Winter-Plusenergiehaus Sol'CH

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7742 Poschiavo,
Schweiz

Veröffentlicht am 25. Januar 2022
Nadia Vontobel Architekten GmbH
Teilnahme am Swiss Arc Award 2022

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Via dal Solch, 7742 Poschiavo, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
09.2021

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
3 bis 5
Anzahl Kellergeschosse
1
Grundstücksfläche
1913 m²
Geschossfläche
565 m²
Nutzfläche
364 m²
Gebäudevolumen
1700 m³

Beschreibung

Das Projekt Sol’CH ist ein Ersatzneubau für ein Wohnhaus am nördlichen Dorfrand von Poschiavo, welcher konsequent auf Energieeffizienz und Energiegewinnung ausgelegt ist. Das Demonstrationsprojekt im Bereich BIPV (Building integrated photovoltaic) ist ein Winter-Plusenergiehaus.

Ausgangslage

Ausgangspunkt der Planung war die These, dass jede neu gebaute Fassaden- und Dachfläche neben ihrer Funktion als Gebäudehülle auch zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Gleichzeitig bestand der architektonische Anspruch, ein wohnliches Haus zu schaffen, welches sich mit seiner BIPV gut in die bestehende Dorfstruktur und den Landschaftsraum des Bündner Südtals einbettet. Als Konsequenz wurde die optimale Nutzung der Sonnenenergie exemplarisch früh in der Entwicklung des Programms und der Ausformulierung des Baukörpers berücksichtigt und hat die Architektur massgebend mitgeprägt.

Entwurfsidee

Das längliche und schmale Gebäude liegt im Norden der Parzelle und blickt auf den südlich gelegenen Garten, den Borgo di Poschiavo und die Bergamasker Alpen. Gebäudeausrichtung, Dachneigung und Einschnitte des Bauvolumens sind hinsichtlich Stromnutzung maximal optimiert, nehmen aber gleichzeitig Rücksicht auf die vorhandenen aussenräumlichen Qualitäten des Ortes. Durch seine Massstäblichkeit und Ausrichtung fügt sich der Neubau in die bestehende Struktur von frei stehenden Punktbauten ein, welche sich nördlich des Dorfkerns entwickelt. Das Haus wird von einem offenen Unterstand aus Sichtbeton flankiert, welcher zusammen mit einer bestehenden Natursteinmauer einen ortstypischen Vorplatz ausbildet. Die matte und dunkle Oberfläche der PV-Fassade trägt mit ihren Anthrazit- und Brauntönen zu einer harmonischen Eingliederung in die umliegende Landschaft bei.

Projektierung

Die volumetrische Idee des Neubaus mit seiner länglichen Ausrichtung spiegelt sich in der Organisation des Grundrisses wider. Während sich sämtliche Wohnräume zum südlichen Garten hin orientieren, nimmt eine schmale Raumschicht im Norden Erschliessung und Nasszellen auf. Die beiden Zonen werden durch eine lineare Möbelschicht unterteilt, welche je nach Bedarf Nutzungen von der einen oder der anderen Seite aufnimmt. Der Neubau mit zwei Eingängen kann sowohl als Einfamilienhaus wie auch als zwei separate Wohneinheiten genutzt werden. Die durch geringe Eingriffe mögliche Trennung erfolgt vertikal, sodass der direkte Zugang zum grossen Garten für beide Wohneinheiten gewährleistet bleibt.
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Gebäudes zeigen sich auch in der Tragstruktur. Sämtliche Aussenwände und Decken sind tragend in Sichtbeton ausgebildet und dementsprechend langlebig. Die Innenwände hingegen sind nicht tragende Holzkonstruktionen und können folglich einfach angepasst werden. Die natürliche Materialisierung im Innenraum spiegelt das Prinzip der Konstruktion wider.

Realisierung

Eine der grossen Herausforderungen war die Entwicklung von architektonisch überzeugenden Lösungen im Bereich gebäudeintegrierte Photovoltaik. Es hat sich gezeigt, dass hinsichtlich Oberflächen, Montage sowie Anschlussdetails der unterschiedlichen PV-Module ein breit angelegter Dialog mit den Lieferanten geführt werden muss. Das realisierte Projekt leistet einen Beitrag zur Entwicklung der Nutzung von Solarenergie, setzt mit seiner Sprache einen architektonischen Akzent und zeigt auf, was Stand heute technisch und gestalterisch möglich ist.

Besonderheiten

Die konsequente Nutzung aller Fassaden- und Dachflächen im praktisch nebelfreien Poschiavo führt in Kombination mit der idealen Ausrichtung und Dachneigung von 35 Grad insbesondere im Winter und in der Übergangszeit zu einer erheblichen Stromproduktion. Aussergewöhnlich am Projekt Sol’CH ist die Aktivierung der Nordfassade und des steilen Norddachs, welche den architektonischen Gesamtausdruck des Volumens stärkt und gleichzeitig zur Optimierung der Stromproduktion beiträgt.
Das Winter-Plusenergiehaus trägt den Zielen der Energiestrategie des Bundes und der Kantone Rechnung. Der Kanton Graubünden hat dem Ersatzneubau den Status eines Pilot- und Demonstrationsprojektes zugesprochen und wird die Erkenntnisse während dem Bau und die Daten und Erfahrungen der ersten Betriebsjahre veröffentlichen. Das Projekt Sol‘CH erfüllt zudem alle Anforderungen der Label Minergie-P und Minergie-A und ist entsprechend zertifiziert.

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