Huebergass Bern

 
3008 Bern,
Schweiz

Veröffentlicht am 10. April 2024
GWJ Architektur AG + ORT AG für Landschaftsarchitektur
Teilnahme am Swiss Arc Award 2024

Die Gasse bildet das Rückgrat des Gesamtkonzeptes der Siedlung. Sie ist die pulsierende, sämtliche gemeinschaftlichen und privaten Räume erschliessende Mittelachse. Die Gemeinschaftsgärten zwischen der ruhigen Gebäudeseite und dem Mistwägli werden durch die Bewohnenden entwickelt. Die Gartenzimmer entstehen durch die Bespielung durch die Bewohner Treppenhaus und Balkon befinden sich im selben unbeheizten Vorbau an der Gasse. Dreigeschossige Leichtkonstruktionen erschliessen die einzelnen Gebäude und markieren die Adresse, strukturieren die Gasse und schaffen Nischen im Aussenraum Wohnung mit Durchwohnen und freien Nutzungszuordnungen Die Wohnzonen werden von zwei Seiten mit Tageslicht versorgt. halböffentliches Wohnen Küchen bilden die grosszügigen Kerne der Wohnungen und sind als zentrale Wohnräume durch die Volumina hindurchgesteckt Die kompakten Baukörper wurden mit Aussenwänden aus einschaligem Mauerwerk errichtet Wohnung mit Durchwohnen Schwammstadt? Schwammquartier. Mit robusten einfachen Lösungen wird anfallendes Regenwasser in die Baumgruben geführt und so die Gesundheit der Bäume gefördert, was wiederum das Stadtklima freut. Die Huebergass zum angrenzenden Stadtteilpark Autofreie Gasse mit aneigenbaren Teilräumen

Projektdaten

Basisdaten

Projektkategorie
Fertigstellung
08.2021
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
3 bis 5
Anzahl Kellergeschosse
1
Anzahl Wohnungen
103
Grundstücksfläche
27'056 m²
Geschossfläche
1'313'152 m²
Nutzfläche
977'231 m²
Gebäudevolumen
4'019'173 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
25,0 Mio. CHF
Parkplätze
23

Beschreibung

Der Wohnkomplex wurde als sozial, ökonomisch und klimatisch verträglicher Siedlungsbau in genossenschaftlicher Trägerschaft mit 103 Wohnungen, Kita, Café und angrenzendem Stadtteilpark gemeinschaftlich entwickelt. Das Projekt schafft preisgünstigen Wohnraum für eine sozial gemischte Mieterschaft und eine aktive Nachbarschaft mit flexiblen Nutzungsmöglichkeiten. Fundiertes Wissen, genaue Interpretation und intensive Auseinandersetzung mit städtebaulichen, baurechtlichen und brandschutztechnischen Vorgaben reduzieren Bau-, Material- und Energiekosten.

Ausgangslage

Weil bezahlbarer Wohnraum knapp ist, hat die Stadt Bern ein Areal mit 117 Familiengärten aus ihrem Besitz freigegeben. Ein zunächst umstrittener Entscheid, doch nachdem die Stadt 2011 einen Plan vorlegte, auf dem nördlichen Teil des Areals Neubauten zu errichten und auf dem südlichen Teil einen öffentlichen Park anzulegen, fand das Projekt 2012 in einer Volksabstimmung eine Zweidrittelmehrheit.

Entwurfsidee

Die Anforderungen an die Architekten bezüglich der Nachverdichtung waren: Kostenmiete und Gemeinnützigkeit. Die neue Siedlung soll sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltig sein. Es soll ein sozial durchmischtes Quartier mit einem Quartierspark entstehen, das sich mit der umgebenden Bebauung vernetzt, Raum für unterschiedliche Wohnformen bietet und das nachbarschaftliche Zusammenleben fördert.
Kostenmiete und Gemeinnützigkeit konnten durch folgende Faktoren erreicht werden:
Durch den weitgehenden Verzicht auf Unterkellerung, die Vorgabe, die Siedlung autofrei zu konzipieren, die Reduzierung der Erschliessungsflächen, die Auslagerung der Treppenhäuser, die Standardisierung von Bauteilen und Raumgrössen konnten die Bau- und Materialkosten niedrig gehalten werden.
Die Auslagerung der Treppenhäuser vor die Gebäude brachte einen ökonomischen und sozialen Mehrwert: So konnte mehr kostengünstiger Wohnraum generiert werden, da diese nicht zur Wohn- beziehungsweise Nutzfläche gezählt werden. Der Energiebedarf der Gebäude konnte deutlich reduziert und damit die Bewirtschaftungskosten gesenkt werden. Die Baukörper entsprechen zu 100 Prozent der Nutzfläche. Die offenen, zur Gasse orientierten Stiegenhäuser tragen wesentlich zum sozial aktiven Gemeinschaftsleben in der Siedlung bei. Durch die autofreie Gestaltung der Siedlung entfallen die Kosten für Garagen und die Einsparung von Stellplätzen schafft Raum für den Park.

