Anna-Seiler-Haus Hauptgebäude Inselspital

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3010 Bern,
Schweiz

Veröffentlicht am 10. April 2024
GWJ Architektur AG + IAAG Architekten AG + ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH Architects & Planners
Teilnahme am Swiss Arc Award 2024

Anna-Seiler-Haus Anna-Seiler-Haus Blick aus dem Vorbereich der Aufzüge in Geschoss P nach Süden. Raumhohe Fensterflächen in den hoch frequentierten Verkehrsflächen sorgen für natürliche Beleuchtung und eine Orientierung durch Sichtbezüge zum urbanen Umfeld. Blick von der Aussenterrasse in Geschoss P nach Nordwesten. Links die Fassade des Anna-Seiler-Hauses, in der Mitte das Dach des INO, rechts daneben die beiden Kapellen und rechts am Bildrand das Bettenhochhaus. Die Insel in der Stadt: Blick von Süden auf das Areal des Inselspitals und den Neubau des Anna-Seiler-Hauses. Hinter dem Anna-Seiler-Haus von links nach rechts das INO (Intensivbehandlungs-, Notfall- und Operationszentrum), das Bettenhaus und die mit der Blick von Nordwesten auf das neue Anna-Seiler-Haus. Im Vordergrund das Dach des INO (Intensivbehandlungs-, Notfall- und Operationszentrum) Terrasse auf dem Sockelgeschoss Insel in der Stadt Empfangsbereich in einem Pflegegeschoss Vorbereich des Aufzugs in einem Pflegegeschoss Blick ins Atrium des Anna-Seiler-Hauses mit den LOOPS Blick ins Atrium des Anna-Seiler-Hauses Gastronomie im Erdgeschoss des Anna-Seiler-Hauses Fassade Inselspital Bern

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Freiburgstrasse 20, 3010 Bern, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
08.2023
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
11 bis 20
Anzahl Kellergeschosse
2
Grundstücksfläche
5854 m²
Geschossfläche
82'000 m²
Nutzfläche
23'000 m²
Gebäudevolumen
330'000 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
422,0 Mio. CHF
Parkplätze
101

Beschreibung

Der Komplex Anna-Seiler-Haus ist das neue Hauptgebäude des Inselspitals, des Universitätsspitals in Bern. Die komplexen Betriebsabläufe sind darin wie in einer Stadt räumlich kompakt organisiert und funktional flexibel anpassbar. Das Prinzip «Meine Stadt, mein Viertel, meine Strasse, mein Haus» fördert die Orientierung für alle Nutzer. ASTOC, GWJ und IAAG gewannen den Wettbewerb als Planergemeinschaft. Die Aufgabenstellung war umfassend: Eine identitätsstiftende Architektur für das Erscheinungsbild des gesamten Geländes. Eine hohe Ausnutzung der Fläche. Klarheit, Sichtbarkeit und Orientierung für alle Funktionsbereiche, Flexibilität für eine anpassungsfähige Clusterbildung, kurze Wege, Trennung der Hauptströme, natürliche Beleuchtung und Konsolidierung der Hauptressourcen.

Ausgangslage

Für das Anna-Seiler-Haus als ersten Neubau des 2010 initiierten Masterplanes für das Inselspital wurde 2013 ein internationaler Generalplanerwettbewerb ausgelobt, den ASTOC, GWJ und IAAG als Planergemeinschaft gewannen. Die Aufgabenstellung war umfassend: Identität stiftende Architektur für das Bild des gesamten Insel-Areals. Hohe Flächenausnutzung. Klarheit, Übersichtlichkeit und Orientierung für alle Funktionsbereiche, Flexibilität für eine anpassbare Clusterbildung, kurze Wege, Trennung der Hauptströme, natürliche Belichtung, Konsolidierung der Kernressourcen.

Entwurfsidee

Der Anforderungskatalog für die Planung des Anna-Seiler-Hauses war komplex. Zu den üblichen funktionalen Anforderungen eines hochtechnisierten Spitalbetriebs und einer Architektur als unterstützendem Faktor im Heilungsprozess galt es, dem Gebäude eine hohe Flexibilität für zukünftige Umverteilung von Funktionsbereichen zu ermöglichen, medizinische Kernressourcen interdisziplinär nutzbar zu machen, 90 Prozent der Kernfunktionsräume mit natürlichem Tageslicht zu versorgen, zukunftsorientierte Logistiksysteme zu integrieren und darüber hinaus klare Beziehungen zur benachbarten Bebauung zu entwickeln und Bild und Adresse des Inselspitals entscheidend zu prägen.
Eine detaillierte Analyse der Funktionsabläufe und Bewegungsmuster von Patient*innen, medizinischem Personal und Besuchenden. Die Erkenntnisse zu räumlichen und zeitlichen Abhängigkeiten führten zur Platzierung des Raumprogramms in der Geometrie eines Würfels, bei dem an zwei gegenüberliegenden Kanten jeweils ein Volumen subtrahiert wird. Daraus ergab sich ein sechsgeschossiger Sockelbereich mit zwei tagesbelichteten Atrien, zentralem Empfang und Gastronomie in der Eingangsebene und Ambulatorien darüber sowie zwei miteinander verschränkten, zehngeschossigen Türmen mit Verwaltung und den Pflegebereichen. Organisiert ist das Anna-Seiler-Haus als «Stadt in der Stadt», deren Grad an Privatsphäre mit den Geschossen zunimmt: Meine Stadt, mein Quartier, meine Strasse, mein Zuhause.

