
Kinderhaus Entlisberg
,
Schweiz
Veröffentlicht am 02. Oktober 2020
bernath+widmer Architekten AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2021
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Die umfassende Instandsetzung des 1911 als Waisenhaus erbauten Kinderhaus Entlisberg bot die Chance, neben der technischen und energetischen Ertüchtigung, die in den letzten 100 Jahren verloren gegangenen räumlichen und architektonischen Qualitäten wiederherzustellen.
Ausgangslage
Das Kinderhaus und sein ausgedehnter Garten wurden 1911 vom damaligen Stadtbaumeister Friedrich Fissler als Waisenhaus Butzen erbaut. Heute wird die Anlage als Kindertagesstätte mit diversen Angeboten für das Quartier täglich von 120 Kindern genutzt. Aufgrund sich ändernden pädagogischen Konzepten und Brandschutzanforderungen wurden seit der Bauzeit mehrere Umbauten getätigt. Dabei gingen im Inneren des Hauses die strukturellen, räumlichen und architektonischen Qualitäten weitgehend verloren. Das Gebäude und der Garten befinden sich im Inventar der städtischen Denkmalpflege.
Entwurfsidee
Das gut 100-jährige Kinderhaus sollte für die nächsten 30 Jahre instandgesetzt und energetisch verbessert, die veraltete Gebäudetechnik ersetzt werden. Mit einem Dämmputz, wärmetechnisch ertüchtigten Fenstern und dem Einbau einer Erdsondenwärmepumpe kann der Energieverbrauch um bis zu 60 Prozent reduziert werden. Darüber hinaus bot sich mit der Instandsetzung die Chance, die ursprünglichen Qualitäten des Hauses wieder herauszuschälen. Der Rückbau der diversen, im Laufe der Zeit entstandenen Einbauten stellt die strukturelle Klarheit und räumliche Grosszügigkeit des Heimatstilgebäudes wieder her. Die vor der Sanierung zerstückelten zentralen Hallen dienen heute beispielsweise wieder als kraftvolle, die verschiedenen Stockwerke verbindende Mitte. Die räumliche Befreiung im Innern des Gebäudes führte zu einer grossen Eingriffstiefe, was eine umfassende Erneuerung der Oberflächen erlaubte. Die Instandsetzung erfolgte anhand von Fotos und Sondagen an den Materialien, Farben und Bautechniken der Bauzeit.
Projektierung
Die unter mehreren Schichten zum Vorschein gekommenen Klinkerböden konnten freigelegt und mit eigens rekonstruierten Platten ergänzt werden. In den Erschliessungsräumen ist die mit Ölfarbe gestrichene Jute-Verkleidung das robuste Pendant an der Wand. Bei den Spiel- und Schlafzimmern wurden feinere, mineralisch gestrichene Baumwoll-Tapeten und Linoleum-Böden verwendet. Der Saal wird durch den bestehenden Holzboden mit Fischgratmuster, der violetten Stofftapete und die bestehende, verzierte Decke als spezieller Raum ausgezeichnet. Die Fassade befand sich nach 100 Jahren in einem guten Zustand, sodass sie sorgfältig restauriert werden konnte. Der originale Verputz wurde mit einem mineralischen Anstrich in der ursprünglichen Farbigkeit gestrichen. Die originalen doppelverglasten Fenster, 1911 eine Neuheit, konnten durch einen Austausch des inneren Glases wärmetechnisch deutlich verbessert werden. Während die noch bestehende bauzeitliche Substanz möglichst erhalten wurde und die Oberflächen nah am Original bleiben, wurde für die neu hinzugefügten Elemente ein Gleichgewicht von Integration ins Ganze und Eigenständigkeit gesucht. Die für die Schreinerausbauten aus Gründen des Brandschutzes verwendeten Duripanelplatten werden durch die Rahmung mit Umleimern aus Eichenholz und einem «goldenen» Schutzanstrich nobilitiert. Bei den neuen verglasten Eichenholztüren wurde das traditionelle Musselinglas mit einem aus Tierspuren entwickelten Muster neu interpretiert.