Lares Input 2025 – Planung zwischen Alltag und Aktivismus

 

Wissen

Veröffentlicht am 01. Dezember 2025 von
Nina Farhumand

Wie gendergerechtes Planen und Bauen im globalen Süden funktioniert, zeigte der diesjährige Lares Input im Architekturforum Zürich. Die Architektin und Stadtplanerin Fabienne Hoelzel gab Einblick in ihre Arbeit mit Fabulous Urban und machte sichtbar, wie ungleich der Zugang zu Raum und Ressourcen verteilt ist – und wie Planung darauf reagieren kann. Die Swiss Arc-Redaktion war am 26. November 2025 vor Ort und sah, wie Hoelzel Alltag und Stadtplanung zusammen denkt.

Fabienne Hoelzel

Dadaab, Kenia: Kitchen Shelter, Dagahaley, Dadaab Refugee Complex, September 2024 – gelegen in einem der grössten Flüchtlingslager weltweit. Teil von Fabienne Hoelzels eigenen akademischen Forschung, das Aufzeichnen von Lebenrealitäten von marginalisierten Frauen in Slums und Geflüchtetenlagern. | Foto: Fabienne Hoelzel

Dadaab, Kenia: Kitchen Shelter, Dagahaley, Dadaab Refugee Complex, September 2024 – gelegen in einem der grössten Flüchtlingslager weltweit. Teil von Fabienne Hoelzels eigenen akademischen Forschung, das Aufzeichnen von Lebenrealitäten von marginalisierten Frauen in Slums und Geflüchtetenlagern. | Foto: Fabienne Hoelzel

Planung als Eingriff in politische Strukturen

Der Abend machte deutlich, wie sehr Stadtplanung ein bewusst politisches Handeln ist. Organisiert wurde die Veranstaltung von Lares, dem Schweizer Verein für gender– und alltagsgerechtes Planen und Bauen. Hoelzel arbeitet an der Schnittstelle von Forschung, Lehre und aktivistischer Praxis und nutzt dieses Zusammenspiel, um soziale Ungleichheiten direkt zu adressieren. Beispiele aus Lagos zeigten, wie Slums funktionieren, wer über Ressourcen entscheidet und wie lokale Gruppen Stadtentwicklung aktiv mitgestalten. Planung erscheint dabei weniger als technischer Prozess, sondern als Verhandlung zwischen Interessen, Risiken und Alltagserfahrungen.

Fabienne Hoelzel erläutert beim Lares Input ihre Ansätze zur feministischen Stadtplanung.
| Fotos: Nina Farhumand

Feministische Ansätze im Alltag verankern

Der Vortrag rückte Fragen der Versorgung, Erreichbarkeit und Sicherheit in den Vordergrund – Themen, die in vielen Städten des globalen Südens über Lebenschancen entscheiden. Feministische Planung knüpft hier an konkrete Situationen an: Wege, die zu weit sind; Infrastruktur, die fehlt; Räume, die bestimmte Gruppen ausschliessen. Hoelzel argumentierte, dass diese Perspektive keine Spezialdisziplin bildet, sondern planerische Grundfragen neu ausrichtet – von der Mobilität bis zur Budgetierung kommunaler Mittel.

Die Forschungs- und Entwurfsarbeiten, die Fabienne Hoelzel vorstellte – etwa Schadenskarten, räumliche Analysen oder Wiederaufbauszenarien – entstanden teilweise im Unterrichtssetting ihres Studios Entwerfen + Städtebau an der ABK Stuttgart.

