Krebs und Herde, PARK ARCH & Neven Kostic machen den Koch-Park zur Bühne des städtischen Lebens
Im nächsten Jahr wird das Koch Areal mit seiner Mischnutzung aus Wohn- und Gewerbehäusern bezugsbereit sein. Der dazugehörige Park wurde bereits der Öffentlichkeit übergeben. Vieles auf dem Areal ist prototypisch für nachhaltiges Bauen und zeitgemässes Wohnen. Auch die Parkanlage ist in vielfacher Hinsicht vorbildlich. Eine offene, umgenutzte Industriehalle lädt die Nutzer*innen zur Aneignung ein. Zugleich bietet die kompakte Anlage Nischen für Pflanzen, Tiere und Pilze.

Die ehemalige Kohlenhalle wurde in einen inspirierendern multifunktionalen Ort für die Anwohner*innen und das gesamte Quartier verwandelt. | Foto: Valentin Jeck
Es ist ein kühler Herbstmittag. Menschen sitzen einzeln oder in Grüppchen unter dem grossen ikonischen Giebeldach des ehemaligen Kohlelagers auf dem Koch Areal. Durch die Umnutzung der riesigen Halle ist ein für Zürich einzigartig grosser überdachter öffentlicher Platz entstanden. Indem Teile der Dachziegel gegen solche aus Glas getauscht wurden, sind grosse transparente Kreise und Halbkreise im Dach geschaffen worden, die weiches Licht hineinströmen lassen. Die Reliefbuchstaben auf dem Dachfirst «KOHLEN KOCH HEIZOEL» verweisen gleichermassen auf die industrielle Vergangenheit des Areals, auf dem seit den 1920er-Jahren Brennstoffe gelagert wurden, wie auch auf die Dekade seiner friedlichen Besetzung ab 2013. Bis auf das K von KOCH sind es die originalen, restaurierten Buchstaben. Sie sind namensgebend für die Halle und das Areal. Und sie sind zugleich Leitmotiv für die Verzahnung von Alt und Neu, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Koch Park. Das Selbstbewusstsein steht dem Projekt gut, denn hier wurden exemplarisch und teilweise prototypisch neue Wege gegangen hinsichtlich einer naturnahen, biodiversen Landschaftsgestaltung. Bei der Gestaltung des Parks hatten Krebs und Herde Landschaftsarchitekten die Federführung und haben für die Umnutzung der Halle mit PARK ARCH und dem Ingenieurbüro von Dr. Neven Kostic zusammengespannt. Gemeinsam haben sie einen grossflächigen, vor Regen geschützten öffentlichen Raum unter Instandsetzen des Bestehenden und Wiederverwendung von Abbruchmaterial geschaffen. Reuse ist bei diesem Projekt kein Lippenbekenntnis, sondern ist bei jedem Schritt, den man in der Halle und durch den Park geht, präsent.
