Naturstein: Marmor

 

Wissen

Veröffentlicht am 26. Oktober 2021 von
Redaktion Swiss Arc

Das Wort Marmor stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet Stein oder Felsblock. Damit war Marmor ein Begriff für Stein schlechthin. Marmor galt von je her als besonders wertvoll. So ist beim Römer Plinius (Plinius Secundus d. A.; 23 bis 79 n. Chr.) nachzulesen, dass Marmor, wie Elfenbein und Gold, eigentlich den Göttern vorbehalten war und dass der private Gebrauch einen Sittenzerfall darstelle.

Der heutige Begriff Marmor hat zwei Bedeutungen. lm wissenschaftlichen Sinne ist Marmor ein rekristallisiertes Karbonatgestein, entstanden aus Kalkstein oder Dolomit, unter Einwirkung von Druck und Temperatur. lm italienischen Steingewerbe wird der Begriff Marmor (marmo) viel breiter verwendet und bezeichnet polierfähige Weichgesteine. Unter den italienischen Begriff «marmi» fallen somit auch Kalksteine, Serpentinite und dergleichen. Marmore werden seit der Antike bis in die heutige Zeit als Bau- und Bildhauermaterial verwendet. Bekannte hlstorische Beispiele sind unter anderen die Akropolis in Athen, die Statuen Michelangelos oder das Taj Mahal in lndien.

Entstehung und Verbreitung der Marmorvorkommen

Marmor ist wissenschaftlich betrachtet ein metamorpher Kalkstein. Die Metamorphose oder Umwandlung erfolgt in der Regel im Rahmen von Gebirgsbildungen. Aus Kalk entstandene Ablagerungen, die sich vor Jahrmillionen, meist am Meeresgrund gebildet hatten, wurden zuerst zu Kalkstein.

Betrachtet man einen Kalkstein im Mikroskop, dann können die einzelnen Bestandteile dieser Meeresablagerung meist noch genau erkannt werden. Es finden sich Muschelbruchstücke, winzige, planktonische Kalkschalen und andere Kalkpartikel.
Geraten solche Kalkablagerungen durch Verformungen der Erdkrustein tiefere und wärmere Bereiche, kommt es infolge des und der erhöhten Temperatur zur Rekristallisation des Kalkes. Es entstehen neue Kalkkristalle, meist in regelmässiger Form und Grösse. Es entsteht ein Mosaikgefüge, in dem von den alten Bestandteilen des Kalksteines nichts mehr zu erkennen ist.

Durch die Rekristallisation wird der Marmor im Gegensatz zum Kalkstein transparenter und homogener. Hier ist anzumerken, dass natürlich nur aus einem weissen Kalkstein ein weisser Marmor entstehen kann. Waren im Kalkstein dunkle Bestandteile vorhanden, so finden sich diese auch im Marmor wieder, z.B. als dunkle Adern oder wolkige Tönung. Marmore haben bisweilen eine starke Struktur – nicht von ungefähr kommt die Bezeichnung «Marmorkuchen» beim Kuchenbacken – Fliessstrukturen wie im frischen Teig sind auch bei Marmoren häufig, da sich die Gesteinsmasse unter Druck und Temperatur oft plastisch, wie ein frischer Teig, verformt hat.

Marmore kommen auf der ganzen Welt vor, in grösseren Vorkommenv allerdings nur in Gebirgen, bei deren Bildung die Erdkruste «tief aufgewühlt» wurde. Darum wird man im Schweizer Jura beispielsweise keinen Marmor finden – dieses Gebirge besteht zwar hauptsächlich aus Kalkstein, was die Entstehung von Marmor zulassen würde, wurde aber nur ganz oberflächlich gefaltet, so dass Druck und Temperatur für die Entstehung von Marmor nicht ausreichten. ln den Alpen hingegen gibt es viele Marmorvorkommen – die hier waltenden Prozesse waren stark und tiefgreifend genug, damit diese Umwandlung stattfinden konnte. Bekannte alpine Marmore sind z. B. der Cristallina-Marmor aus dem oberen Maggia-Tal, der Marmor vom Typ Lasa (jenseits des Ofenpasses) oder der Marmor vom Typ Palissandro südlich des Simplonpasses.

Die weltberühmten Marmorvorkommen von Carrara bilden eine ganze Bergkette des Apennins, die sich schon von weither an den weissen, an Schnee erinnernden Marmorschutthalden erkennen lässt.

Die weltberühmten Marmorvorkommen von Carrara bilden eine ganze Bergkette des Apennins, die sich schon von weither an den weissen, an Schnee erinnernden Marmorschutthalden erkennen lässt.

Die weltberühmten Marmorvorkommen von Carrara bilden eine ganze Bergkette des Apennins, die sich schon von weither an den weissen, an Schnee erinnernden Marmorschutthalden erkennen lässt.

