Wohnhaus vis-à-vis

 
4543 Deitingen,
Schweiz

Veröffentlicht am 27. Mai 2019
luna productions GmbH
Teilnahme am Swiss Arc Award 2021

Fassade Kirschbaum Erschliessung EG Erschliessung OG Eingang Hof Terrasse Terrasse OG Wohnung OG Bad

Projektdaten

Basisdaten

Projektkategorie
Fertigstellung
09.2018
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
2
Anzahl Kellergeschosse
1
Anzahl Wohnungen
4
Grundstücksfläche
1097 m²
Geschossfläche
517 m²
Gebäudevolumen
1860 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
1,3 Mio. CHF
Parkplätze
6

Beschreibung

Der Neubau mit 4 Wohnungen bildet den Abschluss der gebauten Struktur und definiert über die Strasse hinweg mit den benachbarten Bauten einen gemeinsamen Hof: einen Begegnungsraum für die ganze Nachbarschaft. Von der Strasse abgekehrt entsteht ein privater Aussenraum, am Bach mit Blick in die Natur.

Ausgangslage

Ausgangslage war der Wunsch der Bauherrschaft nach möglichst viel Wohnraum auf einem Teil ihres brachliegenden Landes am Rande des Dorfes. Es galt der Kleinteiligkeit der benachbarten Einfamilienhäusern Rechnung zu tragen und gleichzeitig in einen Dialog mit den benachbarten Gewerbegebäuden einer Schreinerei zu treten.
Als Planer war das Ziel aufzuzeigen, wie wirtschaftlich effizient qualitätsvolle Architektur entstehen kann, die nicht nur für den Bauherr nachhaltig ist, sondern auch aufzeigt, wie im Dorf gebaut werden kann und für die ganze Nachbarschaft einen Mehrwert bringt.

Entwurfsidee

Wichtigste Inspirationsquelle war die ländliche / dörfliche Baukultur vergangener Zeiten mit ihrem enormen Identifikationswert: Die ursprüngliche Dorfarchitektur mit den grossen, jedoch zurückhaltenden Bauernhäusern und Ökonomiegebäuden die durch halbprivate Vorplätze und Höfe als Ankunfts- und Begegnungsort geprägt sind.
Es geht um Einfachheit, Pragmatismus; um eine selbstverständliche, verstehbare Bauweise, die sich in gewachsene Strukturen einfügt ohne den Bestand zu konkurrieren oder abzuwerten und doch den Ort schärft und auszeichnet. Eine tragende Rolle spielten hierbei die Regionale Bautradition und Handwerkskunst und ortstypische Materialien.

Projektierung

Der Neubau bildet den Abschluss der gebauten Struktur und definiert über die Strasse hinweg mit der gegenüberliegenden Schreinerei und den benachbarten Wohnbauten einen gemeinsamen Hof: einen Begegnungsraum für die ganze Nachbarschaft. Von der Strasse abgekehrt entsteht ein privater Aussenraum, am Bach mit Blick in die Natur.
Auf einem Betonfundament und unter einem Satteldach stehen die beiden Holzkuben mit einspringender Ecke abgewinkelt zueinander. Der Zwischenraum bildet die Eingangsbereiche. Durch das Aufbrechen und Abwinkeln des Volumens entstehen Räume und Proportionen, die der kleinteiligen Umgebung entsprechen. Trotz der hohen Dichte haben die Bewohner durch die Trennung in zwei Volumen je ein eigenes Geschoss für sich. Der Essbereich im Zentrum der Wohnung orientiert sich gegen Süden und zum Hof hin. Um diesen Mittelpunkt herum sind alle weiteren Zimmer angeordnet. Materialien in ihrer rohen Form bestimmen das Bild. Aussen wird das Gebäude durch die natürliche Alterung der unbehandelten Holzfassade im Laufe der Zeit immer mehr zu einem Teil seiner natürlichen Umgebung werden. Zwei Obstbäume wurden verpflanzt und in die neue Umgebung integriert. Ein Kirschbaum musste dem neuen Haus weichen, er wurde nur wenige Meter neben seinem angestammten Platz wieder aufgerichtet. Er trägt mit seinen Ästen das Dach.

Realisierung

Eine Herausforderung war die Durchdringung der sichtbaren Dachkonstruktion aus Holz mit den Wänden aus rohem Beton in der Erschliessungszone. Damit die geforderte Genauigkeit trotz der komplexen Abwinkelung der Dachkonstruktion und den einspringenden Ecken der Wandkonstruktion realisiert werden konnte, wurde die gesamte Konstruktion dreidimensional im Computer aufgebaut und die Aussparungen für die Sparren nach diesem Modell berechnet und vorfabriziert. Auf der Baustelle wurden dann die einzelnen Holzformen mittels Theodolit genau ausgemessen und montiert. (Zusammenspiel Holzbau - Baumeister - Planung)
Auch für die Platzierung des bestehenden Baumes unter der Dachkonstruktion war eine enge und gute Zusammenarbeit der verschiedenen Akteuren wichtig. So wurde der Baum vom Architekt vermessen und dreidimensional erfasst, mit dem Holzbauplaner die statischen Anforderungen und Auflagerpunkte definiert und schlussendlich gemeinsam von Allen, in verschiedenen Arbeitsschritten, platziert und montiert.

Besonderheiten

Aus räumlich architektonischer Sicht war die heterogene, dörfliche Umgebung spannend. Im Quartier gibt es zwar verschiedenste Nutzungen aber keine Mehrfamilienhäuser. Mit dem Neubau wurde also eine neuere, dichtere Bauform im Quartier eingeführt. Entgegen dem Trend einer zunehmend wirtschaftlich orientierten Architektur, deren Betrachtungsperimeter nur auf der eigenen Parzelle liegt, soll das „Wohnhaus vis-à-vis“ aufzeigen, dass ein Renditeobjekt im ländlichen Raum, nebst guter Wirtschaftlichkeit und Dichte, auch einen Mehrwert für die Nachbarschaft und das Quartier bieten kann.

Die augenfälligste Besonderheit ist sicher der Baum unter dem Dach: Der Umstand, dass ein Kirschbaum mit seiner Krone die Dachkonstruktion tangierte und daher weichen musste, hat zu einem zentralen Element des Baus geführt. Er wurde gefällt und nur wenige Meter weiter als Stütze wieder aufgerichtet.

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