Potenzial für kleine Wohnformen in der Schweiz

 

Wissen

Veröffentlicht am 08. Januar 2024 von
Elisa Schreiner

Etwa die Hälfte der Schweizer Bevölkerung hat Interesse an Klein- und Kleinstwohnformen. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen Personen, die bereits in einer solchen Wohnform leben oder gelebt haben, und Personen, die sich die minimalistische Wohnform grundsätzlich vorstellen können. Dies zeigt eine Studie der Hochschule Luzern.

Einerseits sind die Landressourcen in der Schweiz knapp, andererseits durchdringt der Nachhaltigkeitsgedanke die persönliche Lebensgestaltung von immer mehr Menschen. Kleinwohnformen wie Tiny Houses, Mikroapartments, Hallenwohnen oder Wohnen in Containern und Fahrzeugen scheinen eine naheliegende Antwort zu sein. Eine interdisziplinäre Studie der HSLU untersuchte nun erstmals, wie gross die Nachfrage und das Marktpotenzial von Kleinwohnformen in der Schweiz sind und welche Interessen, Präferenzen und Bedürfnisse bestehen. Dazu befragten Forschende der Departemente Technik & Architektur, Soziale Arbeit und Wirtschaft zusammen mit 13 Umsetzungspartnern innerhalb einer repräsentativen Umfrage 1254 Personen online.

​ Clusterwohnzimmer Kalkbreite | Foto: Dimitri Djuric ​

Clusterwohnzimmer Kalkbreite | Foto: Dimitri Djuric

Clusterwohnzimmer Kalkbreite | Foto: Dimitri Djuric

Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Kleinwohnformen stossen in der Schweiz auf Interesse: Rund die Hälfte der Befragten hat bereits Erfahrungen mit Kleinwohnformen oder kann sich vorstellen, in einer solchen zu wohnen. Die andere Hälfte kann sich dies nicht vorstellen: 48 Prozent bezeichneten sich als «Nicht Interessierte», mutmasslich sind dies eher wohlsituierte Personen mit vergleichsweise hohem Haushaltsvermögen.

​Hallenwohnen in der Genossenschaft ​Kalkbreite ​ Foto: Annett Landsmann ​

Hallenwohnen in der Genossenschaft | Foto: Annett Landsmann

Hallenwohnen in der Genossenschaft | Foto: Annett Landsmann

Interessant sei, dass sich die Antworten zwischen den angegebenen 22 Prozent Expert*innen und den 30 Prozent Interessierten teilweise deutlich unterschieden, erklärt Projektleiterin Selina Lutz. «Ein Grund dafür dürfte unter anderem sein, dass Erstere auf die jeweilige Frage in Bezug auf ihre tatsächliche Wohnsituation oder ihre Erfahrungen mit kleinen Wohnformen beantworten, während sich die Interessierten auf ein hypothetisches oder Wunschszenario beziehen. Es gibt also eine Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit».

Die Untersuchung zeigt, dass mit 43 Prozent die Mehrheit der Interessierten das Wohnen in einem festen Haus wie beispielsweise einem Mini- oder Mikrohaus bevorzugen würde, während weniger als 10 Prozent bisher in dieser Kleinwohnform gelebt haben. Die überwiegende Mehrheit von 84 Prozent der Expert*innen gab an, in einem Apartment zu leben beziehungsweise gelebt zu haben. Weiterhin fällt auf, dass für Fahrzeuge und vorgefertigte Module zwar eine Nachfrage besteht, diese jedoch bisher kaum als ständiger Wohnsitz genutzt werden. Mehr als die Hälfte der Kleinwohnformen befindet sich in einer urbanen Lage. Bei den Interessierten wird dieser Standort hingegen deutlich seltener genannt. Nur rund ein Drittel der Interessierten bevorzugt die Stadt als Standort für die Kleinwohnform, die übrigen bevorzugen einen Wohnstandort auf dem Land oder in einer Agglomerationsgemeinde.

Realität zwischen Umweltaspekten und Sparsamkeit

Für Interessierte steht die Nachhaltigkeit deutlich im Vordergrund, während Expert*innen eher auf die Kosten achten. So legen Interessierte bei der Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung der Kleinwohnanlage tendenziell mehr Wert auf lokal erzeugte und erneuerbare Energien. Auch eine geringe Umweltbelastung steht im Vordergrund. Demgegenüber standen bei Menschen mit eigener Kleinwohnerfahrung häufiger geringe Kosten und hoher Komfort im Vordergrund. Zudem geben 43 Prozent der Expert*innen an, dass eine finanzielle Notlage ein entscheidendes Motiv für die Wahl einer Kleinwohnform darstellte. Bei Menschen ohne bisherige Kleinwohnerfahrung ist neben der Nachhaltigkeit das wichtigste Motiv, mehr Freiheit und Autonomie zu leben.

Hinsichtlich der gewünschten Wohnqualitäten ist für beide Interessensgruppen eine natürliche Belichtung und Belüftung der Wohnung wichtig. Darüber hinaus legen Expert*innen mehr Wert auf eher praktische Eigenschaften wie Stauraum und Rückzugsmöglichkeiten, während Interessierte eher naturbezogene Wohnqualitäten wie Ausblick und Zugang zur Natur sowie natürliche Materialien als wichtig erachten. «Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass ein Angebot an kleinen Wohnformen einen Beitrag zu nachhaltigem Wohnen leisten kann, allerdings sollte der Kostenaspekt stärker berücksichtigt werden, damit es in der Praxis umgesetzt werden kann», fasst Selina Lutz zusammen.

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