Gesamtsanierung von zwei Wohnhochhäusern
,
Schweiz
Veröffentlicht am 28. März 2023
Bauart Architekten und Planer AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2023
Projektdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
In enger Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft wurde ein Sanierungskonzept entwickelt, dass den expressiven architektonischen Charakter und die Wohnungstypologie aus den 1970er Jahren in die heutige Zeit überführt.
Ausgangslage
Neben der Innendämmung der Hülle und einem kompletten Fensterersatz wurden die Nasszellen, Küchen und Steigzonen der rund 100 Wohnungen ersetzt. Besonderer Wert wurde dabei auf eine nachhaltige Wahl der Materialien und Elektrogeräte gelegt und dadurch die Energiebilanz stark verbessert. Im Weiteren wurde jede Wohnung mit einem System ausgestattet, welches es den Mietern erlaubt, den eigenen Strom- und Wasserverbrauch zu beobachten. Im Erdgeschoss wurden zusätzliche Wohnungen eingebaut und damit die Mietfläche erweitert. Die Sanierung erfolgte im bewohnten Zustand.
Entwurfsidee
Die Gesamtsanierung zweier für die 1970er-Jahre typischen Wohnhochhäuser verdeutlicht die doppelte Herausforderung, die sich aus dem Kompromiss zwischen der Erhaltung des Kulturerbes der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und einem bewussten ökologischen Wandel ergibt. Durch die interdisziplinäre Herangehensweise und gezielte Festlegung der Eingriffe am Gebäude folgt die Sanierung – angesichts einer hochaktuellen Thematik – einem innovativen Ansatz. Der architektonische Ansatz zeichnet sich vor allem durch folgende Besonderheiten aus:
- ein Sanierungskonzept unter Respektierung des architektonischen Erbes
- eine Strategie mit gefühlvoller Planung der erforderlichen Eingriffe
- deutliche Reduzierung der CO2-Bilanz
Projektierung
Ein Grossteil unserer heute gebauten Umwelt entstand im Bauboom der Nachkriegszeit. Statistiken belegen, dass etwa 40 Prozent des gesamten Wohnungsbestands der Schweiz zwischen 1946 und 1980 gebaut wurden. Dieses bauliche Erbe prägt vor allem die Stadtrandgebiete, an denen viele Wohnblöcke und Hochhäuser entstanden. Die aus den Jahren 1972/73 stammenden Wohnhochhäuser in Neuchâtel wurden, kurz vor der ersten Ölkrise, auf den Höhen von Serrières, im äussersten Westen der Stadt, gebaut. Sie sind sehr charakteristisch für ihre Zeit und entsprechen dieser in ihrer Typologie durch die parallele Anordnung inmitten eines Parks, das Fassadenbild, welches von den Unités d’habitation, den «Wohnmaschinen» Le Corbusiers inspiriert wurde, oder durch die Materialität der Fassaden aus Betonfertigteilen.
Durch ihre Positionierung und Ausrichtung bietet das Ensemble ungefähr hundert Wohnungen einen Ausblick auf Weinberge, den Neuenburgersee und die Alpen. Nach etwa fünfzig Jahren aber zeigten sich einige Schäden, fehlende Attraktivität erschwerte neue Mietverträge und der Energieverbrauch war beträchtlich. Nach der Phase der Diagnostik und Vorstudie verschiedener Sanierungsszenarien ergab sich folgender architektonischer Ansatz: Ersetzen veralteter Elemente und Verbesserung der Energiebilanz, bei gleichzeitiger Wahrung expressiver, typologischer und architektonischer Charakteristika der Gebäude.
Realisierung
Durch eine Reihe zusätzlicher Interventionen konnten die thermische Qualität der Gebäudehülle stark verbessert, Gemeinschaftsräume renoviert und technische Installationen, Küchen und Badezimmer auf aktuelle Standards gebracht werden. Um den expressiven architektonischen Charakter der Gebäude zu erhalten, wurden die nicht tragenden Partien der Fassaden durch vorgefertigte Elemente ersetzt. Letztere bestehen aus Holzrahmen, die Wärmedämmung und Fensterrahmen, die die ursprünglichen Linien der Komposition weiterführen, in sich aufnehmen. Die tragenden Teile hingegen wurden von innen isoliert.
Besonderheiten
Auf die Aussenwände wurde innen eine neue Wärmedämmung angebracht. Diese besteht aus Mineralwolle, die in einen Holzrahmen eingefügt ist. Fenster mit Dreifachverglasung im Holz-Metall-Rahmen ersetzen die alten. Besonderes Augenmerk wurde auf die Wahl der ökologischen Baustoffe und Elektrogeräte mit sehr niedrigem Energieverbrauch gelegt. Die ehemalige Ölheizung musste einer Hackschnitzel- bzw. Pelletheizung weichen. Heizraum, Tank und Kamin nehmen nach ihrer Umnutzung die neuen Installationen erneuerbarer Energien in sich auf. Jede Wohnung ist mit einem Monitoring-System ausgestattet, das den Bewohnern erlaubt, ihren Strom- und Wasserverbrauch zu beobachten und dadurch Ressourcen verantwortungsbewusst und sparsam einzusetzen. Im Gegensatz zu der Logik einer Tabula rasa oder einem entstellenden Einkleiden mit Dämmstoff zeigt dieser Ansatz, dass es möglich ist, die Aufwertung eines gewöhnlichen Gebäudebestands aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die mit dem ökologischen Wandel verbundenen Ziele miteinander in Einklang zu bringen.