Projektierung

Der Park ist öffentlich und Teil des Quartiers, ein Freiraum mit Angeboten für alle Menschen und unterschiedliche Bedürfnisse. Der Park ist in einem partizipativen Prozess als lernender Park entstanden und wird auch so betrieben. Die Huebergasse wird von der Baugenossenschaft «Wir sind Stadtgarten» verwaltet, die Kostenmieten anbietet und keine Rendite erwirtschaftet. Von den preisgünstigen Wohnungen mit kompakten bis suffizienten Grundrissen profitieren kinderreiche Familien und Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Inklusiion und das Miteinander stehen im Mittelpunkt dieser sozialen und grünen, urbanen Wohnsiedlung.
Eine 5,5-Zimmerwohnung ist hier für eine für Schweizer Verhältnisse sensationell tiefe Monatsmiete von CHF 1100 zu haben. Darin inbegriffen sind auch die Nutzung der Gemeinschaftsräume Veranstaltungssaal, Gästezimmer, Waschküche oder Ateliers und der Beitrag an das Abonnement des öffentlichen Verkehrs, sozusagen als Ausgleich für die wenigen Autoabstellplätze. Die autofreie Huebergass entschleunigt und fördert zudem eine klimafreundliche Mobilität. Wer einziehen darf, ist reglementiert. Das Jahreseinkommen pro volljährige Person darf 50000 Franken, das Vermögen 144000 Franken nicht übersteigen. Und der Schlüssel zwischen Zimmer- und Personenzahl beträgt +/- 1. Das bedeutet, dass beispielsweise eine 3,5-Zimmer-Wohnung von mindestens zwei und maximal vier Personen bewohnt wird.

Besonderheiten

Das Projekt wurde als einer von vier Schweizer Beiträgen am UIA-Kongress 2023 vorgestellt, weil es in vielen Punkten den Nachhaltigkeitszielen der UNO entspricht. Die 17 Nachhaltigkeitsziele definieren die globale Agenda für eine nachhaltige Entwicklung. Als Antwort auf den Mangel an bezahlbarem Wohnraum bietet es erschwinglichen Wohnraum für einkommensschwache Familien, Migrant*innen und Menschen in schwierigen Lebenssituationen.
Die sozial, ökonomisch und klimatisch nachhaltige Siedlung wurde in einem gemeinschaftlichen Prozess von GWJ Architektur, Ort für Landschaftsarchitektur und dem Sozialplaner Martin Beutler entwickelt. Das Planungsteam hat das Konzept in einem umfassenden, partizipativen Prozess entwickelt und dabei Städtebau, Freiraum und Architektur von Anfang an als zusammengehöriges Ganzes betrachtet. Entstanden ist ein gemischtes Quartier mit einem Quartierspark und einer sechsteiligen Wohnanlage, die das nachbarschaftliche Zusammenleben fördert, Raum für unterschiedliche Lebensformen und Lebensalter bietet und gleichzeitig der heterogenen Mieterschaft sicheren Wohnraum zur Verfügung stellt.
Das verbindende Element ist die zentrale Gasse zwischen den Gebäuden. Sie ist Dreh- und Angelpunkt des pulsierenden Gemeinschaftslebens. Hier kreuzen sich die Wege, hier trifft man sich. Von hier aus sind die Wohnungen, die Gemeinschaftsräume, die Kindertagesstätte, das von der Nachbarschaft betriebene Café, der Veranstaltungssaal, die Waschsalons und Ateliers erreichbar. Die markanten, hölzernen Vorbauten zur Gasse sind Treppenhaus und privater Balkon zugleich, sodass eine offene Kommunikation schon beim Verlassen der eigenen Wohnung möglich ist. Ziel war es, das Bestehende mit einem weiteren Stück Quartier fortzusetzen, das Schwellenräume, Übergänge, Nachbarschaften zwischen Innen und Aussen, zwischen Quartier, Gärten und Umgebung zulässt.

Das Projekt von GWJ Architektur wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2024 eingereicht und von Elisa Schreiner publiziert.

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