Personenschutz auf dem Bau
Die«Verordnung über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten», kurz Bauarbeitenverordnung (BauAV), legt fest, welche Massnahmen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten getroffen werden müssen. Einzelne Verordnungs-Bestimmungen werden in Richtlinien der Eidg. Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) und in Merkblättern der SUVA konkretisiert.
Für den Personenschutz gelten auf allen Baustellen unterschiedliche Auflagen, die den gegebenen Verhältnissen angepasst werden müssen. Im Vordergrund steht der Mensch, dessen Leben geschützt werden soll.
Die heute geltende Verordnung vom 29. Juni 2005 ist am 1. Januar 2006 in Kraft getreten. Im folgenden Artikel werden die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Planung
Die Bauarbeiten müssen so geplant werden, dass das Risiko von Unfällen und Gesundheitsbeeinträchtigungen so klein wie möglich gehalten werden kann und die Sicherheitsmassnahmen, namentlich beider Verwendung von Arbeitsmitteln eingehalten werden können. Der Arbeitgeber, der sich im Rahmen eines Werkvertrags als Unternehmer zur Ausführung von Bauarbeiten verpflichten will, hat vor dem Vertragsabschluss zu prüfen, welche Massnahmen notwendig sind, um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Ausführung seiner Arbeit zu gewährleisten. Baustellenspezifische Massnahmen, die nicht realisiert wurden, sind in den Werkvertrag aufzunehmen und in der gleichen Form zu spezifizieren wie die übrigen Inhalte des Werkvertrages. Die Massnahmen, die bereits realisiert wurden, sind im Werkvertrag anzumerken.
Der Arbeitgeber, der Bauarbeiten ausführt, hat dafür zu sorgen, dass geeignete Materialien, Geräte und Installationen in genügender Menge und rechtzeitig zu Verfügung stehen. Sie müssen sich in betriebssicherem Zustand befinden und den Anforderungen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes entsprechen.
Organisation der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes
Der Arbeitgeber muss auf jeder Baustelle eine Person bezeichnen, die für die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz zuständig ist; diese Person kann den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern diesbezügliche Weisungen erteilen.
Wer durch sein Verhalten oder seinen Zustand sich selbst oder andere gefährdet, ist von der Baustelle wegzuweisen.
Persönliche Schutzausrüstungen (PSA)
Können Unfall- und Gesundheitsgefahren durch technische oder organisatorische Massnahmen nicht oder nicht vollständig ausgeschlossen werden, so muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmern zumutbare persönliche Schutzausrüstungen sowie nötigenfalls auch besondere Wäschestücke zur Verfügung stellen. Er muss dafür sorgen, dass diese jederzeit bestimmungsgemäss verwendet werden können. Der Arbeitnehmer muss die persönlichen Schutzausrüstungen benutzen und darf die Wirksamkeit der Schutzeinrichtungen nicht beeinträchtigen.
Persönliche Schutzausrüstungen können sein: Schutzhelme, Haarnetze, Schutzbrillen, -schilder, Gehörschutzmittel, Atemschutzgeräte, Schutzschuhe, -handschuhe, -kleidung, -geräte gegen Absturz oder Ertrinken, Hautschutzmittel.
Bei der SUVA kann eine Checkliste bezogen werden, damit allfällige Probleme besser in den Griff bekommen werden.
Schutzhelme
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen bei allen Arbeiten, bei denen die Gefahr besteht, von herunterfallenden Gegenständen oder Materialien getroffen zu werden, einen Schutzhelm tragen.
In diesen Fällen ist ein Schutzhelm zu tragen:
a Bei Hochbau- und Brückenbauarbeiten bis zum Abschluss des Rohbaus
b Bei Arbeiten im Bereich von Kränen, Aushubgeräten und Spezialtiefbaumaschinen
c Beim Graben- und Schachtbau sowie beim Erstellen von Baugruben
d In Steinbrüchen
e Im Untertagbau
f Bei Sprengarbeiten
g Bei Rückbau- oder Abbrucharbeiten
h Bei Holzbau- und Metallbauarbeiten
i Bei Arbeiten an und in Rohrleitungen
Warnkleider
Bei Arbeiten im Bereich von Verkehrsmitteln sind Kleider in grellen Farben zu tragen. Diese Kleider müssen mit lichtreflektierenden Flächen beschichtet sein.
Rettung von Verunfallten
Die Rettung von Verunfallten muss gewährleistet sein. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind die Notrufnummern der Rettungsdienste wie Arzt oder Ärztin, Spital, Ambulanz, Polizei, Feuerwehr, Helikopter der nächsten Umgebung in geeigneter Form bekannt zu geben.