Eine wilde Parklandschaft
«Was wir vorgefunden haben, war ein Freiraum und eine riesige Halle auf nicht sehr grossem Raum, aber mit einer starken Zeichenhaftigkeit», sagt Matthias Krebs bei der gemeinsamen Besichtigung vor Ort. «Als wir den Wettbewerb vor sieben Jahren starteten, fanden wir verschiedene Elemente vor: ein ziemlich verwildertes Areal, die noch besetzte Halle und mehrere Gleislinien aus industrieller Zeit. In dieser Konstellation haben wir uns – gemeinsam mit dem Soziologen Philippe Cabane – intensiv überlegt, wie mit diesem Ort umzugehen sei.» Bald sei klar geworden, so Matthias Krebs, dass die Halle selbst zu einem Teil des Naturraumes werden sollte. «Wir haben uns gefragt, wie wir die Natur in die Stadt hineinbringen können, auch bei einem derart dicht programmierten Ort. Halle und Park eng miteinander zu verweben, war die spannendste Aufgabe bei diesem einmaligen Projekt.» Die andere Challenge: Grün Stadt Zürich fordert, dass neue Parkanlagen naturnah und biodivers sind und stellt hohe Anforderungen an die Entsiegelung der Oberflächen im Sinne der Schwammstadt, an die Schaffung von Ruderalflächen mit Pionier- und nicht invasiven Pflanzen sowie an eine Parkgestaltung mit Materialien wie Totholz und Trockenmauern als Habitate für Insekten und andere Kleintiere. Eine weitere konkrete Anforderung beim Projekt war zudem eine Kompensation von Naturschutzflächen, die durch die Bautätigkeit auf dem Koch Areal weggefallen waren. Was der Park aber hauptsächlich erfüllen musste, war für die Landschaftsarchitekt*innen von Anfang an klar: «Mit der Transformation von Park und Halle sollte ein Erlebnisraum entstehen, der von unterschiedlichsten Menschen angenommen wird. Und alle diese Nutzungen – auch das Spielerische – wollten wir miteinander eng verflechten, um dem Ort gerecht zu werden.»
Dreifache Transformation
«Im Grunde ist das Projekt in dreifacherHinsicht eine Transformation: eine Nutzungstransformation, die wandelbar bleibt,weil wir nicht wissen, was hier in 15 Jahren stattfinden wird; eine bauliche Transformation mit der Erweiterung der Halle und eine ästhetische Transformation vor allem dank der Glasziegel», so Markus Lüscher von PARK ARCH. Zudem sei es auch eine bauliche und eine ästhetische Transformation, die sich auf die Halle bezieht. «Es ist ein Glücksfall, dass die Halle unter Denkmalschutz steht.» Zu verdanken ist dies nicht unwesentlich der Denkmalpflegekommission, die eine erneute Begehung und Überprüfung der Denkmalwürdigkeit einforderte. Sie konnte überzeugen: Nur ein jüngerer Gebäudeteil im Norden durfte abgebrochen werden. Hier wurde das Dach in gleicher Länge mit einer weitestgehend stützenfreien Tragkonstruktion aus Schwarzstahl ersetzt, wovon später noch die Rede sein wird.
Weil die offene Halle als Ganzes ihre ursprüngliche Zeichenhaftigkeit nicht einbüssen sollte, sind andere ästhetische und bauliche Veränderungen kaum als solche lesbar, beziehungsweise wirken wie selbstverständlich. Da gibt es im Süden der Halle – in der Nähe der einzigen Wand zur Stras-se hin – ein Treppenpodest, von wo aus man aus passender Höhe die filigrane Geometrie der Holztragkonstruktion bewundern kann; da sind die Leuchten in der Dachkonstruktion und die mit Neonlicht bestückten Lettern KOCH, die nun nachts rot leuchten. Denn ein wesentlicher Aspekt des Projekts ist: Halle und Park sind rund um die Uhr offen, was deren Funktion als möglichst inklusiven öffentlichen Raum unterstreicht.