Materialtechnologisches

Marmor hat bezüglich Festigkeit und chemischer Beständigkeit ähnliche technische Eigenschaften wie Kalkstein. Die Druckfestigkeit variiert zwischen 70 und 150 N/mm2 und die Porosität liegt selten über 1,5 Vol %. Ausnahmen sind Marmore, die bereits im Neuzustand verwittert sind. Dies klingt sonderbar ist aber für bestimmte Sorten zutreffend. Diese Marmore sind zuckerweiss und klingen beim Anschlagen dumpf und matt. ln ltalien wird hierfür der Begriff «cotto» (gekocht) verwendet. Solche Marmore verlieren rasch die Politur und haben eine stark verminderte Festigkeit. Als dünne Platten lassen sie sich leicht durchbiegen. Der gleiche Effekt tritt bei anfangs festen und kompakten Marmoren infolge der Verwitterung auf (Temperaturwechsel und Feuchtebelastung). Wie schnell dieser Prozess abläuft ist von der verwendeten Marmorsorte und den lokalen Bedingungen am Einsatzort abhängig. Die heute allgemein bekannte Verbiegung von Fassadenplatten aus Marmor ist eine direkte Konsequenz dieser marmortypischen Verwitterungserscheinung. Die Lebensdauer vorgehängter Fassadenplatten aus Marmor wird durch diesen Effekt erfahrungsgemäss erheblich reduziert. Wer Marmor zu diesem Zweck einsetzt, nimmt diese Tatsache in Kauf. Wird Marmor im Aussenbereich im Verbund oder als massives Werkstück verwendet, dann spielt dieser Effekt keine massgebende Rolle.

Abbau und Verarbeitung

Da Marmor wie Kalkstein aus Kalk besteht, lässt er sich verhältnismässig gut abbauen. Die Ritzhärte von Kalk ist geringer als die von geschmiedetem Eisen, so dass das Material schon in der Antike mit Pickel und Meissel gut zu bearbeiten war. Es ist erwiesen, dass Marmor schon zu Zeiten der Römer zu Platten aufgesägt wurde (bei Plinius nachzulesen). ln der Zeit der lndustrialisierung setzte sich das Seilsägen (Stahlseil) als Abbaumethode durch. Mit der Einführung der Diamantwerkzeuge (Diamantseile, Diamantfräsblätter) und moderner Gattersägen konnte die Produktivität enorm gesteigert werden. Marmor ist dank diesen Techniken heute verhältnismässig billig, zumindest in den Sorten, die in grossen Mengen zur Verfügung stehen. Das Polieren von Marmor erfolgt mechanisch, in der Regel unter Zusatz von Chemikalien (Kleesalz). Je nach Sorte und Verfahren kann ein sehr hoher Glanz erreicht werden.

Heute werden in den Steinbrüchen einerseits grosse Blöcke gewonnen. Diese werden zu Rohplatten, den sogenannten «Unmassplatten» aufgesägt. Aus kleineren Blöcken werden hauptsächlich Bodenplatten in Standardmassen hergestellt. Dies führt dazu, dass Standardplatten, die aus diesen kleinen Blöcken gewonnen werden, in Struktur und Farbe von grossen Rohplatten abweichen können. Bei lnnenausbauten, wo Rohplatten (z.B. für Treppentritte) und Standardmassplatten (z.B. für Böden) kombiniert werden, muss dies berücksichtigt werden. Dies gilt, nebenbei bemerkt, natürlich auch für alle anderen Gesteinsarten.

Ästhetik und Gestaltung

Der gestalterisch optimale Einsatz von Marmor erfordert ein feines Gespür. Marmor ist überall dort besonders geeignet, wo Helligkeit und ein gewisser Glanz gefragt ist. Der Einsatz von Marmor, nur weil es «Marmor» ist, führt oft zu wenig überzeugenden Resultaten bezüglich Gestaltung.

Marmor gibt es in verschiedensten Farben und Zeichnungen. Auch vielfarbige Marmore sind im Handel. Weisser Marmor ist das hellste und gleichzeitig brillanteste Natursteinmaterial, das erhältlich ist. Die bei Sonneneinstrahlung blendende Helligkeit ist mit derjenigen von Neuschnee vergleichbar. Hinzu kommt ein leichter, perlmuttartiger Schillereffekt, der dem Material seine unverwechselbare Brillanz verleiht. Marmor ist diesbezüglich durch kein anderes Natursteinmaterial zu ersetzen – kein Granit oder Quarzit hat die Leuchtkraft eines hellen Marmors.

Verlegen und Versetzen

Der Einsatz von Marmor ist in der Regel mit einem luxuriösen Ambiente verbunden, auch wenn viele Marmorsorten gar nicht zu den teuren Gesteinen gehören. Da mit Marmor nichtsdestotrotz hohe Ansprüche verbunden sind, ist auf tadellose Verarbeitung durch erfahrene Fachbetriebe Wert zu legen. Unschöne Baustellenschnitte, unsaubere Fugen, Kanten und Eckschäden an Platten usw. werden als besonders störend wahrgenommen. Die Lieferungen sind vordem Verlegen zu kontrollieren (z.B. Politurfehler, Musterkonformität). Der von Planer- und Bauherrenseite oft geäusserte Wunsch nach sogenannt fugenlosen Belägen ist in der Regel technisch nicht in befriedigender Weise realisierbar da wegen der Masstoleranzen der Platten eben doch Fugen entstehen. Diese sind dann zu schmal, um korrekt ausgefugt zu werden. Auch sollten für Marmorbeläge keine weissen, sondern hellgraue Fugenmörtel verwendet werden, da weisse Fugen auf Dauer nicht weiss bleiben.

