Sanierung Krematorium Nordheim
,
Schweiz
Veröffentlicht am 20. März 2023
Atelier Lando Rossmaier
Teilnahme am Swiss Arc Award 2023
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Die Korridore und Ofenhallen des inventarisierten Krematoriums Nordheim wurden im Rahmen einer technischen Instandsetzung saniert und umgebaut.
Ausgangslage
Ursprünglich stand eine Sanierung der acht Ofenlinien im Vordergrund. Mit ihr wurde die gesamte Kremations- und Haustechnik revidiert. Im gleichen Zug wurde der Weg für Trauernde und Verstorbene geöffnet. Der Abschied endet heute nicht mehr zwingend bei der Abdankung, sondern geht für manche bis in die Ofenhalle. Die ehemals rein technisch bestimmen Räume wurden Hinterbliebenen zugänglich gemacht.
Entwurfsidee
Es ging im Grunde darum, den herausfordernden Spagat der Raumstimmungen zwischen hochfunktionalem Logistikzentrum und Sakralraum zu gestalten. Wir bereinigten zuerst die Raumstruktur in der Ofenhalle. Die acht einzelnen Bedienstellen wurden in einer neu geschaffenen Leitstelle zusammengeführt. Mit dem einhergehenden Abbruch der Deckenzungen hinter den Öfen gewannen wir überhohe, lichte Arbeitsflächen für die Arbeit an den Urnen und der Asche.
Neben den wenigen räumlichen Eingriffen war die Materialisierung wichtig. Beispielsweise entfällt in den Korridoren der hölzerne Prallschutz, der die Wände vor Schrammen der kantigen Särge schützte. Nur die Särge sollten noch als brennbares Element bleiben. Heute zieren in die Putzflächen versenkte Klinkerriemen die Wände.
Ein wichtiges Element war die Beleuchtung. Aus Einzelleuchten wurde eine Art Ariadnefaden. Die Linienleuchte hilft bei der Orientierung, leuchtet den Raum gleichmässig, nicht mehr staccatohaft aus und taucht den Raum mit direktem und indirektem Licht in verschiedene Lichtstimmungen.
Projektierung
Grundlage bildeten die ursprünglichen Materialien Steiners, die er in der grossen Abdankungs- und Ofenhalle verwendete. Wir mischten ebenso gebrannten Klinker, Frankfurter Muschelkalk, rohen Stahl und Kupfer in möbelartigen Einbauten und Verblendungen. Hinzu nahmen wir entrückt blendendes Weiss für die Öfen, Rossleder für Arbeitsflächen und Absperrungen, Kolkothar (Caput Mortuum) in wässrigen Lasuren an Übergängen und Schwellen. Die Intensität der edlen, «zeitspeichernden» Materialien nimmt von den Abdankungsräumen über die Korridore bis in die Ofenhalle zu.
Realisierung
Herausfordernd war es, die enormen, technischen Anforderungen eines solch besonderen Betriebes in die bestehenden Räumlichkeiten zu integrieren. Die riesigen Lüftungsquerschnitte wurden als additive Elemente von Wand und Decke abgefugt, kleinere Gerätschaften wie die Quelllüftung konnten im Rhythmus der Ofenlinien mit Metallgeflechten und Muschelkalk bei den automatischen Türen gefasst werden. Die Hitzeentwicklung in den Räumen ist enorm, daher ging es neben der Ofentechnik vor allem auch darum, das Raumklima erträglicher zu machen.
Besonderheiten
Die Architektur war zwar raumbestimmend, aber organisatorisch nicht im Lead. Ein Prozessingenieur führte die relative grosse Fachplanergruppe vom Kremationsingenieur bis zur Bauleitung. Die Architekturschaffenden waren eher auf Stufe der Fachplaner integriert und weniger Gesamtleiter. Vermutlich wäre es nicht anders möglich gewesen, ein derart komplexes Umbau- bzw. Sanierungsprojekt zum Gelingen zu bringen.
Anekdote: Auf einem Bild sieht man links neben dem Arbeitsplatz Schieferplatten mit eingeritzten Zeilen. Hier werden die Namen der Verstorbenen verzeichnet, so wie das seit Jahrzehnten gebräuchlich war, wohlgemerkt fehlerfrei! Vorher hing hier ein Whiteboard, heute eine wandfüllende Schiefertafel, auf der mit Kreide palimpsestartig die Spuren der Verstorbenen sichtbar bleiben. Erst nach mehrmaligem Abwischen und Überschreiben verschwinden sie allmählich. Wir kämpften hier gegen eine in unseren Augen unpassende, digitale Lösung mit Bildschirm.