Wasser bringt den Park in Bewegung – sei es beim langen Brunnen, oder wenn es bei Regen aus Speiern in die Sickertöpfe schiesst. | Foto: Kuster Frey
Reuse und Wasser verbinden Halle und Park
Der freie Platz, der von dem markanten Dach vor Witterungseinflüssen geschützt ist, zeigt im Wortsinn ebenfalls Spuren der Vergangenheit. Schienen machen sichtbar, wo früher Güterwagen mit Kohle in die Halle hinein und heraus manövriert wurden. Es ist nicht der oft kritisierte Zürcher Finish, der hier vorherrscht. Vielmehr präsentiert sich der Boden wie ein Buch, das Geschichten erzählt. In unregelmässigen Abständen links und rechts des Hallendachs sind Betonbruchsteine – in Pietra Rasa-Technik bearbeitet – zu verschieden hohen Zylindern aufgeschichtet; Nicht nur die Steine sind Abbruchmaterial; auch dem Setzmörtel wurde ein Zuschlag aus zerbrochenen Dachziegeln beigemengt, wodurch er einen leicht rötlichen Farbton aufweist und porös ist, damit Wasser hindurchdiffundieren kann. Wer genauer hinschaut, bemerkt, dass die Zylinder nicht immer die gleiche Höhe haben. Da gibt es einen höheren, der – weil leicht konisch nach oben zulaufend – an einen Kaminstumpf erinnert; eine Reverenz an die industrielle Vergangenheit, obwohl hier nie gefertigt wurde. In seiner eigentlichen Funktion ist er ein Sickertopf. Andere Zylinder sind zu Regenwasserbrunnen geformt, in deren Wasseroberfläche sich das Dach spiegelt und auch für Kinder ein Erlebnis sind. Alle werden gleichermassen über Abflussrohre vom Dachwasser gespiesen und erfüllen je nach Standort einen anderen Zweck zur Bewässerung der Pflanzen oder – vor allem im Sommer – zur Befeuchtung der Luft und des Erdreichs. Ebenfalls aus Abbruchelementen ist eine Mauer, die den Park nach Westen abschliesst. Sie zeichnet den Krümmungsradius der Gleise auf dem Areal nach. Wuchtige Platten reihen sich hier wie leicht geneigte, eng gesetzte Dominosteine entlang der Grundstücksgrenze. Die Rohheit der Mauer, die «Rockigkeit» wie Matthias Krebs es nennt, ist durchaus bewusst. Wer genauer hinschaut, wird auch Ansammlungen defekter Ziegelsteine ausmachen. Sie dienen als Nischen für Eidechsen und andere kleine Tiere. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, wie die gebaute beziehungsweise rückgebaute Kultur – Stein, Ton und Beton – der Natur wieder zugutekommt. Weniger offensichtlich ist, dass auch für Wegplatten und Betonsofas im Gelände Abbruchmaterial – vorwiegend die Bodenplatten des abgetragenen Gebäudeteils und von anderen Orten – verwendet wurde.

Unterschiedliche Substrate erlauben das gedeihen von Kräutern, Hochstauden und Pionierwäldern. | Foto: Juliet Haller © Amt für Städtebau Zürich
Pragmatische Holztrag-, kühne Stahlkonstruktion
Aber noch einmal zurück zur Halle: Die hölzerne Tragkonstruktion des Daches hat mit ihren Verstrebungen aus Zug- und Druckelementen eine eindrückliche Ästhetik. Im ältesten Teil der Halle sind es noch Rundhölzer, im neueren Teil, der später angebaut wurde, Kanthölzer, die das Dach stützen. Wenige der Rundhölzer mussten ersetzt werden, was deren hellere Farbe ablesbar macht. Um eine wind- und erdbebensichere Versteifung zu erreichen, hat Bauingenieur Neven Kostic dünne Stahlverstrebungen hinzufügen lassen. Sie sind rot lackiert und zeigen als einziges Bauteil deutlich, dass sie neu sind. «Wir haben lange über ihre Farbigkeit diskutiert», so Neven Kostic. Aber sie passt in vielem zum Projekt: Die Farbe harmoniert mit dem rötlichen Ziegeldach, der Leuchtschrift und der industriellen Geschichte des Kohlelagers: ein Ort, wo einst Brennstoff zum Heizen gelagert wurde.

