Muzeum Susch

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7542 Zernez,
Schweiz

Muzeum Susch Mimikry: Stützmauern  oder Fassaden? Neu oder alt? Der Dialog zwischen  Neuem und Bestehenden trägt zur erfolgreichen Integration des Museums in seine Umgebung bei. Das höhlenartige Lager  der Brauerei wurde in  eine Museumshöhle  umgewandelt. Der zufällige Schnitt der Felswände  wird durch die Beton- schalung und die Hohlfuge des Terrazzo entlang der Wände verstärkt. Chesa Della Santa, Untergeschoss: Unterfangung der traditionellen Mauerwerkswände, Sanitärkern aus Waschbeton, Untersicht des ursprünglichen Bodens in Lärche und Stahltreppe entlang der bestehenden Felswand. Chesa Della Santa, Erdgeschoss:  Das Lärchenholz in Kombination mit  der Kalkputzschicht ist die ideale  Kulisse, um die intensive Präsenz der zerklüfteten Topographie wirken zu lassen. Auf der Zwischenterrasse befinden sich  die Amphibolit-Fassade der neuen Ausstellungsräume und das mit «Engadiner Putz» beschichtete Mauerwerk. Chesa Della Santa, 1. Obergeschoss:  Ein erhaltenes traditionelles Zimmer in Blockbauweise. Das Auditorium ist auf  Richtung Inn orientiert. Hier finden verschiedene Veranstaltungen wie Konferenzen, Musikabende und Aufführungen statt. Durch zwei grosse Erker, deren Abmessungen auf die vorherige Nutzung als Stall hinweisen, fällt Licht in den Rau

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Sur Punt 78, 7542 Zernez, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
06.2018

Beschreibung

Wie dem Fels entsprungen

Das neue geschichtsträchtige Muzeum Susch schafft eine Oase der Atmosphäre, inspiriert von der Verbindung aus Kunst, Landschaft und Architektur.

Das Herz von Susch, einem kleinen Dorf im Unterengadin am Fusse des Flüelapasses und am Inn, scheint auf der linken Seite zu schlagen: Bahnhof, Hauptstrasse, Hotels, Geschäfte und lokale Geschäfte liegen auf derselben Uferseite. Dabei richtet sich der Blick auf die andere Seite des Flusses, auf der Suche nach dem Muzeum Susch, das am 2. Januar 2019 seine Pforten öffnete. Da es nur wenige Autominuten von St. Moritz und Davos entfernt liegt, ist die Standortwahl nicht so seltsam, wie es zunächst erscheint.

Chasper Schmidlin und Lukas Voellmy, zwei dreissigjährige Architekten aus Zürich, welche auch die Kunstgalerie von Bartha (2009) in Basel neu gestalteten, haben einen Direktauftrag erhalten. Indem sie die Spuren des ehemaligen Gebäudes betonen und dabei gleichzeitig neue, ganz spezielle Räume kreieren, gelingt es ihnen, ein Gleichgewicht zwischen Erhaltung und Intervention herzustellen. Es ist schwer zu sagen, wo die Natur endet und die Kunst beginnt in diesem Projekt, das gleichzeitig wie ein alpines Chalet, eine
primitive Höhle und ein Versteck für den Bösewicht in einem James-Bond-Film wirkt.

Privates Museum für zeitgenössische Kunst
Nichts deutet darauf hin, dass an der Adresse Sur Punt 78 in Zernez ein privates Museum für zeitgenössische Kunst sein Zuhause hat, das von der polnischen Unternehmerin Grayna Kulczyk finanziert wird, deren Sammlung teilweise vor Ort ausgestellt ist (ortsspezifische Werke). Das Raumprogramm gliedert sich in zwei Gebäude, die durch einen Tunnel miteinander verbunden sind: die «Bieraria Veglia» (Empfang, Bistro, Dauerausstellung, Auditorium, Verwaltung, Bibliothek) und die «Bieraria» (Dauer- und Wechselausstellung) befinden sich im ehemaligen Presbyterium, Hospiz und Brauerei eines Klosters, dessen Spuren bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Künstlerresidenzen, die sich in der «Chesa Della Santa» befinden, sind mit dem Museum verbunden, jedoch nicht öffentlich zugänglich.

