Sommerlicher Rundgang durch den Ueberlandpark

 

Wissen

Veröffentlicht am 19. Juli 2024 von
Manuel Pestalozzi

Mit dem Ueberlandpark in Zürich-Schwamendingen wird die Kunst erprobt, die Überdeckung einer innerstädtischen Autobahn mit einer Parklandschaft zu verbinden. Fast zehn Jahre nach dem Volksentscheid für die «Einhausung» nähert sich der Park seiner Fertigstellung, wie bei einem Rundgang festzustellen war. Eröffnet werden soll er im Mai 2025.

Im September 2006 hatte die Stadtzürcher Stimmbevölkerung die Einhausung des Autobahnabschnitts zwischen Schöneichtunnel und der Verzweigung Aubrugg gutgeheissen. Die Bauarbeiten im nördlichen Stadtquartier Schwamendingen starteten im März 2019. Eine vierspurige Schneise, die sich seit über 40 Jahren durch das Wohn und Gewerbequartier zieht, verschwand sukzessive hinter Waschbetonwänden. Zwei ein «S» andeutende, sanfte Kurven erhielten ein schalldichtes Dach. Dass mehr als eine Lärmschutzmassnahme entstand, dafür sorgte der Gestaltungsplan «Ueberlandpark». Er bettet den Tunnel, der noch immer den Verlauf der rund 100 Jahre früher angelegten Ueberlandstrasse ins Glatttal nachzeichnet, in die vorstädtische Landschaft ein und gibt ihr eine Zukunft.

Ueberlandpark | Foto: Bau-Auslese, Manuel Pestalozzi*
Ueberlandpark | Foto: Bau-Auslese, Manuel Pestalozzi*

Die Topographie sorgt dafür, dass der Ueberlandpark mehr ist als die High Line in New York, die ihm wohl als Inspirationsquelle gedient hat. Er kommt einer künstlichen Landschaft näher. Am südlichen Ende, wo das Terrain sanft abfällt und einst der echte, jetzt künstlich um rund einen Kilometer verlängerte Schöneichtunnel im Berg verschwand, nähert sich der Park dem gewachsenen Terrain an. Über ihm verläuft die alte Hauptstrasse nach Winterthur, von wo er gut einsehbar ist. Dort betreiben Stadt und Kanton Zürich mit dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) einen Informationspavillon. In ihm fassten eingeladene Mitglieder der Presse am 16. Juli 2024 orange Hosen, Wamse und Helme. Anschliessend durften sie mit fachkundiger Begleitung in die neue Parklandschaft auf dem Tunneldach vordringen. Sie umfliesst 17 Waschbeton-Schachtstutzen für die Notfall-Entrauchung. Der Bodenaufbau der Überdeckung ist in vieler Hinsicht mit jenem eines begrünten Dachs von Häusern oder Hallen zu vergleichen.

Die Ausführungen von Silvan Durscher, Projektleiter Grün Stadt Zürich, und Rolf Eberle, Projektleiter ASTRA, vermittelten einen Eindruck von den Herausforderungen, welche bei der Schaffung einer solchen künstlichen Landschaft zu meisten sind. Die Brückenelemente der Einhausung können im südlichen Teil wegen des Tramtunnels unterhalb der Autobahn nicht zwischen den Fahrbahnen abgestützt werden. Spannweiten von mehr als 30 Metern waren zu überbrücken. Dies hatte einen Einfluss auf die Landschaftsgestaltung und die Möblierung. Die mittig angeordneten, Schatten spendenden Pergolen im südlichen Teil des Parks sind aus Aluminiumlamellen. Holz wäre hier zu schwer gewesen, erklärte Silvan Durscher. Betonelemente terrassieren die Eindeckung seitlich. Sie schaffen mit ihren Lehmfugen «das grösste Bienenhotel der Schweiz». Die Terrassierung lässt voluminösere Gewächse zu. Auf halber Strecke biegt das Tramtunnel nach Osten ab, im nördlichen Teil des Parks ist deshalb eine intensivere Bepflanzung möglich, auch mit flachwurzligen Bäumen, die dereinst Schatten spenden werden.

Silvan Durscher, Projektleiter Grün Stadt Zürich, erklärt die Signaletik. | Foto: Bau-Auslese, Manuel Pestalozzi*

Silvan Durscher, Projektleiter Grün Stadt Zürich, erklärt die Signaletik. | Foto: Bau-Auslese, Manuel Pestalozzi*

Silvan Durscher, Projektleiter Grün Stadt Zürich, erklärt die Signaletik. | Foto: Bau-Auslese, Manuel Pestalozzi*

Die Flora im Park ist einheimisch, im nördlichen Teil, wo sie im vergangenen Herbst angelegt wurde, gedeiht sie jetzt prächtig. Sie wird so «trainiert», dass sie nicht bewässert werden muss. Für Regenwasser gibt es zwar seitlich Abläufe, generell wird dieses aber auf dem Dach zurückgehalten und von der Vegetation konsumiert. Bestandteil des möglichst autonomen, genügsamen Ökosystems sind auch Gräben mit Totholz, welche optimale Bedingungen für die Ansiedlung von erwünschten Kleinlebewesen schaffen.

Aktuell fehlt noch der Pavillon aus einheimischem Holz in der Mitte der Anlage, bei der Überquerung der Saatlenstrasse. Er soll Gemeinschaftsräume und WC aufnehmen. Geplant wurde er vom Zürcher Architekturbüro AGPS, welches die gestalterische Obhut hat und auch die Waschbetonwände und Entrauchungsschächte anregte respektive designte. Entlang dem Ueberlandpark sind verschiedene Wohnbauprojekte in Planung. Wer vom Neubau eine Brücke direkt in den Park schlägt, erhält einen Ausnützungsbonus. Der Projektleiter von Grün Stadt Zürich konnte seinen Gästen mitteilen, dass dieses Angebot rege Nachfrage findet und sich diese Brücken gut ins Konzept integrieren lassen. Wenn der kilometerlange Park mit diversen Anschlüssen zu benachbarten Grünzonen fertig ist, sollten nach seinen Aussagen zwei Gartenfachleute ausreichen, um ihn zu bewirtschaften.

Manuel Pestalozzi ist Architekt und Journalist. Er betreibt die Firma Bau-Auslese.

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