Situation: Krebs und Herde Landschaftsarchitekten, PARK ARCH & Dr. Neven Kostic
Präsentiert sich die Halle gegen Südwesten mit einer unscheinbaren eternitverkleideten Holzwand in einer archetypischen Form eines Giebelhauses, verwandelt sich die Halle, je mehr man gegen Nordosten zum zukünftigen Wohnquartier läuft, in eine kühne Dachkonstruktion. Das Giebeldach scheint, aus der Distanz betrachtet, wie mit Schwingen in die Luft auffliegen zu wollen, so filigran ist die rohe Stahlkonstruktion der Stützen und Streben und des Netzwerks für die Ziegel. Das scheinbare Abheben des Daches ist nicht nur eine l’Art pour l’Art-Geste, sie verweist auch auf die zukünftige Nutzung durch den Zirkus Chnopf und das Zirkusquartier, das zur Koch-Zeiten dort sein Lager aufgeschlagen hatte und 2027 zurückkehren darf; und für dessen Proben und Aufführungen die freie Fläche ideal sein wird.

Der neue Teil der Halle scheint elegant wie ein Vogel abzuheben. | Foto: Valentin Jeck
Eine städtische Bühne
Auch wenn das Dach filigran und dynamisch erscheint, hat es zugleich einen bergenden Charakter. Nach Abschluss des Gesamtprojekts soll der Platz nicht nur von den Bewohner*innen des neuen Areals genutzt werden, sondern auch Nutzende aus den naheliegenden Quartieren anziehen. Was uns zur übergeordneten Frage führt: Was macht einen guten öffentlichen Raum aus? Wie können mit den Mitteln der Architektur Begegnungen und Interaktion stimuliert werden? Was lässt sich wie gestalten, damit die Benutzer*innen ihn sich aneignen? Matthias Krebs verweist noch einmal auf den Park und meint: «Ein Ort muss inspirierend und einladend sein, und es soll nicht alles ‹fertig› wirken. Bei der Bepflanzung des Parks mit Bäumen, Sträuchern und Pionierpflanzen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sie sich mit den Jahren und Jahreszeiten immer wieder verändern. Manche Pflanzen wird es nicht mehr geben, weil es nicht der richtige Ort für sie ist, andere werden sich breitmachen. «Wir sprechen daher nicht von Gartenpflege, sondern vom Lenken der Stadtnatur.»
Ein öffentlicher Raum braucht neben Orten der Begegnung auch Möglichkeiten für den Rückzug, Nischen, Abwechslung und Überraschungen; Orte, die eine gewisse Einzigartigkeit aufweisen. So findet sich auf einem «Nebengleis» des Parks kein klassischer Spielplatz, sondern ein kleiner Bach und Sand – konsequent zur Offenporigkeit des Parks – zum erlebnisreichen Spielen. Gespiesen wird der kleine Wasserlauf ebenfalls vom Regenwasser. An einem anderen Ort tritt einem das Wasser als langes Brunnenobjekt aus Stahl entgegen, mit Zuläufen in verschiedenen Höhen, damit man daraus trinken kann. «Das macht die Qualität dieses öffentlichen Raumes aus», so Matthias Krebs.

Neue gläserne Dachziegel bringen viel Licht in die ehemalige Kohlenhalle. | Foto: Valentin Jeck
«Der Koch Park ist zu jeder Jahreszeit und Witterung ein spannender Ort, denn mit dem Dach hat er einen Platz, den man auch bei Regen aufsuchen kann. Das ist nicht nur für Zürich unkonventionell und somit einzigartig.» Und Markus Lüscher ergänzt abschliessend: «Wären die Beset-zer*innen nicht so sorgfältig mit dem Bestand der Halle umgegangen, dann hätte der neue Möglichkeitsraum nicht entstehen können.»
Bereits beim Besuch an einem kühlen Novembertag beleben wie beschrieben verschiedene Menschen die Halle: Zwei Schüler*innen der Gestaltungsschule F+F nebenan machen ein Porträtshooting und Kinder einer Krippengruppe spielt Fangen. Es wird sich lohnen, im Frühjahr oder Sommer zurückzukehren, und erst recht im nächsten Jahr, wenn die Bewohner*innen der Genossenschaften ABZ und Kraftwerk die Halle und den Park als ihren Aussenraum in Beschlag nehmen werden.
Der Text wurde für das Swiss Arc Mag 2026–1 verfasst.
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