
265 m²
Nutzfläche
177 m²
Gebäudevolumen
920 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
1,9 Mio. CHF

Beschreibung

Wo vor fast hundert Jahren auf einer geschickt gezimmerten Tribüne Blasinstrumente zum Orchesterklang ansetzten, werden heute andere dramatische Bewegungen vollzogen: die der körperlichen Ertüchtigung. Durch die Instandsetzung des Musikpavillons Sihlhölzli, 1932 erstellt vom Stadtbaumeister Hermann Herter und dem Ingenieur Robert Maillart, wurde nicht nur die im Ausdruck prägende Ära des Pavillons als Ort der Musik verabschiedet, sondern ein geschichtsträchtiger, architektur- und ingenieurtechnisch-relevanter Bau nach Jahrzehnten der praktischen Nichtbenützung einer sportlichen Öffentlichkeit zugeführt. Gemeinsam mit dem Sportamt hat die Stadt Zürich entschieden, den denkmalgeschützten Betonschalenbau zu überholen und eine Calisthenics-Anlage mitsamt Garderobenräumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Vor genau 85 Jahren noch in der lokalen Wiediker Post als «famose Prunkmuschel» betitelt, ist das Gebäude heute ganz sicher Prunk und vielleicht auch ein bisschen Punk.

Metallische Sportgeräte setzen auf einem feuerrot-orange gesprenkelten Gummigranulat zu einer dichten, rhythmischen Choreografie an. Das monolithisch wirkende, jedoch jederzeit rückbaubare Sportpodest ist aus einem Unterbau aus Holz und Stahl geformt: Wie eine Zunge liegt es in der mit grossem Atem geöffneten Muschel und präsentiert die Nutzenden der Anlage. Um nächtlichen Vandalen vorzubeugen, ist der Sportbereich durch feine, dunkelgrüne Pfosten mit Edelstahlkugeln und lachsrote, mit elliptischen Bögen abgeschlossenen, Wellengittern begrenzt, welche den historischen Brüstungen folgen. Die Formen und Farben ergänzen das geölte Oregonholz des Tribüneninnenraumes, den altersbedingten Grünspan des kühn überhängenden kupferbedeckten Ovals und den scharrierten Beton der akustisch geformten, massiven Rückwand. Der Begriff des Musculus gilt dabei nicht nur der behaltenen Form, sondern gleichsam der neuen Nutzung: Muschel ist Musculus ist Muskel.

Zu den Garderoben gelangt man über zwei seitliche pergolaartige Abgänge. Wie Fühler nach aussen ausgestreckt, holen die Stahlstrukturen die Nutzenden ab. Entgegen der wettergeschützten, pulverbeschichteten und gestrichenen Gitter und Stützen sind diese feuerverzinkt und wirken natürlich abgewaschen. Die Nüchternheit, die durch die präzis eingebrachten Rundleuchten fast schon technoid wirkt, führt in eine Welt nach unten, welche eine frische Entdeckung bereithält.

Das eingegrabene Untergeschoss überrascht mit Helligkeit, Leichtigkeit und optischer Weite. Ein lachsroter, plastischer Metalleinbau, minutiös handgestrichen, welcher sich radial ausbreitet und WC- und Duschkabinen beherbergt, schreibt dem muschelförmigen Grundriss eine eigene Raumschicht ein.

Die Kabinen sind grosszügig genug, um über einen Bodenbelagwechsel in zwei Bereiche unterteilt zu werden. Dessen seegrüne Farbe gilt als unterer Abschluss und referenziert das bauzeitliche, oxidierte Kupferdach. Gemeinsam mit den Kabinen bilden mehrere schlanke, tragende Stützen, um welche breite Bogentüren pivotieren und wo die eigens, an ein altes Vorbild referenzierten, 3D-gedruckten Leuchten angebracht sind, das Kernstück der Garderoben. Die hohen, manschettenartigen Türscharniere, welche den strukturellen Elementen noch vor deren Einbau perlenartig übergestülpt wurden, fordern dabei die gewöhnliche Hierarchisierung von Architektur und Struktur heraus.

Oberhalb der Kabinen fassen grosszügige Spiegelflächen den Raum. Optisch weisen sie auf die tatsächliche Grösse des zweigeteilten Raumes hin. Die restlichen Oberflächen an Decke und Wand sind in feinen Kalkputz getüncht und mit vertikalen, in der Oberfläche bewegten Wandplatten bekleidet. Vollendet werden die Räume durch Schliessfächer, die sich in einem Korsett aus vorgefertigten Stahlrahmen der Aussenwand entlang schmiegen. Durch ihr Weiss changieren sie zwischen Wandprofil und neuer Schicht.

Die Instandsetzung Sihlhölzli ist eine Annäherung an die architektonischen Formen und Elemente verwandter Bauten Hermann Herters, angepasst an die vorgefundene Ingenieurskunst Robert Maillarts. Wir sagen: «Lasst die Muskeln spielen», und hoffen auf eine lange Lebensdauer eines empfindlichen Erbes.

Das Projekt von Camponovo Baumgartner wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2025 eingereicht und von Jeannine Bürgi publiziert.

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