Umnutzung denkmalgeschützte Hofstätte

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9490 Vaduz,
Liechtenstein

Veröffentlicht am 30. Juni 2025
Beat Burgmaier Architekten AG

Ansicht Süd-West Ansicht Ost / Haupteingang Kulturraum Ansicht Nord Küche Wohnung 35 Esszimmer Wohnung 35 Esszimmer Wohnung 37 Esszimmer Wohnung 37 Wohnzimmer Wohnung 37 Bad Wohnung 37 Schlafzimmer Wohnung 37 Dachraum Kulturraum - Gastrobereich Kulturraum - Veranstaltungsraum Kulturraum - Detail Fassade Weinkeller

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Hintergass 35, 9490 Vaduz, Liechtenstein
Projektkategorie
Gebäudeart
Fertigstellung
02.2025
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
2
Anzahl Kellergeschosse
1
Anzahl Wohnungen
2

Beschreibung

Die Hofstätte Hintergass 35/37 bildet mit dem «Roten Haus» und weiteren historischen Gebäuden den Siedlungskern des Vaduzer-Oberdorfes. Als historische Winzerhofstätte mit Stallanbau blickt das Ensemble auf eine über 500-jährige Geschichte zurück. Die Gemeinde Vaduz hat mit dem Erwerb die Eigentumsverhältnisse bereinigt und eine umfassende, denkmalpflegerisch fundierte Sanierung initiiert – mit dem Ziel, den Charakter zu erhalten, das Potenzial zu aktivieren und eine neue, zeitgemässe Nutzung zu ermöglichen.

Im Mittelpunkt des architektonischen Konzeptes stand der Erhalt und die Stärkung der wertvollen Bausubstanz. Konservierende und restaurierende Massnahmen wurden durch zurückhaltende, additive und somit reversible Eingriffe ergänzt, um die Nutzung als Doppel-Ferienhaus und Kulturstätte zu ermöglichen. Zwei Ferienwohnungen mit eigenem Zugang, Küche, Stube, Kammer und Bad sowie einem zusätzlichen Dachgeschossraum ermöglichen flexible Nutzungskonzepte – einzeln, kombiniert oder in Verbindung mit dem Stallanbau.

Zentral war die Wiederherstellung historischer Raumgefüge: Das Wohnhaus wurde von Einbauten der jüngeren Vergangenheit befreit und strukturell gestärkt. Historische Durchgänge wurden reaktiviert, alte Materialien wie Bohlenwände und Holzriemenböden freigelegt, restauriert und mit zeitgenössischen Elementen sensibel ergänzt. Fenster, Türen und Täfer wurden handwerklich nach historischem Vorbild rekonstruiert. Besonders eindrücklich ist in diesem Zusammenhang der Dachraum, ein Raum der Ruhe und Geborgenheit. Die alte Substanz und neuen Elemente verschmelzen zu einem harmonischen Ganzen, so dass die reichhaltige Geschichte für kommende Generationen lesbar gemacht wird und die Liegenschaft auf einen neuen Lebensabschnitt vorbereitet wird. Das Handwerk und der regionale Bezug der verwendeten Materialien waren ein Schwerpunkt im gesamten architektonischen Prozess und erkennbar in der Haptik und Atmosphäre der Räume.

Der Gewölbekeller dient heute als Weinkeller für Degustationen und Veranstaltungen. Eine neu geschaffene Verbindung zum ehemaligen Stall ermöglicht die kombinierte Nutzung beider Gebäudeteile – ein zentraler Mehrwert für die Nutzer*innen. Trotz der bescheidenen Dimensionen entfaltet der Weinkeller mit seinen sorgfältig instandgesetzten Gewölben eine unverwechselbare Atmosphäre, die von schlichter Authentizität geprägt ist. Der Stallanbau wurde zum Kulturraum umgebaut – mit räumlicher Vielfalt, schützendem Vorhangsystem und gezielten Öffnungen zum Aussenraum. Zwei neue Fenster und eine Schiebetür stellen den Bezug zum südlich angelegten Lehrwingert und der Pergola her. Die innere Topografie des Raumes – mit unterschiedlichen Ebenen, Materialien und Lichtsituationen – erzeugt ein sinnliches Raumerlebnis. Ergänzt wird das Ensemble durch einen neuen Anbau in Holzbauweise, der Lager- und Technikflächen aufnimmt und die Funktionalität des Kulturraums erhöht. Im Aussenraum wurde das landschaftliche Erbe – einst Weinanbaugebiet – aufgenommen. Ein neuer Zugangshof, der Lehrwingert, sowie der durchgängige Weg entlang dem Haus und Stall gliedern das Grundstück und schaffen Aufenthaltsqualitäten und Blickbezüge zu Schloss, Tal und Gebirge. Eine mit Reben berankte Pergola bietet zusätzlichen Freiraum für Veranstaltungen oder Aufenthalt im Freien.

Die durchdachte Kombination von Konservierung, Ergänzung und Umnutzung verleiht der historischen Winzerhofstätte neue Relevanz. Das Gebäudeensemble bleibt als lebendiger Zeitzeuge im Ortsbild präsent und wird gleichzeitig zum Begegnungsort für heutige und künftige Generationen. Die Hofstätte bietet Raum für temporäres Wohnen, kulturelle Veranstaltungen, Kreativaufenthalte und gemeinschaftliche Nutzung. So entsteht ein identitätsstiftender Ort im Spannungsfeld von Geschichte und Gegenwart. Das Projekt zeigt beispielhaft, wie architektonisches Feingefühl, handwerkliche Sorgfalt und eine klare Haltung im Umgang mit bestehender Bausubstanz nicht nur Werte bewahren, sondern neue Lebensräume erschliessen können.

Das Projekt von Beat Burgmaier Architekten wurde von Elisa Schreiner publiziert.

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