Musikpavillon

2 von 3

 
8400 Winterthur,
Schweiz

Veröffentlicht am 28. März 2023
Atelier Void GmbH + Lorenz Bachmann
Teilnahme am Swiss Arc Award 2023

Gartenfassade mit Vorhang Gartenkonzert Gartenkonzert Musikraum und Entrée Musikraum mit Konzertflügel Bestand und Neubau Hoffassade Gartenkonzert Fassade der dienenden Schicht Detail Fassade Gartenfassade Eingangstüre Detail Schuppen Gartenkonzert Gartenkonzert

Projektdaten

Basisdaten

Projektkategorie
Gebäudeart
Fertigstellung
06.2020
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
1
Grundstücksfläche
505 m²
Geschossfläche
42 m²
Nutzfläche
31 m²
Gebäudevolumen
193 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
600'000 CHF

Beschreibung

Der Musikpavillon für eine Konzertpianistin ist ein schlichter eingeschossiger Giebelbau inmitten eines blühenden Gartens. Eine blaue Schuppenfassade aus Faserzementplatten umhüllt einen Musikraum, der sich an den Längsfassaden vollständig zum Garten öffnet.

Ausgangslage

Am Eschenberg südlich der Winterthurer Altstadt, liegt ein ruhiges Wohnquartier mit schönen Gärten und bescheidenen Einfamilienhäusern aus den 1920er-Jahren. Die Bauherrin ist Pianistin. Ihr wurde es zu eng, das kleine Wohnzimmer mit ihrem Konzertflügel zu teilen. Sie hatte die Vision von einem stillen und zauberhaften Raum, der Teil ihres Gartens ist. Ein Raum, der sich ganz der Musik widmet, wo sie üben und unterrichten kann.

Entwurfsidee

Der eingeschossige Musikpavillon ergänzt das bestehende Einfamilienhaus zu einem Ensemble und gliedert den Aussenraum in zwei Bereiche: Einen intimen Hof, von dem aus man durch eine schmale Tür in den Musikpavillon gelangt, und einen offenen Garten, der zu jeder Jahreszeit in verschiedenen Farben blüht und allerlei Insekten und Vögel anzieht. Das Herzstück des Musikpavillons ist der hohe Musiksaal mit einem Konzertflügel. Der Raum ist intim und zugleich Teil des Gartens. In der hofseitigen Giebelfassade befindet sich eine Erschliessungsschicht, die den Musiksaal funktional ergänzt und den Musikpavillon zu einem eigenständigen Gebäude macht.

Projektierung

Der eingeschossige Musikpavillon steht auf einem schlichten Betonsockel. Wie ein Kartonmodell sind die Wände und Dachflächen aus zwölf Zentimeter dicken Brettsperrholzplatten konstruiert. Das steile Satteldach liegt an beiden Enden auf den Giebelwänden auf und schwebt an der Traufe, um den Raum vollständig zum Garten zu öffnen. Das Gebäude ist mit dicken Faserzementplatten verkleidet, die in 21 verschiedenen Blautönen schimmern. Die Fassade wurde in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro SVNM entwickelt und in Handarbeit gefertigt. Vom Eingang führt eine kleine Stufe in den Musikraum, der sich auf beiden Längsseiten vollständig zum Garten hin öffnet. Die weissen Holz- und Textilflächen reflektieren das grüne und blaue Licht der Umgebung. Das hohe Satteldach gibt dem Klang genügend Raum zur Entfaltung und vermittelt den Musikern dennoch ein Gefühl der Geborgenheit, da es entlang der Traufe fast bis auf Augenhöhe reicht. Die Schiebefenster aus Aluminium sind deutlich grösser als der Innenraum und so am Rohbau angeschlagen, dass der Garten ungehindert durch den Musiksaal hindurchfliesst. In der Giebelfassade zum Hof verbirgt sich eine dienende Schicht mit minimalistischem Eingang, Toilette und viel Stauraum für die Notenbibliothek. In dieser Zwischenschicht werden die Materialien des Rohbaus sichtbar: der Betonsockel und das frische Fichtenholz der Brettsperrholzplatten.

Realisierung

Schuppenförmige Fassade: In Zusammenarbeit mit Solanella Van Noten Meister Architekten entwickelten wir in mehreren Workshops eine Schuppenfassade aus Zementfaserplatten. SVNM komponierte 21 verschiedene Blautöne aus mineralischen Pigmenten und fertigte die hochwertigen Platten in Handarbeit. Ein befreundeter Mathematiker entwickelte einen Algorithmus, um die 1650 Schuppen unregelmässig und zufällig zu verteilen. Auf der Baustelle halfen schliesslich viele Freund*innen sowie die Bauherrschaft, die Platten zu sortieren und zu montieren. Fünf Schuppen wurden als Unikate mit Reliefzeichnungen der Künstlerin Natalie Meister gefertigt und nehmen spielerisch Bezug auf die Umgebung.

Besonderheiten

Raumakustik: Eine Kombination aus Akustikmodulen, die in verschiedenen Frequenzbereichen schallabsorbierend ausgelegt sind und speziell für den Raum berechneten schallstreuenden Elementen, sorgt im Musikpavillon sowohl für eine angenehme Lautstärke als auch für einen lebendigen Klang. Die dafür nötigen komplexen Strukturen finden sich an der Untersicht des architektonisch prägnanten Giebeldachs und wurden projektspezifisch geplant und von einem Tischler angefertigt.
Um das von Seiten der Architektur gewünschte Erscheinungsbild eines zurückhaltend-harmonischen Raumes nicht zu stören, sind die inneren Dachflächen mit akustisch transparenten Textilien bespannt. Auch die Wandoberflächen des Pavillons übernehmen diskret weitere Funktionen hinsichtlich der Raumakustik, während sie optisch zusammen mit der Decke eine homogene Erscheinung bieten.
Grosse Glasschiebetüren an den Längswänden des Pavillons, welche bei Bedarf mit transluziden Akustikvorhängen bedeckt werden können, sorgen für eine angenehme Weite des Raumes – sowohl akustisch als auch optisch. Das Auge hört bekanntermassen mit!

Konzertreihe «Pavillon Bleu»
Um den Musikpavillon mit der Öffentlichkeit zu teilen, gibt es seit dem Herbst 2021 die kleine Konzertreihe «Pavillon Bleu». Renommierte Musiker*innen werden zweimonatlich eingeladen, Konzerte in diesem intimen Rahmen zu geben. In den Wintermonaten finden die Konzerte für rund 20 Gäste im Musikpavillon statt. In den Sommermonaten öffnet sich der Musikpavillon als Bühne zum blühenden Garten.

Der Text wurde von den Architekt*innen im Zusammenhang mit der Einreichung des Projektes für den Arc Award 2023 verfasst.

192133447