Arbeitsplätze und Verkehrswege
Verkehrswege
Folgende Massnahmen gehören zur Gewährleistung der Sicherheit der Verkehrswege:
Baustellenzugänge müssen mindestens 1 m breit sein, die übrigen Verkehrswege mindestens 60 cm breit
Die Verkehrswege sind frei zu halten
Verkehrswege über beschränkt oder nicht durchbruchsicheren Flächen sind über Laufstege mit beidseitigem Seitenschutz zuführen
Bei Gleitgefahr müssen die Verkehrswege durch geeignete Massnahmen gesichert werden
Bei Steigungen von mehr als 20 Prozent muss eine Rutschsicherung angebracht sein
An Treppen mit mehr als fünf Stufen ist ein Handlauf anzubringen
Leitern
Leitern dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie auch bezüglich der Belastbarkeit und Standfestigkeit für die beabsichtigten Arbeiten geeignet sind.
Beschädigte Leitern dürfen nicht benützt werden. Sie sind fachgerecht in Stand zu stellen oder unbenützbar zu machen.
Ausserdem müssen sie auf einer tragfähigen Unterlage stehen und gegen Wegrutschen, Drehen und Kippen gesichert sein.
Die obersten drei Sprossen dürfen nur dann betreten werden, wenn beim Austritt eine Plattform und eine Haltevorrichtung vorhanden sind.
Absturzsicherungen mit einem Seitenschutz
Bei einer ungeschützten Stelle mit einer Absturzhöhe von mehr als 2 m und bei einer solchen im Bereich von Gewässern und Böschungen ist ein Seitenschutz anzubringen.
Die Oberkante des Geländerholms muss zwischen 95 und 105 cm, die jenige des Zwischenholms zwischen 50 und 60 cm über der Standfläche liegen. Die Bordbretter müssen eine Höhe von mindestens 15 cm aufweisen, gemessen ab der Standfläche. Der Abstand zwischen Geländer- und Zwischenholm darf nicht mehr als 47 cm betragen.
An Stelle von Geländer- und Zwischenholm können Rahmen oder Gitter verwendet werden, die den gleichen Schutz bieten.
Es ist wichtig, das der Seitenschutz so befestigt wird, dass er nicht unbeabsichtigt entfernt werden oder sich lösen kann.
Niveauunterschiede von Böden und Bodenöffnungen
Böden mit einem Niveauunterschied von mehr als 50 cm im Gebäudeinnern sind mit einem Geländerholm abzuschranken.
Bodenöffnungen, in die man hineintreten kann, sind mit einem Seitenschutz abzuschranken oder mit einer durchbruchsicheren und unverrückbaren Abdeckung zu versehen.
Arbeitsumgebung
Arbeiten mit Brandgefahr sind so zu planen und auszuführen, dass im Brandfall die Arbeitsplätze gefahrlos verlassen werden können. Ausserdem müssen Löschmittel und Löscheinrichtungen, die den möglichen Brandstoffen angepasst sind, in unmittelbarer Nähe zur Verfügung stehen.
Wichtig ist, dass explosionsgefährdende Bereiche abzusperren und mit einem Warndreieck zu signalisieren sind.
Kann die Lärmbelastung durch technische oder organisatorische Massnahmen nicht unter den Grenzwert nach den Richtlinien über Grenzwerte für physikalische Einwirkungen nach Artikel 50 Absatz 3 VUV (Verordnung über die Unfallverhütung) gesenkt werden, so sind geeignete Gehörschutzmittel zu tragen.
Arbeiten auf Dächern
An Dachrändern, auch an giebelseitigen Dachrändern, sind ab einer Absturzhöhe von 3 m Massnahmen zu treffen, um Abstürze zu verhindern.
Bei unterschiedlichen Dachneigungen ist für die zu treffenden Massnahmen die Neigung an der Dachtraufe massgebend.
Schutz vor Stürzen durch das Dach
Vor Beginn der Arbeit ist abzuklären, ob die Dachflächen
Durchbruchsicher sind
Beschränkt durchbruchsicher sind
Nicht durchbruchsicher sind.
Es ist eine Absturzsicherung anzubringen, wenn die Absturzhöhe bei einem Sturz ins Gebäudeinnere mehr als 5 m beträgt. Bei den Dachöffnungen sind, unabhängig von der Absturzhöhe, Absturzsicherungen anzubringen.
Gerüste
Wird bei Hochbauarbeiten die Absturzhöhe von 3 m überschritten, so ist ein Fassadengerüst zu erstellen. Der oberste Holm des Gerüstes hat während der ganzen Bauarbeiten die höchste Absturzkante um mindestens 80 cm zu überragen.