Projektierung

Das Anna-Seiler-Haus mit den Abmessungen 82,4 x 69,6 x 63,3 Meter wurde als Massivbetongebäude mit vorgehängter Fassade geplant. Die Vorgabe grösstmöglicher Flexibilität wurde in der Kombination aus Sockel und Türmen umgesetzt. Die höheren Räume im Sockel und die umlaufend etwa 18 Meter tiefe Raumschicht bringen langfristige Nutzungsflexibilität für die Ambulatorien, Interventionsbereiche, um schnell auf Veränderungen im Klinikwesen und der Medizin eingehen und insbesondere die Bereiche für Untersuchung und Behandlung spezifisch anpassen zu können. In den Türmen sind die Büros und die stationären Pflegebereiche angeordnet, die in ihrer funktionalen Zuordnung ebenfalls ohne grösseren Aufwand umstrukturiert werden können.
Besondere Aufmerksamkeit widmete die Planung den Bedürfnissen aller Nutzer nach Orientierung, Identifikation und menschlichem Massstab. Natürliches Licht in möglichst vielen Bereichen durch von oben belichtete Atrien und «im Licht» endende Flure sowie etliche Blickbeziehungen nach innen und aussen unterstützen die eigene Verortung im 82000 Quadratmeter grossen Gebäude. Materialwechsel am Übergang zwischen verschiedenen Funktionsbereichen ergänzen die Orientierungshilfe ebenso wie eine dezent gehaltene Signaletik.
Um einen «lebendigen» Eindruck der Fassade zu erzielen, wurden die Elemente mit einem Oberflächenprofil aus Wellen unterschiedlicher Radien geplant. Im Ergebnis wirkt die Fassade je nach Lichteinfall und Bewegung atmosphärisch abwechslungsreich.

Realisierung

Juni 2017 begannen die Bauarbeiten mit dem Rückbau eines Gebäudetraktes und dem Aushub der mit 400 Pfählen gesicherten Baugrube. Nach der Herstellung der bis zu 1,74 Meter starken Bodenplatte erfolgte Juli 2029 die Grundsteinlegung. Im November 2020 konnte mit dem Richtfest der Rohbau termingerecht fertiggestellt und mit dem Ausbau begonnen werden. Die klinische Inbetriebnahme fand September 2023 statt.
Die Realisierung des Anna-Seiler-Hauses erfolgte bei laufendem Betrieb des Inselspitals in unmittelbarer Nähe zu hochsensiblen Krankenhausbereichen. Die von der Baustelle ausgehenden Emissionen waren so gering wie möglich zu halten, die angrenzenden Gebäude durch umfangreiche Ab- und Unterfangungen zu sichern. Zudem waren die Platzverhältnisse für die Baustelleneinrichtung und Materiallagerung aufgrund der engen Bebauung des Inselspitals und der jederzeit zu gewährleistenden Rettungswege sehr eingeschränkt, sodass die Baustellenlogistik auf eine Just-in-time-Anlieferung ausgerichtet war.
Besondere Erwähnung verdient die Tatsache, dass das Anna-Seiler-Haus trotz der unvorhersehbaren, grossen Herausforderungen der Covid-Pandemie mitten in der heissen Phase auf der Baustelle im Zeit- und Kostenrahmen realisiert werden konnte. Zugangs- und Arbeitsbeschränkungen auf der Baustelle, zahlreiche Lieferengpässe und eine höhere Inflation konnten durch situative Anpassungen in der Projektsteuerung kompensiert werden, ohne Auswirkungen auf den Fertigstellungstermin.

Besonderheiten

Das Anna-Seiler-Haus ist das erste und grösste Spitalgebäude der Schweiz, das nach dem besonders anspruchsvollen Standard Minergie-P-Eco geplant, gebaut und zertifiziert wurde. Neben den Aspekten des nachhaltigen, ressourcenschonenden Bauens war es für ein Gebäude, das unmittelbar der Gesundheit dient, wichtig, keine Schadstoffe zu verbauen.
Das Anna-Seiler-Haus ist das grösste BIM-Projekt der Schweiz. Von Anfang an wurde mit dem höchsten Detaillierungsgrad BigBIM geplant. In dieser Grössenordnung und Komplexität wurde damit auch Pionierarbeit für die BIM-Technologie insgesamt geleistet. Mit den Methoden der Lean Construction wurde ein weiteres innovatives Werkzeug eingesetzt, um die Projektsteuerung umfassend, mit hoher Transparenz für alle Beteiligten und hoher Effizienz für die Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse durchzuführen. Dafür wurde das Anna-Seiler-Haus mit dem GLCI Lean Construction Project Award 2023 ausgezeichnet.
Einen besonderen Blickfang erhielt das Anna-Seiler-Haus mit Loops in einem der Lichthöfe. Die kinetische Rauminstallation, bestehend aus 24 beleuchteten Ringen, ist ein Projekt des Studio Banana mit dem Künstler SpY und entstand als Gemeinschaftsprojekt unter aktiver Mitwirkung der Insel Gruppe und der Architekturbüros. Jeder Ring kann sich horizontal und vertikal bewegen. Computergesteuert entsteht so eine sich ständig verändernde dreidimensionale Bewegung.

Das Projekt von der Planergemeinschaft Archipel wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2024 eingereicht und von Elisa Schreiner publiziert.

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