Prototypen für würdevollen temporären Wohnraum (Nigeria), zusammenlegbar, für vertriebene Frauen und Kinder durch Zwangsräumungen von Slums oder durch Flucht vor Krieg und Terror (Boko Haram).
| Folien © Fabulous Urban

Toiletten als Drehpunkt von Sicherheit und Teilhabe

Besonders eindrücklich waren die Einblicke in die Entwicklung der Mobile Dry Diversion Toilet (MDDT) von Fabulous Urban. In vielen Slums von Lagos bestimmen unsichere oder fehlende Toiletten den Alltag – besonders für Frauen. Die von Fabienne Hoelzel und ihrem Team entwickelten Anlagen setzen hier an: energieautark, gemeinschaftlich verwaltet und so platziert, dass sie Schutz bieten und Wege verkürzen. Die Projekte zeigen, wie räumliche Eingriffe soziale Dynamiken verändern und welche Rolle Infrastruktur im Ringen um Rechte und Sichtbarkeit spielt.

Fabienne Hoelzel © Fabulous Urban

Auf den Folien wurde sichtbar, wie die Toiletten vor Ort funktionieren, wer sie nutzt und wie sie Sicherheit, Hygiene und Würde gewährleisten.

Auf den Folien wurde sichtbar, wie die Toiletten vor Ort funktionieren, wer sie nutzt und wie sie Sicherheit, Hygiene und Würde gewährleisten.
Die gezeigten MDDT-Toiletten veranschaulichten den Weg von der Produktion bis zur Nutzung im Alltag der Slams in Lagos.
| Folien: Fabienne Hoelzel © Fabulous Urban

Rebuilding of Gaza – Schadensanalyse und Wiederaufbau

Gegen Ende des Vortrags öffnete Fabienne Hoelzel den Blick auf weitere Konflikt- und Krisenkontexte. Am Beispiel von Gaza zeigte sie, wie sich städtebauliche Werkzeuge auch für Schadensanalysen und Wiederaufbaustrategien einsetzen lassen. Die Folien kontrastierten grossmassstäbliche Zerstörung mit möglichen räumlichen Ansätzen, die auf Reparatur, Selbstorganisation und langfristige Resilienz zielen. Dieser Ausblick machte deutlich, wie breit ihr planerisches Instrumentarium gefasst ist – und wie stark es auf strukturelle Gerechtigkeit ausgerichtet bleibt.

Matthias Fitzner, Sina Talaei

Rebuilding of Gaza – Damage Assessment and Repairing Strategies – städtebauliches Entwurfsstudio WS24/25, ABK Stuttgart | Folien: Matthias Fitzner, Sina Talaei

Rebuilding of Gaza – Damage Assessment and Repairing Strategies – städtebauliches Entwurfsstudio WS24/25, ABK Stuttgart | Folien: Matthias Fitzner, Sina Talaei

Internationale Zusammenarbeit als wechselseitiger Prozess

Abschliessend unterstrich der Lares Input, dass Kooperation im globalen Kontext nicht mit dem Übertragen von Planungsmodellen beginnt, sondern mit gemeinsam entwickeltem Wissen. Die Arbeitsweise von Fabulous Urban verbindet lokale Expertise mit internationaler Forschung und verschiebt damit auch Perspektiven im globalen Norden. Die Veranstaltung zeigte, dass feministische Planung nicht nur Antworten liefert, sondern Debatten öffnet – über Verantwortung, Zugang und die Frage, wie Städte gerechter werden können.

Fabienne Hoelzel

Architektin, Stadtplanerin und Aktivistin und Professorin an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Gründerin von Fabulous Urban, einem Büro, das an Sanitärinfrastruktur, dem Wiederaufbau informeller Quartiere und gendergerechter Planung arbeitet – vorwiegend in Lagos. Mehr über sie im SRF-Porträt «Die Aargauer Architektin in der Megacity».

Verein Lares

Schweizer Verein für gender- und alltagsgerechtes Planen und Bauen, der sich für einen Kulturwandel im Planen und Bauen einsetzt, damit die Bedürfnisse aller Nutzer*innen selbstverständlich berücksichtigt werden.

Lares Input 2025

Vortrag am 26. November 2025 im Architekturforum Zürich

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