Unterirdischer Sockel
Von der unteren Ebene der «Bieraria Veglia» gelangt man ins Museum: Eine mit Kieseln gesäumte Rampe führt von aussen zur Rezeption, so als hätte ein Fluss das Gebiet einst durchquert. Und das scheint immer noch der Fall zu sein: Ein glänzendes Netz fliesst mäanderartig entlang einer Felswand am Ende des Tunnels. Hinter dem Empfang erinnert ein steinerner Futtertrog an den ehemaligen Stall. An anderer Stelle zeugen zwei Rauchbalken, die an der Basis eines geschwärzten Halbkreisgewölbes eingebettet sind, von dem einer Räucherei. Ein grauer aus dem Sand des Flussbetts hergestellter grober Putz verleiht den Wänden ein homogenes Erscheinungsbild und hebt gleichzeitig die Verschiedenartigkeit der Böden hervor: ein unregelmässiges Pflaster aus farblich unterschiedlichen Flusssteinen mit verschiedenen Strukturen wechseln sich mit Platten unterschiedlicher Grösse und Dicke ab, während sich ein durchgefärbter und leicht geschliffener Terrazzo wie eine Ölschicht ausbreitet, ohne jedoch die Wände der alten Räume zu berühren. Die Wahl und Verwendung der Materialien spiegeln eine archaische, einfache und funktionale Schönheit wider.

Obergeschoss mit Engadiner «Pierten»
Im Obergeschoss öffnet sich der traditionelle «Pierten» (der Eingangsbereich eines Engadiner Hauses) zur Bar und auf die Arbeitstische aus patiniertem Rohstahl. Das Bistro befindet sich in zwei authentischen Stuben, die mit zeitgenössischen Elementen interagieren, wie beispielsweise der von Joe Colombo entworfenen und von den Architekten leicht modifizierten Beleuchtung oder die antiken Tapisserien in den Wandtäfelungen. Von hier aus kommt man auch zum doppelthohem Auditorium mit seinen zwei grossen Fenstern, die den Blick auf den Fluss und zum Friedhof der nahegelegenen Reformierten Kirche freigeben. Der Boden ist ein massiver Lärchenboden aus 12 Meter langen Dielenbrettern, die wie eine präzise Intarsie tête-bêche angeordnet sind.

Höhlen und Lofts
Besonders deutlich wird der architektonische Eingriff in der «Bieraria», ein Bereich mit sehr unterschiedlichen Räumen, ganz nach dem Caso-per-caso-Prinzip; diese reichen von in den Fels gehauene Höhlen, über Lofts bis hin zu eher traditionellen Ausstellungsräumen. Durch den Aushub von 9000 Kubikmetern Amphibolit, einem lokalen Gestein, konnte das bestehende Höhlensystem der Brauerei (ein Lager, eine Kühlkammer und ein Hohlraum mit Zugang zu einer Quelle) ohne besondere Kunstgriffe ergänzt werden.

Massiver Lärchenboden
Im Gegenzug wurden die ineinandergreifenden Volumen, die den sichtbaren Teil der «Bieraria» ausmachen, um einen Meter angehoben und mit Pultdächern ähnlich denen des Originals bedeckt. Die Räume unterhalb des Gebälks sind mit einem massiven Lärchenboden versehen, der sich perfekt an die unregelmässig verputzten Wände anpasst. Ein grosser Hohlraum, welcher von der Brauerei im Sommer für die Kühlung benutzt wurde, markiert das Zentrum der «Bieraria». Die Unterfangung und das Hinzufügen eines fassadenbündigen Oberlichts mit Profilbauglas vergrössern den Lichtschacht, in dem sich ein Werk von Monika Sosnowska befindet: eine massive, dekonstruierte Treppe mit Stufen, die wie zerknitterte Fransen herunterhängen.

Dreiläufige Betontreppe
Die vertikale Erschliessung der «Bieraria» wird durch einen Aufzug und eine vor Ort gegossene dreiläufige Betontreppe mit schwarz lackierter Brüstung sichergestellt. Die horizontale Erschliessung erfolgt um den Lichtschacht, der zu den Räumen in den beiden oberen Ebenen führt. Trotz ihrer grossen Ausdehnung ist die «Bieraria» sehr gut in den Kontext integriert. Die Fassaden der neuen, aus dem Fels gewonnenen Räume sind mit Amphibolit aus Opus incertum bestückt. Im oberen Bereich soll bald eine Skulptur des unterengadiner

Lokales Handwerk
Das Muzeum Susch ist das Ergebnis eines umtriebigen lokalen Handwerks und der Fähigkeit der Architekten, eine begrenzte Auswahl an Materialien einzusetzen – ganz zu schweigen von der gelungenen Kombination aus einem originellen Programm und einem unerwarteten Ort. Dieser magische Ort, an dem sich historische Struktur, zeitgenössische Kunst und Landschaft vereinen, weist alle Eigenschaften auf, um auch langfristig eine wichtige Attraktion im Unterengadin zu bleiben.

Text: François Esquivié

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