Betriebsleitergebäude

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6020 Emmenbrücke,
Schweiz

Veröffentlicht am 27. März 2023
Graber & Steiger Architekten
Teilnahme am Swiss Arc Award 2023

Strassenansicht Nordansicht  Gewerbegebiet Nordansicht Terrasse Süd Fassadenausschnitt Treppenraum 1 Treppenraum 2 Wohnraum 1 Wohnraum 2 Wohnraum 3 Wohnraum 4 Badbereich Schlafzimmer

Projektdaten

Basisdaten

Projektkategorie
Fertigstellung
08.2020
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
3 bis 5
Anzahl Wohnungen
1
Grundstücksfläche
845 m²
Nutzfläche
158 m²
Anzahl Arbeitsplätze
2
Parkplätze
1

Beschreibung

Verdichtung, Umnutzungen oder Weiterbauen am Bestand prägen derzeit den Architekturdiskurs massgeblich. Die Bauherrschaft ging betreffend nachhaltiges Wohnen noch einen Schritt und vereinte Arbeiten und Wohnen indem sie ihr neues Heim unmittelbar an ihre Gewerbehalle andockte.

Ausgangslage

Anstatt eine Parzelle im Grünen oder eine trendige Loftwohnung mit patiniertem Industrie-Chic zu erwerben, von denen rund um Luzern noch einige feilgeboten werden, hat sich die Bauherrschaft entschieden, sich in einer ganz banalen und in vollstem Betrieb stehenden Gewerbezone niederzulassen. Damit hat sie mitunter erkannt, dass gerade in einem landläufig als unattraktiv eingestuften Siedlungsteppich ein riesiges Potenzial steckt, will man das viel gepriesene Vereinen von Wohnen und Arbeiten in Tat umzusetzen.

Entwurfsidee

Synergetisches Wohnen und Arbeiten in der Agglo – mitten im Leben: Gerade weil die Schweiz von solch durchschnittlichen Gewerbezonen übersät ist, kann diesem pionierhaften Schritt eine hohe Relevanz attestiert werden. Denn er zeigt, dass selbst bisher unbeachtete Allerweltsorte aus ihrem Dornröschenschlaf wach geküsst werden können, um einer gut durchmischten Verdichtung Platz zu bieten. Der Ansatz, der scheinbar unvereinbare Gegensätze gängiger Bauzonen in Einklang bring, zeigt auch, dass ein Lowcost- und Lowtech-Projekt in einer als unwirtlich geltenden Umgebung soviel Freude machen kann, dass es gar die neidischen Blicke vieler Kernstädter auf sich zieht. Beneidet werden die weitsichtigen Bauherren nicht nur um die überraschende Frische und Lebendigkeit des Ortes sondern auch um den quasi auf null Meter geschrumpften Weg zwischen Arbeits- und Wohnort. Das neue Heim ist nämlich direkt an der bestehenden Gewerbehalle angedockt, in welchem die Bauherrschaft ihrer Arbeit nachgeht.

Projektierung

Räumlicher Reichtum sprengt Enge: Für den Neubau des Wohnhauses stand ein nur sehr schmaler Grundstücksteil zwischen bestehenden Werkhallen zur Verfügung, weshalb es auf der Hand lag ein vertikales Konzept anzustreben. Auch musste darauf geachtet werden, die angrenzenden Betriebe möglichst nur kurz mit der Bauerei zu belasten, weshalb sich eine Holzelementbauweise mit kurzer Aufrichtzeit anbot. Obschon die Rahmenbedingungen und auch das Budget von Anfang an sehr eng gesteckt waren, galt unserer Recherche einem Maximum an Wohnwerten, die insbesondere auf räumlichen Qualitäten und nicht etwa auf luxuriösen Materialisierungen oder «smarter» Haustechnik basierten sollten.
Aufgrund des kleinen Gebäudefussabdruckes wurde eine abwechslungsreich choreografierte Raumsequenz in der Vertikalen angelegt, welche vom Strassenraum bis unter den Himmel führt und deren Lufträume so unterschiedliche Orte wie den quadratmetermässig bescheiden gehaltenen Eingangsbereich und den doppelgeschossigen Wohnbereich unter der Dachhaube miteinander verknüpft. Die Raumqualität liegt in diesem Haus nicht in horizontal messbaren Quadratmeterzahlen, sondern in der gefühlten Grosszügigkeit der Vertikalität. Trotz der äusseren Kompaktheit des Baukörpers erleben die Bewohner tagtäglich eine in unterschiedlichste Lichtstimmungen getauchte räumliche Opulenz, die in erschwinglichen Eigenheimen üblicherweise eher selten zu finden ist.

Realisierung

Selbstverständliche Setzung: Ruhig, gelassen und unspektakulär steht der neuen Mitspieler im heterogenen Quartier und verströmt die charmante Direktheit eines Gewerbebaus. Eine aus sägerohen Brettern gefügte «Rinde» wird in Abhängigkeit der Umgebung und der gewünschten Ein- und Ausblicke graduell geöffnet. Richtung Norden und Süden, wo sich der Blick über das bunte Allerlei des Gewerbegebietes und weit darüber hinaus öffnet, sind die Stirnseiten der Obergeschossen mit grossformatigen Bandfenstern und einem bühnenartig ausgeklappten Balkon bespielt. An den sich eng der Nachbarschaft anschmiegenden Längsseiten öffnet sich die Hülle hingegen weniger stark. Gleichwohl dient sie auch hier der natürlichen Belichtung- und Belüftung der Innenräume, was mitunter über einen projektspezifisch entwickelten Filter aus drehbaren Holzlamellen gewährleistet wird.
Trotz engen Platzverhältnissen und einer gewissen Rauheit, die das Umfeld prägen wird mit dem Fassadenkonzept nicht auf Abschottung, sondern auf einen auf die Umgebung abgestimmten Dialog gesetzt. Das dialogische Verhältnis zur Nachbarschaft führt denn auch dazu, dass der neue Baustein im Quartier trotz seiner nutzungsbedingten Andersartigkeit nicht als Eindringling, sondern als gleichberechtigten Mitspieler wahrgenommen wird.

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