
Photo Elysée und Mudac
,
Schweiz
Veröffentlicht am 24. Februar 2022
Aires Mateus International Sàrl
Teilnahme am Swiss Arc Award 2022
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Das Kunstquartier Plateforme 10 in Lausanne wird weitergebaut. Zum Musée cantonal des Beaux-Arts kamen neu das Museum Photo Elysée und das Mudac hinzu. In einem Gebäude vereint, symbolisiert eine Spalte die verbundenen zwei Institutionen und formuliert zugleich eine Einladung an die Passanten einzutreten.
2016 begann der Abriss der alten Lokomotivhallen beim Hauptbahnhof in Lausanne. Dies markierte den Beginn eines ehrgeizigen Projekts, nämlich die Schaffung eines neuen Kulturzentrums, das drei Museen an einem Ort vereint. Bei den folgenden Wettbewerben stand die Frage im Zentrum, wie mit den Museen ein lebendiger, neuer städtischer Raum geschaffen werden könnte. Weil das Gelände unmittelbar neben den neun Bahnsteigen des Hauptbahnhofs liegt, taufte man es Plateform 10. Bereits jetzt ist die neue Esplanade zwischen den Museen recht belebt. Kulturliebhabende mischen sich mit Menschen, die in der Nähe des Bahnhofs arbeiten und mit dem Blick auf die Züge und den Genfersee ihre Mittagspause verbringen, Kinder spielen dort und Velofahrer flitzen vorüber.
Die erste Etappe wurde 2019 vom spanischen Büro Barozzi Veiga mit dem Bau des Musée cantonal des Beaux-Arts abgeschlossen, mit einem linearen Gebäude, das parallel zu den Gleisen liegt. Mit den Museen des Elysée und dem Mudac, die in einem Gebäude vereint sind, wurde nun der zweite Baustein der kulturellen Infrastruktur fertiggestellt. «Ein Museum, zwei Museen» war treffenderweise der Name, den das Büro Aires Mateus seinem Siegerprojekt beim Wettbewerb gegeben hatte.
Das Gebäude ist der «Point de vue» des neuen Viertels. Es schliesst das Quartier optisch nach Westen hin ab, ohne eine Sackgasse auszubilden, denn eine lange Rampe ermöglicht es Fussgänger*innen und Radfahrenden, ihren Weg am Museum vorbei gegen Westen fortzusetzen. Vom Bahnhof aus gesehen präsentiert sich das Museum archaisch als Wand aus hellem Beton. Nähert man sich, zeigt es sich dann als Monolith, der von einem liegenden Spalt durchbrochen wird. Diese geologisch anmutende Form macht neugierig. Die Architekturschaffenden wollten nicht bloss geschlossene Räume für die Museumssäle schaffen, sondern zugleich den öffentlichen Raum vom Platz über ein grosses Foyer in das Gebäude hineinführen.
Zwei Museen
Das Elysée-Museum zeigt Fotografie und das Mudac zeitgenössisches Design. Entsprechend haben beide Institutionen andere Ansprüche bezüglich Licht. Folgerichtig sind die Räume für Fotoausstellungen in die Tiefe gelegt und der Raum für Design emporgestemmt.
Schreitet man nach oben, gelangt man in den Saal des Mudac, der sowohl Licht über Oberlichter als auch über ein Fenster erhält, durch das man den See und die Berge sehen kann. Um dafür kein Loch in den Kubus einschneiden zu müssen, wurde an einer Stelle der Spalt vom Foyer in das obere Geschoss hinaufgeführt.
Das Musée de l’Elysée breitet sich im Untergrund aus. Seine Räume wirken intim und erhalten Licht über drei Innenhöfe. Nur wer die Grundrisse studiert, realisiert, dass sich die Untergeschosse unter dem Platz über die Kubatur des Monoliths hinausschieben.
Eine (un-)mögliche Struktur
Zwischen den beiden Museen befindet sich der spannendste und prägendste Raum des Projekts: der Spalt. Er lässt Tageslicht ins riesige Foyer und fungiert zugleich als Eingang des Gebäudes. Die Idee ist, dass es keine klassischen Türöffnungen gibt. Von der Halle gelangt man in die Museen hinauf und hinunter. Mal grosszügig und hoch, mal niedrig und gedrückt fühlt man sich im Foyer wie in einer Höhle.
59 Betonfacetten auf dem Boden und unter der Decke lassen die Halle wie eine abstrakte Landschaft oder eine geologische Formation wirken, die neugierig macht, was sich über und unter einem abspielt.
Die Verantwortlichen wollten ein Objekt schaffen, das überrascht und zum Nachdenken anregt. «Wie funktioniert der Bau statisch?», fragen sich die Besucher*innen, wo doch der obere Teil wie in René Magrittes Gemälde «Le Château des Pyrénées» zu schweben scheint? Die Lösung half der Ingenieur Rui Furtado zu finden: Das Obergschoss wurde wie eine Brücke konstruiert, die nur an drei dezenten Punkten aufliegt.
Der letzte Schliff
Die Plateforme 10 ist indes noch nicht abgeschlossen. Es wurde jüngst ein Ideenwettbewerb für die Gestaltung des Eingangsbereichs des Geländes ausgeschrieben. Diese nächste Phase der Umgestaltung konzentriert sich auf eine alte Drehscheibe und eine ehemalige Leitstelle der SBB. Beide sollen so umgestaltet werden, dass sie die Besucher*innen vom Bahnhof in das Kunst-Viertel hineinziehen. Das Büro Ruben Valdez gewann den Ideenwettbewerb. Sie schlagen vor, die Leitstelle um ein Empfangsvolumen mit einem Satteldach zu erweitern und unter dem Platz neue Räume anzuordnen. Das Rund einer ehemaligen Drehscheibe wird dabei nach unten als Atrium extrudiert. Dort sollen dereinst Ausstellungen, Konzerte und Performances stattfinden und in den Räumen des Stellwerkes Büros, Konferenzräume und Künstlerateliers Platz finden. Später sollen noch weitere Bäume die Freiraumgestaltung der Esplanade zwischen den Kulturbauten abrunden. Es lohnt sich also immer wieder vorbeizuschauen, um den Wandel zu erleben.
Text: Valentin Oppliger
Erstveröffentlichung im Arc Mag 1.2022
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