Dreifachkindergarten in Würenlingen

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5303 Würenlingen,
Schweiz

Veröffentlicht am 08. Oktober 2019
ARGE Malte Kloes & Christoph Reichen

Dreifachkindergarten,  Würenlingen Die Sichtbetondecke des Kindergartens hat eine ähnliche Struktur wie die furnierten Holzeinbauten darunter, welche die Kindergärten voneinander abtrennen. Die feuerverzinkten Garderobeleisten sind vor den raumhohen Innenverglasungen angebracht: Die Durchsicht ist gewährleistet. Der lindgrüne Linoleum scheint unter den ebenso furnierten Einbaubänken aus dem Garten in den Kindergarten zu fliessen. links: Zu diesem Faltenwurf kamen die tragenden, in Ortbeton ausgeführten Fassaden durch die Einlagen der wellenförmigen Elastomer-Matrizen. rechts: Die zweigeschossigen Haupträume aller drei Kindergärten sind unterteilt in einen in Sichtbeton ausgeführten Dachraum und in die darunter liegenden nichttragenden Holzeinbauten. Diese sind mit mikroperforiertem Furnier belegt.

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Gartenstrasse 2, 5303 Würenlingen, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
06.2018

Gebäudedaten nach SIA 416

Gebäudekosten (BKP 2)
6,8 Mio. CHF

Beschreibung

Der Neubau des Dreifachkindergartens «Gartenstrasse» beendete das 50-jährige Provisorium eines Doppelkindergartens. Das neue, angemessen wirkende Gebäude schafft spielerisch Räume für die Kleinen.

Der Nachwuchs gewinnt
Die Aargauer Gemeinde Würenlingen erwartet in den nächsten Jahren einen Anstieg der Schülerzahlen. Also schrieb sie im Jahr 2014 unter der fachlichen Begleitung der Metron Raumentwicklung AG einen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren aus.

Das dafür vorgesehene Baufeld in der Dorfzone war eine 2200 Quadratmeter grosse Parzelle der Gemeinde, ursprünglich ein Parkplatz, umgeben von Mehrfamilienhäusern am Fusse des Siggenbergs.

Unter den Teams, bestehend aus Architekten und Landschaftsarchitekten, konnte sich im Sinne der Nachwuchsförderung auch die jungen Architekten Malte Kloes und Christoph Reichen für die Teilnahme am Wettbewerb qualifizieren. Das Preisgericht zeichnete das Projekt mit dem ersten Preis aus und empfahl es zur Weiterbearbeitung und Ausführung.

Die Architekten überzeugten mit der Setzung des Gebäudes entlang der Gartenstrasse und mit der damit geschaffenen Abgrenzung des neuen Garten- und Spielhofes von der Strasse. Der Kindergarten sollte so einerseits als Spiel- und Aufenthaltsort der Kinder, andererseits aber auch als Filter und Schutz des öffentlich zugänglichen und von den umliegenden Häusern mitgenutzten Spielplatzes fungieren. Der ehemalige Parkplatz auf dem Grundstück wurde durch eine Tiefgarage mit 30 öffentlichen Parkplätzen ersetzt.

Der Kindergarten ist gekommen, um zu bleiben
«Zelthaus» war der spielerische Name des Wettbewerb-Projekts. An einen Zirkus erinnernd ist dieser Bau ein gelungener Akrobaten-Akt.

Ruhend und selbstverständlich wirkt das seit letztem Herbst eingeweihte Gebäude, das drei nebeneinander liegende, je 100 Quadratmeter grosse Kindergärten birgt.

Der von der Strasse her als eingeschossig wahrgenommene Bau wächst zur Gebäudemitte in die Höhe. Nach dem Eintritt der Kinder aus dem Garten in die eingeschossige Eingangszone öffnet sich der Innenraum zur doppelten Raumhöhe. Zuvor haben die Kleinen aber noch Zeit, sich umzuziehen und ihre Sachen an den feuerverzinkten Garderobenleisten in Sicherheit zu bringen. Die Leisten sind vor den grossen Innenverglasungen angebracht, die den Kindern während des Umziehens die Durchsicht in den Hauptraum gewähren.

Mit Hausschuhen bewaffnet treten sie dann auf den Fussboden aus lindgrünem Linoleum, während ihr Blick durch den vom Oberlicht hell ausgeleuchteten Kindergarten schweift. Aus den raumhohen, gegenüberliegenden Fenstern können sie auch wieder hinaus auf die Strasse blicken und sehen, wie zufällig die Nachbarin vorbeigeht oder der Bruder in das Schulhaus auf der anderen Strassenseite schlüpft. Die Kinder haben den Überblick. Jetzt sind sie bereit, das Abenteuer in Angriff zu nehmen, und sie können in die Höhe zum Raum unter dem Dach steigen. Eine Treppe hinter der Teeküche führt hinauf zu diesem Aussichtspunkt.

Die Akrobatennummer
Die Positionierung des Gebäudes entlang der Strasse brachte eine hohe Gebäudetiefe mit sich, um das Raumprogramm einhalten zu können. Auch auf das Layout der Tiefgarage hatte dies Konsequenzen, wodurch die Parkfelder in den ersten Planungsstufen etwas eng waren. Ein Kunstgriff des Statikers erlaubte, die Dimension der beim Einparken störenden Säulen zu minimieren.

Um die Deckenplatte möglichst wenig zu belasten, wurde das Dach des Kindergartens als Hallentragwerk ausgebildet. Vorgespannte Ortbetonträger, in Verbindung mit dazwischen gehängten, in Ortbeton ausgeführten Dachflächen, verteilen den Grossteil der Vertikallasten auf die Aussenfassade.

Die textil anmutende Betonfassade besteht nicht wie im ersten Moment angenommen aus Fertigelementen. Sie ist ebenfalls in Ortbeton ausgeführt und hat eine statische Funktion. Die Verkleidung der Schalungsplatten mit wellenförmigen Elastomer-Matrizen hinterliess auf dem Beton der Fassade ein vertikales Relief, welches das Auge täuscht und den Bau leicht wirken lässt.

Das Dach des Kindergartens ist vom Oberdorf her als Walmdach erkennbar und mit matt scheinenden Titanzinkschindeln eingedeckt. Es ragt rundherum grosszügig beschützend heraus. Die ebenso mit Titanzinkplatten verkleidete Untersicht des Vordachs glänzt edel.

Im Kindergarten wurde auf eine abgehängte Decke verzichtet. Der Beton von Decke und Träger bleibt sichtbar. Die Haustechnik wurde stattdessen in den Beton eingelegt. Das Rohe und Ehrliche der spannenden Konstruktion wird bewusst gezeigt. Jeweils zwei Träger unterteilen die drei Kindergärten in der Höhe, wodurch im Erdgeschoss nichttragende, hölzerne Einbauten die Räume bilden konnten. Sie können an der Strassenfassade geöffnet werden, um so die drei Kindergärten miteinander zu verbinden.

Eine feine, beinahe unsichtbare Mikroperforierung der Holzelemente genügt, um eine gute Akustik zu gewährleisten. Die Einbauten beherbergen nebst der Treppe ein Podest mit Spielecke und Stauraum, sowie darunterliegende WC-Anlagen und Archivräume. Aus der begehbaren Höhe des Zelthauses können die Kinder durch die kreisrunden, verglasten Aussparungen der Betonträger in den benachbarten Kindergarten spionieren. Sie haben alles im Blick.

Text: Claudia Frigo Mallien

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