Burg Neu-Aspermont

2 von 2

 
7307 Jenins,
Schweiz

Veröffentlicht am 10. April 2024
Michele Vassella Architekt + JONGER Architekten GmbH
Teilnahme am Swiss Arc Award 2024

Treppenfigur und Schutzdach im Turm Treppenfigur im Turm Ansicht an Turm mit Treppenfigur Eingangstor im Palas Eingangstreppe im Bering Schutzdach mit Konsole im Turm Ausblick vom Durchgang ins Palas Fensteröffnungen im Turm Drei Stützen der Treppenfigur

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Aspermont, 7307 Jenins, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
10.2023
Links

Beschreibung

Die Burg Neu-Aspermont steht 350m über der Talsohle. Ein 20 Meter hoher Turm, ein mehrteiliger Palas und ein vorgelagerter Bering bilden die Anlage. Das Projekt umfasst ein Konzept für die Erschliessung der Ruine für die Öffentlichkeit, sowie deren konservatorische Restaurierung und Sicherung.

Ausgangslage

Die Stiftung Burg Neu-Aspermont setzt sich zum Ziel, den Zerfall der Burgruine zu stoppen. Die Ruine soll gesichert und mit einer Treppe zugänglich gemacht werden, die künftig die visuelle Kontrolle ermöglicht und zugleich den höchsten Aussichtspunkt des Turmes erschliesst. Zuerst wird jedoch die 800-jährige Geschichte bis und mit den Sicherungsarbeiten seit den 1950er-Jahren durch die ArchäologInnen aufgearbeitet. Unser Eingriff verstehen wir als Teil einer fortlaufenden Baugeschichte.

Entwurfsidee

Unser Schutzkonzept sieht maximale Schutzmassnahmen im Turm vor und minimale Massnahmen für den Erhalt in den Palassen. Damit wird der Zerfall von Putzfragmenten und architektonischen Details zugunsten des «Erlebniswertes» in Kauf genommen, der Deckputz mit barocker Malerei im Turm jedoch gesichert.
Die Eingangstreppe im Bering führt über den historischen Aufgang hoch ins Süd-Palas und ist als weitere Schicht über dem Befund ablesbar. Für die neue Erschliessung des Turmes betrachten wir die Burg als ein landschaftliches Element, zu dem wir uns statisch und konstruktiv verhalten. Wir entwickeln eine Treppenfigur in Stahl als Szenario - als Weg durch die Ruine - und als Plattform für ausgewählte Ausblicke in die Landschaft. Sie steht auf drei Stützen, welche die Lasten der Wendeltreppe abtragen und den Boden minimal berühren. Die baulichen Massnahmen an den historischen Mauern werden damit auf ein Minimum reduziert. Die Fragilität der Konstruktion stärkt die materiellen Qualitäten der Burg: die schweren, lastabtragenden Steine der Meterdicken Mauern.
Im Turm wird ein Schutzdach als filigranes Flächentragwerk aus Stahl konzipiert. Es steht allseitig auf Beton-Konsole des innenliegenden Mauerversatzes. Die transluzente Eindeckung nimmt Bezug auf das Fügungsprinzip der bestehenden Ziegeldeckung der Turmmauerkronen und sorgt für einen diffusen Lichteinfall. Sie liegt in der Ebene des ursprünglichen Daches und tritt äusserlich nicht in Erscheinung.

Projektierung

Die Planung umfasst nicht nur die Konzeption, sondern auch die Ausarbeitung eines Förderantrags, der wie im Fall von Neu-Aspermont, einem Schutzobjekt von nationaler Bedeutung einen erheblichen Teil der Finanzierung sicherstellte. Weiter galt es, die umfassende Expertise aller Beteiligten produktiv zu koordinieren: Die Kantonsarchäologie, die das Objekt erforschte und dokumentierte, wollte rechtzeitig einbezogen werden. Die Denkmalpflege strebte nach dem maximalen Erhalt der historischen Substanz. Ein Bundesexperte für Ruinen stand beratend zur Seite und vor Projektbewilligung liess sich die Bündner Natur- und Heimatschutzkommission um ihre Zustimmung bitten. Darüber hinaus gab es noch die Herausforderung der Risse in den Mauern, zu denen es zwar unterschiedliche Meinungen, aber keine eindeutig berechenbare Gewissheit gab.
Die Eingriffe verdeutlichen, dass die Architektur in der Lage ist, die vielfältigen Interessen beim Erhalt einer Ruine in Einklang zu bringen. Dies setzt voraus, dass sie sich selbst Raum nimmt, sich von dem Wunsch nach Rekonstruktion löst und nicht didaktisch wird. So entsteht ein Gleichgewicht zwischen Zurückhaltung und Präsenz, zwischen Pragmatismus und Idealismus sowie zwischen Veränderung und Bewahrung. Die neue Treppenfigur von Neu- Aspermont steht hierfür sinnbildlich minimalinvasiv auf drei Fundamenten in zwei Trakten steht und Blickbeziehungen schafft, die die Erkundung dieses immer noch geheimnisvollen Ruinengebildes anregen.

Realisierung

Klar ist, dass mit jeder Sicherungsmassnahme die Qualitäten der unberührten Ruine verloren geht. Wir halten uns daher an Luigi Snozzi, der sagt: «Jeder Eingriff bedingt eine Zerstörung. Zerstöre mit Verstand!».
Die präzise Einpassung der Stahltreppe war nur dank der Anwendung der Punktwolkentechnologie möglich. Durch ein Scanning mit Hilfe eines Lasermessverfahrens werden riesige Mengen von Messpunkten generiert. Damit lässt sich jede Umgebung in hoher Auflösung darstellen – sowohl räumlich als auch in ihrer Oberflächenbeschaffenheit. Wenn nun die Gesamtheit dieser Daten Verwendung findet, entsteht eine Ästhetik von präziser, fast geisterhafter und dennoch realistischer Transparenz.

Besonderheiten

Die Debatte über die Burgenrestauration ist zur heutigen Zeit stark verwissenschaftlicht. Begriffe aus der Romantik, wie das Erhabene und Phantastische eines solchen Bauwerkes, waren für uns treibende Kraft in der Konzeption eines Schutzkonzeptes für eine Ruine. Nebst den technisch korrekten konservatorischen Grundoperationen legt unser Projekt den Fokus stets das Erleben der räumlichen Qualitäten einer Ruine.
Ein Schutzdach verändert den Charakter einer Burgruine fundamental. Wir nutzen es als Chance, um eine neue Raumqualität zu schaffen. Diese steht je nach Witterung in starkem Kontrast zur offenen Burgruine. Bei Schneefall erscheint der Turm dunkel und den schneebedeckten Palassen hell. Sonnenschein wiederum wirft ein dunkler Schatten über die Mauern der Palasse und erleuchtet den Turm hell in ein diffuses Licht.

Das Projekt von Jonger Architekten wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2024 eingereicht und von Elisa Schreiner veröffentlicht.

192170569