Wohnhaus aus Naturstein
,
Schweiz
Veröffentlicht am 22. März 2023
Atelier Archiplein Sàrl + Perraudin Archiplein Consortium
Teilnahme am Swiss Arc Award 2023
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Dieses Projekt mit 68 Sozial-, Miet- und Eigentumswohnungen zeigt die wirtschaftliche und konstruktive Machbarkeit von Gebäuden aus massivem Naturstein im Schweizer Kontext und stellt die derzeitigen Standards in der Bauindustrie im Hinblick auf Umwelt- und Klimaprobleme in Frage.
Ausgangslage
Die beiden neuen Gebäude liegen nahe der Grenze zur Landwirtschaftszone von Genf im Süden des neuen Stadtviertels Les Sciers. Das Projekt wurde von der Gemeinde Plan-les-Ouates finanziert, die damit ein grosses ökologisches Engagement und eine hohe Risikobereitschaft bewiesen hat. Die politische Unterstützung war von grundlegender Bedeutung, da viele komplexe Aspekte zu berücksichtigen waren: Risiken die durch den Kauf der Steine um Ausland entstanden, die grosse Menge benötigter Steine und die Auflagen für den sozialen Wohnungsbau im Kanton Genf.
Entwurfsidee
Das Ziel der Arbeitsgemeinschaft bestehend aus Perraudin architectes und Atelier Archiplein war es, die wirtschaftliche und konstruktive Machbarkeit von Gebäuden aus massivem Stein im Schweizer Kontext zu demonstrieren. Auf der Grundlage dieses Konzepts entwickelte das Projekt eine einfache und rationale Architektursprache: Der Grundriss besteht aus drei Steinkränzen, welche die gesamte Tragstruktur der beiden Gebäude bilden. Fassaden, Innenkerne und Wände der Gemeinschaftsräume zeigen den Stein in seiner brachialen Schönheit.
Das Bauen mit natürlichen Materialien war für die beiden Büros eine Gelegenheit, die aktuellen Produktionsweisen des Bauwesens vor dem Hintergrund der Umwelt- und Klimaproblematik zu hinterfragen. Die beiden Gebäude wollen im Zusammenhang mit der Suche nach ökologischeren Strategien verstanden werden und zugleich einen Beitrag zur Baukultur leisten, indem sie traditionelle Handwerkstechniken wiederbeleben.
Projektierung
Gemäss den städtebaulichen Regel aus dem Quartierplan, sollten die Gebäude kompakt sein und eine entsprechend grosse Grundfläche haben. Daher schlug das Team zwei Blöcke von 21 x 21 Metern vor. Die Gebäude bestehen vollständig aus massiven Steinblöcken und haben keine vertikalen Tragelemente aus Beton. Sowohl in den Gemeinschaftsräumen als auch in den Wohnungen wurden die Oberflächen der ringförmigen tragenden Wänden sichtbar gelassen. Der Verband besteht aus je vier 190 x 80 Zentimetern grossen Blöcken. Die Spuren der Säge sind sichtbar, und an den Oberflächen sind die Strukturen ablesbar. So kann erlebt werden, wie die Steine über Jahrtausenden hinweg aus Sedimentablagerungen entstanden sind.
Realisierung
Der massive Stein verortet die Architektur in einem langen Zeithorizont. Auf der Baustelle hingegen musste alles schnell gehen. Die Technik des Zusammenfügens ist vergleichbar mit der, die bei Fernand Pouillons Wohnbauprojekten aus Stein zum Einsatz kam: Die Blöcke werden von einem Kranführer mit einer Hebezange angehoben und von zwei Maurern in Empfang genommen, die sie positionieren. Die Maurer mussten sich daran gewöhnen, mit Rohbauteilen umzugehen, die nicht verkleidet werden.
Besonderheiten
Die Verwendung von natürlichen Materialien ist eine Möglichkeit nachhaltig zu bauen, wie viele historische Städte zeigen. Kalkstein ist ein idealer Stein für diese Art von Bauwerken. Seine physikalischen Eigenschaften entsprechen den baulichen Anforderungen. Er ist relativ leicht abzubauen und die Vorkommen ermöglichen es, grosse Blöcke zu angemessenen Kosten zu schneiden. Es waren zahlreiche Besuche notwendig, um beispielsweise die ideale Höhe der Blöcke zu ermitteln. Diese waren zum einen durch die Höhe der Steinschichten aber auch durch die zur Verfügung stehenden Abbaumaschinen beschränkt. Nach dem Prinzip «Der richtige Stein am richtigen Ort», werden drei verschiedene Steine verwendet: Der Stein aus Brétigny wird für alle Sockelelemente, die Fensterbänke sowie das Gesims verwendet. Er hat eine höhere Druck- und Frostbeständigkeit. Beim Migné-Stein sind die Frostbeständigkeit und Oberflächenhärte weniger entscheidend, da er an der Fassade zum Einsatz kommt, wo er der Witterung nicht so stark ausgesetzt ist und als Abschluss der Ringwände im inneren verwendet wird. Der Estaillades Stein hingegen ist poröser und hat ein geringere Frostbeständigkeit. Damit eignet er sich weniger gut für das Klima am Genfersee und wurde daher nur für innenliegende Wände verwendet.
Der Text wurde von den Architekt*innen im Zusammenhang mit der Einreichung des Projektes für den Arc Award 2023 verfasst, von Jeannine Bürgi ins Deutsche übersetzt und von Jørg Himmelreich redigiert.