Zum Verlegen werden für Marmore geeignete Mittel und Dünnbettmörtel verwendet. Bei sehr dünnen Platten (z.B. Marmetten) ist eine helle Verlegemörtelfarbe von Bedeutung – graue Mörtel können durchscheinen. Die Verklebung soll auf jeden Fall vollflächig sein. Das Verlegen von Marmor im Dickbett ist ebenfalls eine Möglichkeit – sie vermindert das Risiko von Rissbildungen (siehe Dokumentation Bodenbeläge), kann aber bei bestimmten Marmorsorten wegen Verfärbungsgefahr nicht angewendet werden (z.B. Carrara-Marmor).

Marmorbeläge müssen nach dem Verlegen, solange der Bau nicht fertiggestellt ist, sorgfältig geschützt werden. Die abschliessende Baureinigung hat fachgerecht zu erfolgen. Die Verwendung falscher Mittel und Methoden (z.B. saure Reiniger) kann hier grossen Schaden anrichten.

Generell zu berücksichtigen ist, dass die Politur bei Marmoren kratz-und säureempfindlich ist. Auch Regenwasser baut die Politur relativ rasch ab. Polierte Oberflächen werden deshalb im Aussenbereich matt und machen im Freien somit kaum Sinn. lm lnnenbereich, in Nassbereichen und in Zonen, wo mit Flüssigkeiten gearbeitet wird, können matte Flecken entstehen. Diese lassen sich aber, von Zeit zu Zeit, durch Aufpolieren wieder entfernen. Wenn es um die Wahl der Oberflächenbearbeitung geht, muss die Frage der Rutschsicherheit immer auch mit bedacht werden.

Heute werden für Natursteinarbeiten eine ganze Reihe von Oberflächenbehandlungen angeboten. lmprägnierungen schützen Marmoroberflächen nur zu einem bestimmten Grad vor Fleckenbildungen. Sie verhindern das Eindringen verfärbender Substanzen in die Gesteinsmasse, sie schützen aber nicht vor Säureflecken an der Oberfläche. Die Bildung von Wasserflecken wird verzögert, solange die lmprägnierung noch frisch ist. Mit der Zeit geht dieser Schutz aber verloren. Von beschichtenden Oberflächenbehandlungen, z.B. auf der Basis von Acryl oder Polyester, wird abgeraten, da sie die Gesteinsoberfläche verfälschen und langfristig nicht dauerhaft sind. Eine nur für Kalksteine und Marmore geeignete Behandlung ist das sogenannte Kristallisieren. Es wird hauptsächlich zur Auffrischung alter Marmorböden verwendet. Dabei wird die Marmoroberfläche aufpoliert und mittels einem chemischen Verfahren gleichzeitig gehärtet (sehr oberflächliche Umwandlung des Kalkes in Flussspat).

Unterhalt und Pflege

Marmorböden und andere Marmoroberflächen im lnnenbereich werden am Besten nur mit einem leicht feuchten Lappen abgewischt. Der Zusatz eines neutralen bis leicht basischen Reinigungsmittels ist bei Bedarf kein Problem. Es existieren spezielle, für Marmor konzipierte Reinigungs- und Pflegemittel. Wer den natürlichen Glanz der Marmoroberflächen erhalten will, sollte keine Mittel verwenden, die fettende oder wachsartige Pflegestoffe enthalten. Diese bauen mit der Zeit einen Film auf, der zwar glänzt, der aber im Streiflicht Striemen und Schlieren erscheinen lässt.

Ausgeschüttete Flüssigkeiten, besonders wenn sie sauer sind (z.B. kohlensäurehaltige Getränke), sollten so rasch wie möglich entfernt werden. Dasselbe gilt auch für farbige Flüssigkeiten, besonders dann, wenn der Boden nicht imprägniert ist. Besondere Vorsicht ist im Umgang mit stark sauren Mitteln (z.B. Entkalker für WC) geboten. Ein Spritzer daneben, auf den Marmorboden, hinterlässt im Nu Ätzflecken, die sich nur durch mechanisches Aufpolieren wieder entfernen lassen. lst der Marmorbelag in stark genutzten Bereichen stumpf und matt geworden, lässt er sich durch Kristallisieren wiederin einen praktisch neuwertigen Zustand zurückführen. Diese Arbeitmuss allerdings von einem Fachbetrieb ausgeführt werden.

Redaktion der Schweizer Baudokumentation in Zusammenarbeit mit Natursteinverband Schweiz und Pro Naturstein, Thema «Marmor» von Dr. Philipp Rück, Natursteinverband Schweiz

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