Umbau und Restaurierung Vogtshaus
,
Schweiz
Veröffentlicht am 01. April 2022
Castor Huser Architekten AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2022
Projektdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Das denkmalgeschützte Vogtshaus von Villmergen ist ein stattlicher Bau, welcher 1793 erbaut wurde. Der viergeschossige Bau besteht aus einem gemauerten Stock und einer dreischiffigen Bohlenkonstruktion. Basierend auf der historischen Raumeinteilung haben wir eine grosszügige Wohnung projektiert.
Ausgangslage
Im Laufe der Zeit wurde das geräumige Wohnobjekt mehrmals umgebaut und immer mehr aufgeteilt, bis es schliesslich ab Ende des 19. Jahrhunderts in vier Wohnungen unterteilt wurde. Während die historische Einteilung des Obergeschosses erhalten blieb, litt die ursprüngliche Räumlichkeit des Erdgeschosses stärker unter den baulichen Veränderungen der letzten Jahrhunderte. Das Ziel des Projektes: eine Modernisierung unter Erhaltung / Rekonstruktion der ursprünglichen Typologie. Zusätzlich sollte die historische Bausubstanz wieder lesbar gemacht und mehr Licht ins Obergeschoss eingebracht werden.
Entwurfsidee
Das Projekt nahm auf die Ergebnisse der vorgängig ausgeführten archäologischen Bauuntersuchungen Rücksicht und beinhaltete eine teilweise Rekonstruktion der ursprünglichen Gebäudestruktur im historischen Wohnhaus. Somit wurde die dreischiffige Unterteilung im Erdgeschoss wiederhergestellt und die Raumeinteilung in sechs Kammern im Obergeschoss beibehalten. Im mittleren Schiff des Erdgeschosses ist erneut die Küche vorzufinden. Basierend auf den historischen Gegebenheiten wurde sie unterhalb der ehemaligen Rauchhurd platziert. Auf die Rekonstruktion der Hurd wurde jedoch verzichtet, damit die Galerie im 1. Obergeschoss mehr Tageslicht erhält. Wie früher dient die Küche ebenfalls als Erschliessung zu den ehemaligen Stuben; heute als Bibliothek, Wohn- und Esszimmer eingerichtet. Hinter der Küche liegen die Treppe und der Lift zum Obergeschoss. Diese erschliessen die Galerie, welche den Zugang zu den jeweils drei östlich und westlich angeordneten Schlafkammern ermöglicht. Hier ist die ursprüngliche Raumeinteilung erhalten geblieben. Im Projekt wurden die vier Eckzimmer als Schlafzimmer bzw. Büro vorgesehen, die mittleren Kammer wurden in Badezimmern und einem begehbaren Kleiderschrank umgenutzt.
Projektierung
Dieses Projekt ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit verschiedener Fachplaner und Ingenieure, die sowohl eine energetische und statische Verbesserung als auch eine Aufwertung des Bestandes und der Wohnqualität zum Ziel hatte. Dabei galt es immer den für das denkmalgeschützte Objekt schonendsten Lösungsansatz zu finden. Auch wurde grosser Wert auf die Auswahl von erfahrenen Handwerkern in diesem Fachgebiet sowie auf die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege gelegt.
Realisierung
Alle Einbauten aus jüngeren Zeiten wurden entfernt, um die historische Struktur freizulegen. Dadurch konnten neue Erkenntnisse über die ursprüngliche Raumstruktur und die Geschichte des Objektes gewonnen werden. Dabei wurden ebenfalls wertvolle Relikte gefunden, u.A. alte Schiebladenfragmente, welche als Vorlage für Ihre Wiederherstellung dienten. Für den Fortbestand des Baus war es essenziell, dass schwach ausgelegte Tragwerk zu stärken. Marode Fassadenbohlen wurden durch passendes Altholz ersetzt und die Bohlenwände innenseitig verstärkt und gedämmt. Den Einbau von massangefertigten Dreischichtplatten im OG-Boden sowie Verstärkungen im Dachgeschossboden halfen die ganze Tragstruktur zu versteifen. Es wurde viel Arbeit in die Fassadenöffnungen investiert. Einerseits musste das Erscheinungsbild der Fassaden harmonisiert werden, andererseits wünschte sich die Bauherrschaft mehr Licht im Inneren. So wurden beispielsweise alte Öffnungen reaktiviert und jede zweite Fassadenbohle der dunkelsten Zimmer entfernt, um einen besseren Lichteinfall zu erhalten. Dies immer mit der Zustimmung der Denkmalpflege. Basierend auf einem Fotobefund von 1932 wurden alle Fenster durch neue Holzfenster mit barocker Sprosseneinteilung ersetzt. Im Innenbereich sollten Alterungsspuren sichtbar bleiben und möglichst vieles wiederverwendet werden. So wurden z. B. rauchgeschwärzte Bretter nur leicht gebürstet, ausgebaute Kachel als Platten im WC eingesetzt, alte Kommoden als Badmöbel umgenutzt usw.
Besonderheiten
Während der Räumungs- und Demontagephase kamen einige Überraschungen zum Vorschein. Entdeckt wurden: die tragenden Balken der ehemaligen Rauchhurd über dem Herd; mehrere Fragmente von Schiebläden; zwei ursprüngliche Kachelofenfüsse sowie alte Kacheln und Fundamentsteine; usw.