EM2N – Stadtfabrik. Plädoyer für eine Stadt des toleranten Nebeneinanders
In welcher Weise reflektieren die Entwürfe und Projekte von EM2N die evolutionären Prozesse städtischer Umgebungen? Insbesondere interessiert dabei, wie sie bestehende Gebäude umnutzen und in neue Kontexte integrieren. Diese Frage wird in der vorliegenden Publikation untersucht. Seit ihrer Gründung 1997 beschäftigt sich das Zürcher Architekturbüro intensiv mit urbanen Transformationsprozessen, zunächst im Grossraum Zürich und später auch in anderen Städten wie Berlin, Brüssel und Hamburg.

Viaduktbögen | Foto © Park Books
Urbanes Leben neu denken – Projekte und Visionen von EM2N
Im Laufe der Jahre hat das Büro ein vielseitiges Portfolio entwickelt, das sich hauptsächlich aus der Umnutzung bestehender Gebäude zusammensetzt. Die Monografie vereint Entwürfe, Projekte und Texte, die von einem tiefen Interesse an der Stadt als dynamischem und widersprüchlichem Lebensraum geprägt sind.
Das Buch ist in mehrere Hauptabschnitte unterteilt, die verschiedene Aspekte der Arbeit von EM2N beleuchten. Ein Abschnitt widmet sich den theoretischen Grundlagen und enthält Essays zum Konzept der «Stadtfabrik». EM2N betrachtet Städte als komplexe, dynamische Systeme, die einem kontinuierlichen Wandel unterliegen. Sie argumentieren, dass Architektur und Stadtplanung flexibel und adaptiv sein müssen, um angemessen auf die sich ändernden Bedürfnisse der Bewohner*innen reagieren zu können. Als ergänzende Elemente enthält die Publikation neben den fundierten Aufsätzen auch kürzere, aber nicht minder interessante Beiträge: Die sogenannten «Love Letters» und «Meta-Texte» äussern sich in prägnanter, notizhafter Form zu einer Vielzahl von Themen wie beispielsweise «Infrastrukturelle Häuser» oder «Intelligenter Rohbau» und bieten so zusätzliche Einblicke in die Denkweise und Philosophie von EM2N.
Ein wesentlicher Teil des Buches ist den Projekten gewidmet. Hier werden ausgewählte Arbeiten vorgestellt, dazu gehören die Umnutzung ehemaliger Industrieareale wie die Viaduktbögen in Zürich, der Umbau des Toni-Areals zu einem Kultur- und Bildungszentrum sowie innovative Wohnbauprojekte wie das «Neue Wohnen an der Briesestrasse» und öffentliche Bauten wie Schulen und Kulturzentren. Jedes Projekt wird detailliert dokumentiert und enthält Erläuterungen zu Konzept, Umsetzung und spezifischen Herausforderungen.
Die Publikation gibt auch Einblicke in die Planungsprozesse des Büros, die häufig partizipative Elemente umfassen. Es wird dargelegt, wie die Zusammenarbeit mit Behörden, Investor*innen und Bürger*innen dazu beiträgt, integrative Lösungen zu entwickeln.
Die Autor*innen schliessen mit ihren städtebaulichen Visionen für die Zukunft, wobei sie sich auf Themen wie Verdichtung, Mobilität und die Integration von Grünflächen in städtische Räume konzentrieren.
Besonders fasziniert hat die Redaktion der Ansatz von EM2N, bestehende urbane Strukturen neu zu interpretieren. Ihr Projekt zur Transformation des Toni-Areals in Zürich ist ein herausragendes Beispiel dafür. Die Art und Weise, wie sie eine ehemalige Grossmolkerei in einen lebendigen Ort für Bildung und Kultur verwandelt haben, zeigt eindrucksvoll, wie Architektur zur Revitalisierung von Stadtquartieren beitragen kann. Bei diesem Wohn- und Bildungsbau, realisiert zwischen 2008 und 2014, setzte sich das Architektenduo mit dem Konzept des Re-Use auseinander, lange bevor es zum Trend wurde. Damit erweist sich das Duo als Vorreiter einer Bewegung, die heute als entscheidend für eine nachhaltige Stadtentwicklung gilt.
Die detaillierte Beschreibung der Projekte ermöglichen es den Leser*innen, die Entstehung der Gebäude quasi mitzuerleben. Man ertappt sich dabei, innezuhalten, um über die kreativen Lösungen nachzudenken, die EM2N für komplexe städtebauliche Herausforderungen gefunden hat. Mathias Müller und Daniel Niggli werfen in diesem Buch einen selbstkritischen Blick zurück auf ihre Arbeit, ergänzt mit Essays von Berufskollegen wie Marcel Meili und Marc Angéli.
Insgesamt ist «EM2N Stadtfabrik» in Werk, das nachhaltig zum Nachdenken über die Gestaltung unserer urbanen Umgebung angregt. Es ist kein Buch, das man einmal liest und dann ins Regal stellt. Vielmehr lädt es dazu ein, immer wieder darin zu blättern, neue Details zu entdecken und die eigene Sichtweise auf Architektur und Stadtplanung zu hinterfragen. Für Architekturstudierende, Stadtplaner*innen und alle, die sich für die Entwicklung lebenswerter Städte interessieren, bietet es wertvolle Einsichten und Denkanstösse.
EM2N – Stadtfabrik
Park Books
Erste Ausgabe, 2023
Sprachen: Deutsch, Englisch
502 Seiten, 651 farbige und 288 s/w-Abbildungen
21.5 x 31.5 cm
CHF 69.–