Es dürfen nur Gerüste und Gerüstbestandteile verwendet werden, die den Anforderungen an das Inverkehrbringen nach dem Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Produktesicherheit entsprechen.
Sie müssen alle einwirkenden Kräfte, auch während des Auf-, Um- und Abbaus, aufnehmen können. Diese sind:
a Eigengewicht
b Nutzlasten
c Windkräfte
d Schneelasten
e Dynamische Einwirkungen wie bei Sprüngen, Stürzen oder Erschütterungen
f Spezielle Kräfte, die während des Auf-, Um- und Abbaus auftreten
Der Arbeitgeber hat auf Verlangen nachzuweisen, dass die Anforderungen erfüllt sind. Er kann für den Nachweis den Ersteller des Gerüstes beiziehen.
Gräben, Schächte und Baugruben
Gräben, Schächte und Baugruben sind so zu gestalten, dass niemand durch herabfallende oder abrutschende Massen gefährdet werden kann. Liegt eine Tiefe von mehr als 1,5 m vor, die nicht verspriesst wird, ist eine Böschung zu erstellen oder eine andere Massnahme zur Sicherung zu treffen.
Gräben und Schächte müssen so erstellt werden, dass die lichte Breite, im Sohlenbereich gemessen, ein sicheres Arbeiten gewährleistet. Sofern der Graben für das Verlegen von Leitungen begangen werden muss, hat die lichte Breite des Grabens folgende Masse zu betragen:
- 1.
Mindestens 40 cm plus das Aussenmass der Leitung (Nennmass plus Wandstärken)
- 2.
Ab einer Grabentiefe von 1 m: mindestens 60 cm
In jeder Bauphase muss die Breite des Arbeitsraumes in Baugruben mindestens 60 cm betragen. Grabenränder müssen bei Spriessungen auf eine Breite von mindestens 50 cm oder bei Böschungen auf eine Breite von mindestens 1 m horizontal frei gehalten werden.
Die Böschungsneigungen sind der Standfestigkeit des Baugrundes anzupassen. Wird die Standfestigkeit des Baugrundes durch Witterungseinflüsse wie starke Niederschläge oder Tauwetter beeinträchtigt, sind geeignete Massnahmen zu treffen.
Es muss ein Sicherheitsnachweis erbracht werden, wenn:
a Die folgenden Verhältnisse zwischen Senkrechte und Waagrechtenicht eingehalten werden können:
- 1.
Höchstens 3:1 bei gutem verfestigtem, standfesten Material
- 2.
Höchstens 2:1 bei mässig verfestigtem, jedoch noch standfestem Material
- 3.
Höchstens 1:1 bei losem Material
b Die Höhe der Böschung mehr als 4 m beträgt
c Die Böschung voraussichtlich durch Fahrzeuge, Baumaschinen oder Materialdepots zusätzlich belastet wird
d Hangwasser zutritt oder der Böschungsfuss sich im Grundwasserbereich befindet
Aufgehobene Verordnungen
Der Vollzug dieser Verordnung richtet sich nach den Vollzugsbestimmungen des UVG (Bundesgesetz über die Unfallversicherung) und insbesondere der VUV. Das danach zuständige Vollzugsorgan koordiniert seine Tätigkeiten mit den Vollzugsbehörden des ArG (Arbeitsgesetz).
Folgende Erlasse werden mit der neuen Verordnung aufgehoben:
Verordnung vom 29. März 2000 über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten
Verordnung vom 13. September 1963 über die Unfallverhütung beim Graben- und Schachtbau sowie ähnliche Arbeiten
Verordnung vom 15. Oktober 1985 über die Meldepflicht bei Tunnel- und Stollenbau sowie bei Felsabtragungen im Freien
Verordnung vom 27. Mai 1949 über die Verhütung von Unfällen bei Hochbauarbeiten unter Verwendung von Hängegerüsten mit beweglicher Plattform für Verputz-, Malerarbeiten usw.
Verfügung I des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement vom 8. September 1948 über die technischen Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Quarzstaublunge
Verordnung vom 6. Mai 1952 über die Verhütung von Unfällen beider Gewinnung und Aufbereitung von Gestein, Mineralien, Kies, Sand, Lehm, Torf und ähnlichen Materialien über Tag
Verordnung vom 12. Mai 1971 über die Unfallverhütungsmassnahmen bei landwirtschaftlichen Neu- und Umbauten
Bezugsquelle
Die Verordnung über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten (Bauarbeitenverordnung, BauAV) kann auf der Homepage des Bundes (www.admin.ch) heruntergeladen werden: