Wohnhaus Couchirard

 
1004 Lausanne,
Schweiz

Veröffentlicht am 17. April 2023
O. Rochat Architectes
Teilnahme am Swiss Arc Award 2023

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Avenue de Morges 145, 1004 Lausanne, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
02.2023
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
6 bis 10
Anzahl Kellergeschosse
1
Anzahl Wohnungen
28
Grundstücksfläche
1640 m²
Geschossfläche
700 m²
Nutzfläche
3750 m²
Gebäudevolumen
16'400 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
16,0 Mio. CHF
Anzahl Arbeitsplätze
10
Parkplätze
26

Beschreibung

Wo früher Autos repariert und verkauft wurden, wird heute gewohnt: Die Architekturbüros O. Rochat und Atelier Arthys haben die 1913 erbaute Garage in Lausanne in 28 Wohneinheiten umgebaut. Um die Wohnungen in dem 19 Meter tiefen Volumen zu belichten, wurden mehrgeschossige, lichtdurchflutete Gemeinschaftsräume eingeflochten. So entstanden eine Art innere Landschaft und ambivalente Räume, die weder innen noch aussen liegen.

Die gesellschaftlichen Umwälzungen haben das Auto schon lange in den Hintergrund gedrängt und das Gebäude viele Jahre lang leer und ungenutzt gelassen. Ein erstes Projekt, das von einem später verdrängten Auftragnehmerteam geleitet wurde, führte zu einem konsequenten und unglücklichen Abriss. Die Bauarbeiten wurden gestoppt. Im zweiten Anlauf ging es folglich darum, ein enthauptetes und um seinen Nordkopf (darunter ein bezauberndes Vordach aus dem Jahr 1947) amputiertes Gebäude wiederzubeleben und ein neues Projekt auf den Ruinen von 1913 und wenigen Elementen von 2016 wie dem unterirdisch gebauten Parkplatz zu entwickeln.

Das Projektkonzept geht von einem einfachen Bild aus: Verdichten, was bereits verdichtet ist und den Raum der Halle luftig halten. Dieses Ziel gab Anlass von der geplanten «Schachtel in der Schachtel» für die Halle abzuweichen und stattdessen transversale Einsätze zu wählen, die drei Felder vollständig besetzen und zwei weitere Felder freilassen. Die Zahl fünf bietet ein gutes Gleichgewicht und die Möglichkeit, Seitenlicht für die Wohnungen unter dem Dach der Halle zu öffnen.

Wie kann man in einem 18 Meter breiten Gebäude, das nur an einer Fassade Tageslicht hat, maximal verdichten? Zwei grosse Innenhöfe befinden sich in den freien Feldern, um Luft und Licht in die Räume zu bringen, die von der offenen Fassade der Wohnungen in den unteren Stockwerken entfernt liegen. Dies ermöglicht die Einführung einer durchgehenden Typologie in diesem Gebäude, das sonst nicht durchgängig ist. Auf diesen Ebenen wird eine hohe Nutzungsdichte gefunden. Die eingeführte Vorrichtung bietet zwei grosszügige und strategische Räume im Sinne der Erhaltung des Kulturerbes, die von den Bewohnern frei angeeignet werden können. Von diesen aus bleibt die gesamte Höhe, Tiefe und Breite der Halle wahrnehmbar.

Obwohl das Konzept auf einem einfachen Bild beruht, war seine Umsetzung nur durch eine umfangreiche Schattenarbeit möglich. Einen so grossen offenen Raum, also einen Fluchtweg für Wohnungen zu erhalten, schien unmöglich. Auch die Umwandlung eines einseitig orientierten Gebäudes in ein Gebäude mit zwei Orientierungen durch die Schaffung von Öffnungen für Wohnräume in Räumen, die weder innen noch aussen liegen, ist auf den ersten Blick eine Herausforderung. Und schliesslich war die Schaffung einer kohärenten Volumetrie, die sich aus der Ausrichtung der neuen Fassaden auf die alten zusammensetzt (während das PGA einen Rücksprung von zwei Metern verlangt), auch das Ergebnis einer Suche nach regulatorischen Lösungen. Die Grosszügigkeit dieses Projekts ist sowohl das Ergebnis einer geduldigen Beschäftigung mit der Architektur und Fragen der Erhaltung als auch einer nicht minder konsequenten technischen Arbeit. Das Projekt beinhaltete eine «kreative Interpretation» der geltenden Gesetze, Normen und Vorschriften und oftmals lange Verhandlungen, um von seiner Berechtigung zu überzeugen. Es ist Ausdruck einer Weigerung, sich kampflos zu beugen und einfallslos zu kapitulieren angesichts der Überflutung des Bauwesens und der Architektur durch das exponentielle Normensystem, das unsere Zeit hervorbringt ... Damit die Poesie in unserem Beruf bestehen bleibt.

Besondere Aufmerksamkeit wurde der Innenausstattung gewidmet, und drei Objekte wurden speziell für das Gebäude entworfen und hergestellt: Ein Fries aus verschiedenen schablonengemalten Dekoren an der Basis des Gelenks zwischen Pfeilern und Dachbindern belebt den nüchternen Raum der Halle. Der Verputz war lange Zeit unter freiem Himmel gelassen worden. Im Rahmen einer Konsolidierungsmassnahme wurde ein Musterstück restauriert, während der Rest des Frieses auf der Grundlage von Schablonen, die von den ursprünglichen Motiven abgezogen wurden, rekonstruiert wurde. Der ursprüngliche Boden der Halle bestand aus einem Terrazzo mit einem sehr dichten Muster. Da er stark beschädigt war, wurde er durch einen Zementfliesenboden ersetzt. Die Mineralität dieser Fliesen ist ein Echo der inneren Materialität und verweist auf eine Tradition aus der Zeit, in der die Garage gebaut wurde. Die entworfenen Fliesen, deren geradliniges Band einen Kontrast zum Hintergrund bildet, bringen erneut eine starke Vibration in den Raum. Der dunkle Streifen überlagert die Fugen und vermittelt die Illusion eines durchgehenden Bodens. Dieses einfache Muster unterstützt verschiedene Verlegemuster, je nach Situation und gewünschter visueller Intensität. Natürliches Licht, das durch die Dachverglasungen fällt, belebt den Raum der Halle. Das Beleuchtungskonzept wurde dem Büro Lumière Electrique anvertraut, mit dem Auftrag, die Räumlichkeit des Gebäudes auf nüchterne Weise zu betonen und dem natürlichen Licht, solange es vorhanden ist, Priorität einzuräumen. Die Grundleuchte, die den Besucher auf all seinen Wegen begleitet, wurde nach Mass entworfen und produziert. Die Farbtemperatur ihrer Lichtquelle kann nach dem Konzept des dynamischen Weiss variieren: Sie folgt dem Temperaturzyklus des natürlichen Lichts, ist morgens und abends warm und tagsüber neutraler.

Der Text wurde von den Architekt*innen im Zusammenhang mit der Einreichung des Projektes für den Arc Award 2023 verfasst.

192064212