Rustico Semione

 
6714 Semione,
Schweiz

Veröffentlicht am 10. April 2024
Camponovo Baumgartner GmbH
Teilnahme am Swiss Arc Award 2024

Essraum Aussenansicht Küche «Fenster» Fügung Hinteransicht Küche Radiator Schlafzimmer Schlafzimmer Schwelle Spuren im Badezimmer Treppe Türen

Projektdaten

Basisdaten

Projektkategorie
Gebäudeart
Fertigstellung
02.2024

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
2
Grundstücksfläche
1017 m²
Geschossfläche
278 m²
Nutzfläche
195 m²
Gebäudevolumen
2905 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
700'000 CHF

Beschreibung

Die Renovation des Rustico Semione durch Camponovo Baumgartner leistet einen Beitrag zum Erhalt wichtiger architektonischer Zeitzeugen. Durch die Instandsetzungen als Ferienhaus mit einer neuen inneren Erschliessung und räumlichen Einteilung wird eine Kulturlandschaft gepflegt, welche zu verwildern droht.

Ausgangslage

Die private Bauherrschaft wünschte, ihr erworbenes Rustico ganzjährlich nutzbar zu machen. Dabei war es ihnen wichtig, auf den Charakter des Bestandes einzugehen und dessen Geschichte würdig fortzuschreiben.

Entwurfsidee

Das Hauptaugenmerk der Ertüchtigung lag auf drei Aspekten: Eine neue inneren Erschliessung, welche die bestehende, vorgesetzte Holzlaube entlasten soll; der Erhalt sämtlicher Spuren, die vom früheren gemeinschaftlichen Leben im Rustico erzählen, sowie einfache haustechnische Eingriffe – allem voran eine effektive Heizung, um den Wohnbereich und die Schlafzimmer zu temperieren zu können.

Projektierung

Sämtliche Innenwände wurden rückgebaut und damit im Wohngeschoss die alte Aufteilung eliminiert. Entlang der Aussenwände wurden Fliesen, Farbanstriche und Malereien brailleartig erhalten. Der Wohnbereich wird nur noch durch einen asymmetrisch platzierter Zylinder mit der Treppe zoniert, die sich alle Geschosse emporwindet und eine Art neues Rückgrat bildet. Nicht nur räumlich, sondern auch haustechnisch, denn er übernimmt die Funktion eines Radiators, der von allen Räumlichkeiten des Rusticos aus erlebbar ist. Im Erdgeschoss schiebt sich ein Küchenblock radial in den Wohnbereich. Im ersten Geschoss formiert das Rund in Kombination mit den offen stehenden Türen eine performative räumliche Zwischenzone à la Hermann Czech. Eintretende sind geschützt und stören die räumliche Integrität nicht. Und im zweiten Geschoss offenbart im Treppenraum ein humoristisches Fenster die Struktur: Durch das lokale Weglassen einer Gipsplatte sind Holzständer, Ziegelsteine, Heizschlaufen und Lehmputz sichtbar. Die räumlichen, konstruktiven und formalen Lösungen sind den aktuellen Bedürfnissen angepasst. Gegenläufig zum offenen Wohnbereich wurden in den oberen Etagen neue Wände eingezogen, um der fragilen Statik und der Ferienhausnutzung gerecht zu werden. Ein neues Fachwerk, das den aktuellen Verlauf der Kräfte abzeichnet, fügt den bestehenden bildhaften Elementen weitere hinzu. Die vielfältigen Anstriche der neuen Innenwände wurden von den lebendigen Farben des Bestandes inspiriert.

Realisierung

Die vielen vorhandenen historischen Schichten wurden als Grundlage für alle Entscheidungen herangezogen. In den Zimmern wirken die Farben von salbeigrün, lachsrot, hellblau, violett, lavendel und zitronengelb besänftigend und zugleich belebend. Ganz bewusst verdecken die Lasuren die natürlichen und nüchternen Materialien nie vollständig.
Bei den Türen imitieren die unterschiedlichen Oberflächenbehandlungen typische Täfer. Die neu eingebauten Fenster in kraftvollem Schwarz und intensivem Rot akzentuieren die Fassadenöffnungen und zelebrieren die idyllische Aussicht. Die neuen Sanitärräume erhielten hellblaue und rosa Fliesen. Gemeinsam mit Volumina in den Raumecken bilden sie technische Steigzonen. Aufputzleitungen in Chromstahl stechen ins Auge, während Flicken im Boden fas nahtlos eingefügt sind und damit beinahe unsichtbar. Während Unterschiede mancherorts hervorgehoben sind, wurden sie andernorts verschleiert.
Das Rustico Semione zeichnet sich durch eine minime Eingriffstiefe aus, was zu einer Koexistenz technischer und architektonischer Aspekte geführt hat. Überall im Haus spürt man die Leitmaxime: So viel wie nötig; so wenig wie möglich.

Das Projekt von Camponovo Baumgartner wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2024 eingereicht und von Jørg Himmelreich und Valentin Oppliger publiziert.

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