Bauen mit Holz schont das Klima? Der WWF warnt, dass mehr Holz gefällt wird, als nachwächst.

Waldwildnis Thüringen © Thomas Stephan / WWF
Der World Wildlife Fund for Nature warnt, dass langfristig der weltweite Bedarf an Holz nicht befriedigt werden kann. Der steigende Verbrauch führt zur verstärkten Rodung der Wälder. Macht es im Angesicht dieser Zahlen und Prognosen Sinn, das Bauen mit Holz zu promoten, selbst wenn es den fortschreitenden Klimawandel nicht wie gehofft verlangsamt, sondern gar beschleunigt?
Auf Seite 14 seiner Studie «Everything From Wood – the Resource of the Future or the Next Crisis?» bringt der WWF das Dilemma mit einem Gedankenspiel auf den Punkt: Wie viel Prozent aller Wälder wären erforderlich, um damit den kompletten weltweiten Energiebedarf von nur einem Jahr zu decken? Die erschreckende Antwort lautet: fast alle! Schon im zweiten Jahr müssten wir weitestgehend auf Holznutzung verzichten, da es kaum mehr nutzbare Wälder gäbe.
Der jährliche Holzverbrauch ist seit 1961 von 2,5 Milliarden Kubikmetern Holz ohne Rinde (Einheit, in der üblicherweise gerechnet wird) auf 3,9 Milliarden im Jahr 2020 gestiegen. Derzeit wird etwa die Hälfte des weltweit geernteten Holzes zum Kochen und Heizen verwendet. Die andere Hälfte wird industriell verarbeitet. Daraus entstehen Zellstoffe, Papier, Schnittholz, Chemikalien oder Holzverbundstoffe. Weshalb, wofür und welches Holz genutzt wird, ist regional sehr unterschiedlich: So verbrauchen Europäer pro Kopf durchschnittlich fast doppelt so viel Holz wie der weltweite Durchschnitt. 80 Prozent des Holzes in Nordamerika und in Europa gehen in die Industrie, während der Grossteil des Holzeinschlags in Asien, Afrika und Südamerika als Brennholz genutzt wird.
Die Länder mit einem überdurchschnittlichen Holzverbrauch sind wie beschrieben die reichen Industrieländer Europas und Nordamerikas. Tendenz steigend, unter anderem weil hier derzeit die Verwendung von Holz als Alternative zu fossilen Brennstoffen finanziell gefördert wird. In der EU macht die Bioenergie (Wasser-, Windkraft und Fotovoltaik zählen nicht dazu) derzeit rund 60 Prozent der erneuerbaren Energiegewinnung aus. Dazu zählen etwa die Produktion von Biogasen und -kraftstoffen, aber auch das Verfeuern von holzbasierten Brennstoffen wie Pellets.
Der WWF sieht das nicht als gangbaren Weg und rechnet vor: Die weltweite kommerzielle Holzernte müsste auf gut acht Milliarden Kubikmeter Holz ohne Rinde pro Jahr verdoppelt werden, um gerade einmal zwei Prozent des weltweiten Energiebedarfs dauerhaft aus Holz zu decken. Die Verfasser der Studie kommen zum Schluss, dass bei den derzeitigen Energieverbrauchsmengen der Ersatz der fossilen Brennstoffe durch Biomasse nicht ansatzweise eine Option sei.
Holz als Baustoff
Parallel zur energetischen Holznutzung expandieren die Märkte für Holzprodukte. So ist die weltweite Produktion von Holzwerkstoffen seit den 1960er-Jahren fast auf das 15-fache angewachsen. Ebenfalls zugenommen hat in den letzten Jahren die Produktion von Schnittholz, das vorzugsweise im Baugewerbe verwendet wird.
Erwähnung findet in der Studie ein Preisanstieg von Bauholz in den USA um bis zu 700 Prozent, der mit einem Boom im Wohnungsbau in Verbindung gebracht wird. In Deutschland ist die Tendenz ähnlich, aber nicht ganz so drastisch. Die Preise für Konstruktionsvollholz stiegen gemäss Statistischem Bundesamt von Mai 2021 bis Mai 2022 um 83,3 Prozent.

Die Grafik des Statistischen Bundesamts (Destatis) aus dem Jahr 2022 zeigt, dass die Nutzung von Fichten, Tannen und Douglasien in der Bundesrepublik Deutschland stark gewachsen ist. © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022

Das Diagramm von Christian Held, Eva Meier-Landsberg und Verónica Alonso zeigt den durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von Industrie- und Energieholz ausgewählter Weltregionen in 2015 und wagt eine Prognose für 2050.
Nachwachsen braucht (mehr) Zeit.
Die Studie benennt, dass im Jahr 2020 3,9 Milliarden Kubikmeter Holz ohne Rinde geerntet wurden, beziehungsweise 4,3 bis 5 Milliarden Kubikmeter Holz mit Rinde. Dies wird zurecht als alarmierend hoch erachtet. Laut WWF sollten weltweit nur 3 Milliarden Kubikmeter Holz mit Rinde geerntet werden, wenn die Bewirtschaftung der Wälder nachhaltig und der Schutz von Biodiversität und Klima ernsthaft betrieben werden soll.
Nachhaltige Waldwirtschaft
Folgerichtig fordert die Studie einen verringerten Holzverbrauch. Es gilt, die verbliebenen Wälder zu erhalten und gleichzeitig zu versuchen, die Bedarfslücke zwischen der Holznachfrage und dem tatsächlichen Angebot zu schliessen. Die Studie sieht sich dementsprechend als Warnsignal und richtet abschliessend sechs Schlüsselbotschaften an die politischen Entscheidungsträger:
- Es sollen Prioritäten in der Holznutzung gesetzt werden.
- Der illegale Holzeinschlag und -handel müssen effektiv bekämpft werden. (Gemäss der Studie macht er etwa ein Drittel des weltweiten Holzhandels aus).
- Die Waldwirtschaft muss gesunde, resilente und natürliche Wälder zum Ziel haben.
- Der Verbrauch ist zu überwachen; Richtwerte sind festzulegen.
- Ökologische Fussabdrücke sind für die Nachhaltigkeitsbetrachtung der Holznutzung einzuführen.
- Insbesondere für die letzten beiden Punkte ist in umfangreiche Forschung zu investieren.
Das Fazit ist im Grunde banal: Beim Bauen und mehr noch bei der Energieproduktion alleine auf Holz zu setzen - in der Annahme, dass es schon in ausreichendem Mass von allein nachwächst - ist ein Irrweg. Seine Nutzung muss verantwortlich geregelt werden. Holz ist nicht das Allheilmittel aller Probleme. Es gilt den richtigen Rohstoffmix zu finden, beziehungsweise den Verbrauch insgesamt zu verringern.
Dieser Text von Robert Mehl wurde zuerst im Arc Mag 2023–1 «Wohnen im Holz» veröffentlicht.